Ausländer
Publikum in Bann zu ziehen. Nach etwa vierzig Minuten begann der Professor zusammenzufassen.
»In Mein Kampf schreibt der Führer: ›Der völkische Staat … hat die Rasse in den Mittelpunkt des allgemeinen Lebens zu setzen. Er hat für ihre Reinhaltung zu sorgen … Er hat die modernsten ärztlichen Hilfsmittel in den Dienst dieser Erkenntnis zu stellen.‹
Wir leben in einer einzigartigen Zeit. Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte ist eine Regierung so sehr bereit gewesen, die grundlegenden Wahrheiten der Rassenkunde zu begreifen. Und nie zuvor ist die Wissenschaft so sehr bereit gewesen, sich in den Dienst des Staates zu stellen.
Wenn unsere nationalsozialistische Zukunft gesichert ist, sowird nichts die Erneuerung des deutschen Volkes und die Schaffung einer unendlichen Fülle von Geistesheroen verhindern können. Der Herrenmensch wird die Welt regieren. Heil Hitler!«
Alle erhoben sich und salutierten ihrerseits, um anschließend zu applaudieren, als Kaltenbach das Pult verließ.
»Danke, Kameraden«, sagte er. »Gibt es Fragen?«
Ein Student in schwarzer Uniform erkundigte sich, wie lange es dauern werde, bis die Forschungen zur Rassendiagnose unwiderlegbare Nachweise des Jüdischseins erbringen könne. Kaltenbach versicherte ihm, ein solcher Durchbruch werde keine zehn Jahre auf sich warten lassen.
»Wir machen auf diesem Gebiet rasante Forschritte«, erklärte er. »Beispielsweise wissen wir inzwischen, dass einige Rassen – aschkenasische Juden zum Beispiel – gegen das Tuberkulosevirus resistenter sind als andere, beispielsweise die westafrikanischen Buschmänner. Der Grund liegt im Vorhandensein beziehungsweise Fehlen bestimmter Abwehrenzyme im Blut, und diese Merkmale werden, wenn ganz erforscht, einer solchen Diagnose zuträglich sein.«
Ein anderer junger Mann in schwarzer Uniform berichtete, er sei vor Kurzem von der Front in der Ukraine zurückgekehrt, wo er im Medizinkorps gedient habe. Als der Nachschub ausblieb, sei es übliche Praxis gewesen, die örtliche Bevölkerung als unfreiwillige Blutspender zu benutzen. Ob der Professor hierin eine Gefahr sehe?
Kaltenbach legte sich nicht fest. »In dieser Frage ist sich die Rassenkunde uneinig. Ich persönlich würde das nur als letzten Ausweg akzeptieren. Ähnlich, wie wenn man das Blut eines Hoftiers verwenden würde.«
Gekicher unter den Zuhörern.
Eine Studentin im weißen Arztkittel, die sehr jung wirkte, wollte wissen, warum es überhaupt notwendig sei, derartige Diagnosemethoden zu entwickeln. »Wenn ein Mensch arisch aussieht, ist er dann nicht auch Arier?«
In der Zuhörerschaft war Feindseligkeit zu spüren. Die junge Frau wirkte nervös.
Peter fand es galant von Kaltenbach, dass er der Versuchung widerstand, sie noch weiter zu demütigen. »Eine mutige Frage, Fräulein. Ihnen ist die Materie offenbar noch vollkommen neu. Das Äußere stellt nur einen Aspekt der Rasse dar. Ich empfehle Ihnen hierzu das Standardwerk Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene von Baur, Fischer und Lenz. Und ich möchte Sie an die Worte meines verstorbenen Schweizer Kollegen Professor Auguste Forel erinnern: ›Das Gesetz der Vererbung zieht sich wie ein roter Faden durch die Familie jedes Kriminellen, Epileptikers, Exzentrikers und Schwachsinnigen.‹ Und wie mit kriminellen oder schwachsinnigen Personen ist es auch mit der Rasse. Ein mit dem genetischen Erbe rassisch minderwertiger Elemente verdorbener Deutscher wird unvorteilhafte Merkmale an seine Nachkommen weitergeben. Ein Halb- oder Vierteljude wird hinterhältig und vertrauensunwürdig sein, ein Slawe faul und so weiter. Die mendelschen Vererbungsregeln, die für die Vererbung blonder Haare oder blauer Augen an Sohn oder Tochter gelten, sind auch auf die Merkmale minderwertiger Rassen anwendbar. Je früher das Blut der Nation von diesen Elementen gereinigt ist, desto besser.«
Frau Kaltenbach applaudierte resolut. Zum ersten Mal erlebte Peter, dass sie ihren Ehemann anders ansah als mit verbittertem Blick.
Kapitel zehn
Berlin
12. Oktober 1941
Anna Reiter betrachtete sich in dem langen Spiegel und war recht zufrieden mit dem, was sie sah. Auf der Straße wandten sich stets die Köpfe nach ihr um, und sie musste sich ständig der Aufmerksamkeit männlicher Verehrer erwehren. Manchmal war es schmeichelhaft, wenn ihr der junge Mann gefiel, der ihr schöne Augen machte. Doch zuweilen war es auch lästig, etwa wenn pickelige HJ -Jungen ihr anzügliche Blicke
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