Ausgezählt
wählte er das Handy seiner Frau an. Endlich bekam er Karen an den Apparat.
»Wo steckst du?«, herrschte Bruno sie an.
Lara steuerte den Saab von der Autobahn. Sie kurvte durch das abendliche Urdenbach. Kaum Verkehr. In jeder Kurve ließ Pommers Schwester die Reifen quietschen.
»Bei Irene. Und wenn ich deinen Ton höre, geb ich ihr völlig Recht. Mit dir sollte man erst gar nicht reden. Du bist ein misstrauischer, verbohrter Bulle. Und dein Dosha …«
»Du hast einen Ford Focus angemietet. Du hast mich observiert. Du hast …«
»Das war ich nicht!«
»Erzähl das deinen Fernsehzuschauern.«
»Manfred hat mich gebeten …«
»Fred?«
»Ja. Ich hab den Focus für ihn …«
»Was? Er ist nicht in Thailand?«
Lara bog in das Sträßchen am Stadtrand ein. Sie rollten auf das Haus ihres Bruders zu.
»Er hat mich um Hilfe gebeten.«
Bruno sah Pommers Mazda. Davor parkte ein silberner Focus.
Karen fuhr fort, Lügen zu erzählen. Freds Nöte. Freds Rechtfertigungen. Bruno schaltete sie weg.
Mit der Waffe in der Rechten sprang er aus dem Saab. Lara schloss den Wagen ab.
Der Focus schimmerte im Mondlicht. Auf dem Beifahrersitz lag ein Umschlag, den Bruno kannte – ein Teil der Papiere war herausgerutscht. Das Foto mit der abgerissenen Ecke: fünf fröhliche Menschen, die in die Kamera prosteten.
Ein Taxi hielt mit quietschenden Reifen hinter dem Saab.
Bruno öffnete die Tür des Focus, nahm den größten Teil des Dossiers an sich und steckte es unter seiner Jacke in den Hosenbund. Für die Papiere, die vor den Sitz gerutscht waren, reichte die Zeit nicht mehr. Lauffer stieg aus dem Benz.
Bruno nahm Lara bei der Hand.
Der junge Taxifahrer fuchtelte mit einer Pistole. »Schicke Stiefelchen«, bemerkte er. »In welchem Schwuchtel-Shop gibt’s die denn zu kaufen?«
Bruno und Lara rannten auf Pommers Haus zu. Lauffer folgte. Die Fenster waren unbeleuchtet. Die Eingangstür unverschlossen. Bruno öffnete und spähte hinein.
Das Narbengesicht flüsterte: »Nach dir, Möchtegern-Champion.«
Aus dem Keller kamen Licht und Stimmen.
Ein Schrei, der Bruno erstarren ließ.
Lara wollte sich vorbeidrängen. Bruno hielt sie zurück.
72.
Sie schlichen die Treppe hinab. Im Vorraum lehnte Max neben dem Durchgang zum Partykeller. Der Grauschopf hielt eine Sig Saur P6 zur Decke gerichtet und zitterte vor Zorn.
Im Partykeller war Licht. Die gegenüberliegende Tür stand auf – die Waschküche.
»Vielleicht überzeugt Sie das, Pommer!«
Freds Stimme.
Etwas Kleines flog herüber. Ein dicker Wurm, der über den Betonboden des Vorraums schlitterte und eine Blutspur hinterließ.
Ein Wurm mit orangefarbenem Nagellack.
Max sah nicht hin.
Bruno wurde schwindelig.
»Das Schwein bring ich um«, murmelte Lauffer.
»Neun hat sie noch«, rief Freds Stimme von drüben. »Wenn sie wieder zu sich kommt, ist der nächste dran. Erst dann. Und versuchen Sie nicht, den Raum zu stürmen. Ich jag das ganze Haus in die Luft. Sie haben hier ja genug Sprengstoff gelagert, Hauptkommissar Pommer!«
»Was will er?«, fragte Bruno.
»Mein Leben im Tausch für das von Cosima.«
Aus der Waschküche drang leises Stöhnen.
Lauffer flüsterte: »Ich könnte mich anschleichen. Bevor er die Handgranaten zündet, hab ich ihn erschossen.«
»Wenn das möglich wäre, hätt ich’s längst getan«, gab der Grauschopf zurück.
»Lasst uns die Polizei rufen«, bat Lara. Bruno gefiel nicht, dass sie ihnen in den Keller gefolgt war.
Max widersprach: »Dann bringt er Cosima um.«
Lara bückte sich nach dem Fingerstummel und hob ihn auf. »Ich … ich glaub, ich pack’s ins Eisfach. Vielleicht kann man’s wieder annähen.«
Sie lief nach oben. Bruno hoffte, dass sie nicht zurückkehren würde.
Zu viele feindselige Männer. Zu viele Waffen.
Er verstaute seinen Revolver im Hosenbund und trat in die Türöffnung. In der Waschküche hinter dem Partykeller lehnte ein Spiegel. Fred konnte herüberäugen, ohne selbst ins Schussfeld zu geraten.
Bruno erblickte das Gesicht des einstigen Freundes. Braun gebrannt von der Sonne Südthailands.
Fred fragte: »Bruno? Was machst du hier?«
»Lass uns reden!«
»Nein! Bleib um Gottes willen, wo du bist!«
Bruno durchquerte mit erhobenen Händen den Fetenraum. Madonna und Robbie Williams sahen zu. Bruno hörte, wie Max und der Junge im Vorraum tuschelten. Er umrundete Sessel und Bierkisten. Sein Kopf streifte Eierkartons. Er duckte sich und ging weiter.
Die so genannte Waschküche war ein gefliester
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