Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
Vom Netzwerk:
einem Schrank, einem Tisch am Fenster und einer kleinen Schubladenkommode möbliert. Kaltenbach wies stolz auf zwei Geschenke hin, die, sorgfältig in rotes Papier verpackt und mit einer weißen Schleife versehen, auf dem Kaminsims lagen. Diese Großzügigkeit machte Peter verlegen. Sie waren so nett zu ihm, diese Kaltenbachs. Er fühlte sich wieder daran erinnert, wie es war, Teil einer Familie zu sein.
    Bei einem der Geschenke handelte es sich um eine Pappschachtel, die ein wunderschönes Modellauto aus Metall enthielt – ein Mercedes mit offenem Verdeck. Darin saßen Plastikfigürchen, die dem Führer und einigen seiner Leibwächter und Funktionäre nachgebildet waren. Bei der Hitlerfigur, stellte Peter beim Herausnehmen fest, ließ sich der rechte Arm zum Nazigruß heben. Wenn man ihn senkte, sah die Figur stocksteif und so komisch aus, dass Peter sich ein Kichern verkneifen musste.
    Auch unter dem Papier des anderen Geschenks kam eine Pappschachtel zum Vorschein, voll mit exerzierenden Spielzeugsoldaten. Einige standen in Habachtstellung, andere marschierten im Stechschritt.
    Peter versuchte ein erfreutes Gesicht zu machen. Daheim hatte er Spielzeugsoldaten und Spielzeugautos gehabt, doch seit einem Jahr fühlte er sich dafür ein bisschen zu alt. Aber, wie seine Mutter manchmal gesagt hatte: »Es ist der Gedanke, der zählt.«
    »Danke schön, Herr Kaltenbach und Frau Kaltenbach. Das wird auf meinem Kaminsims sehr hübsch aussehen.«
    »Du musst uns Tante und Onkel nennen«, sagte der Professor.
    »Also, du hast doch bestimmt Hunger?«, fragte Frau Kaltenbach. Eine Antwort wartete sie nicht ab. »Gut, dann wollen wir mal essen.«
    Elsbeth hatte einen Eintopf vorbereitet, und sie setzten sich im Esszimmer um einen großen Eichentisch. Kerzen warfen sanftes Licht auf die Runde. Peter und Traudl bekamen ein wenig Wein, den sie aber mit Wasser mischen mussten; darauf bestand Frau Kaltenbach. »Direkt aus Frankreich«, sagte Herr Kaltenbach. Er schnaubte leise und hob sein Glas. »Ein altesdeutsches Sprichwort lautet: Ein guter Deutscher mag keine Franzosen – aber er trinkt gern ihren Wein.«
    Er und Peter entdeckten rasch eine gemeinsame Leidenschaft für Flugzeuge. Deutschland war, so ihre einhellige Meinung, auf dem Gebiet der Luftfahrt führend. Es war eine Tragödie, auch darin waren sie sich einig, dass die Hindenburg in Flammen aufgegangen war. Kaltenbach hatte den Zeppelin mit eigenen Augen gesehen, wie er Berlin im Tiefflug überquerte. Welch eine herausragende Ingenieurleistung, erklärte er Peter, ein solches Luftschiff mit den Ausmaßen eines Ozeandampfers zu bauen. Er war überzeugt, dass für die Zerstörung jüdische Saboteure verantwortlich waren – wahrscheinlich von den Amerikanern bezahlt.
    Auch Peter hatte diese Geschichte gehört, wollte aber nicht darüber sprechen. Die Manie der Deutschen, was die Juden betraf, ärgerte ihn. Stattdessen erkundigte er sich nach dem Focke-Wulf-Hubschrauber Fw 61 . Er hatte in der Zeitung Bilder dieser außergewöhnlichen Flugmaschine gesehen, die anstelle der Flügel zwei wirbelnde Propeller besaß. »Ja«, sagte der Professor. »Wir sind zwar vielleicht nicht die ersten gewesen, die ein solches Flugzeug gebaut haben, aber das beste haben wir auf jeden Fall.«
    Die Mädchen begannen sich zu unterhalten.
    »Ich habe sie alle mitgenommen, um es anzusehen«, erklärte Kaltenbach mit verschwörerisch gesenkter Stimme. »Hanna Reitsch …«
    »Die Testpilotin!«, warf Peter ein.
    Kaltenbachs Augen blitzten zustimmend auf. »Du weißt wirklich Bescheid!«, meinte er strahlend. »Ja, wir sind alle zur Deutschlandhalle gefahren, um zu sehen, wie sie es fliegt – mankann von hier aus zu Fuß hingehen. Es war ein erhebender Anblick, wie die Maschine da in der Luft hing wie eine Riesenlibelle! Und was haben die Mädchen getan? Mit den Fingern in den Ohren dagesessen und sich über den Lärm beschwert.«
    Frau Kaltenbach lächelte nachsichtig. »Fw 61 «, meinte sie missbilligend. »Auf so einen langweiligen Namen kann nur ein Mann kommen.«
    Peter und der Professor nahmen ihren Einwurf kaum zur Kenntnis. Sie waren zu sehr in ihr Gespräch über die Konstruktion des Hubschraubers versunken.
    »Morgen gehen wir einkaufen«, versuchte Frau Kaltenbach nach einer Weile die Unterhaltung in eine Richtung zu lenken, die sie alle interessieren würde. »Wir kaufen dir etwas Anständiges zum Anziehen.« Sie hatte Peter inzwischen sogar ein- oder zweimal angelächelt. Er

Weitere Kostenlose Bücher