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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Lautsprechern. »Der Reichsjugendführer wird in Kürze bei uns sein.«
    Den Jungen wurde erlaubt, sich ins Gras zu setzen und miteinander zu reden. Peter saß neben Gerhart Segur. »Schade, dass nicht Adi zu uns spricht«, sagte Segur.
    Die Jungen hatten für sämtliche Nazi-Führer Spitznamen. Ihre erwachsenen Vorgesetzten duldeten das, solange diese Vertraulichkeit nicht in Respektlosigkeit umschlug. Adolf Hitler hegte angeblich eine besondere Sympathie für die deutsche Jugend, daher schien es in Ordnung, dass die Jungen ihn »Adi« nannten.
    Segur rückte näher heran und flüsterte: »Adi wäre viel besser als Axi. Der ist doch ein ausgemachter Langweiler.«
    Peter bedeutete ihm zu schweigen. Ihr Scharführer Walter Hertz, ein Sechzehnjähriger mit scharfem Blick, könnte mithören. Segur war oft unvorsichtig, und obwohl Peter ihn mochte, fürchtete er zuweilen, dass ihn sein neuer Freund eines Tages in Schwierigkeiten bringen würde. Im Unterschied zu den meisten seiner Kameraden nahm Segur die HJ nicht allzu ernst. Aber er hatte zu Peter gestanden, als andere ihn zu drangsalieren versucht hatten. Nicht, dass Peter viel Hilfe nötig gehabt hätte. Schon bei der zweiten Zusammenkunft hatte er sein bisher verborgenes Talent fürs Boxen entdeckt, das ihm auf der Stelle Respekt verschaffte. Jeder, der ihn »Polacken-Peter« nannte, bezog Prügel.
    Eine weitere Durchsage brachte die Jungen wieder auf die Füße. »Aaach- TUNG !«, rief ein Nazi-Funktionär auf der Bühne. Die Trompeten bliesen eine weitere Fanfare, begleitet von einem Trommelwirbel.
    »Die Augen RECHTS !«
    Gleichzeitig, als wären sie eins, wandten die Jungen ihre Köpfe nach rechts. Angekündigt vom ohrenbetäubenden Dröhnen starker Motoren rollte ein Opel Kapitän mit offenem Verdeck ins Stadion, eskortiert von acht Motorrädern. Da war er, Axmann höchstpersönlich. Er stand hinten im Wagen, den rechten Arm zum Hitler-Gruß gereckt. Ein blauer Dunst von Auspuffgasen waberte durch die Arena und brachte einige der Jungen zum Husten. Der Wagen und seine Eskorte fuhren einmal die Laufbahn am äußeren Rand des Sportfeldes ab und hielten schließlich beim Podium.
    »Dieser Fettsack«, flüsterte Segur. Axmann war ein wenigfüllig um die Hüften und unter dem Kinn, das stimmte, aber auf Peter machte er in seiner Uniform doch ziemlichen Eindruck.
    »Ruhe im Glied!«, rief Hertz. Das würde später noch Ärger geben.
    Peter war stolz, dass er Axmann sehen durfte. Dessen Bild erschien oft in der HJ -Zeitschrift und in den Zeitungen. Und er hatte ihn in den Wochenschauen gesehen, meist bei ähnlichen Veranstaltungen wie dieser hier. Es war aufregend, einen von Deutschlands Führern leibhaftig vor sich zu haben. Jemanden, der in direktem Kontakt zu den obersten Nazi-Größen stand – zu Himmler, Göring und Goebbels, ja selbst zum Führer.
    Axmann trat an die Mikrofone und blickte über die Menge. In einer Wochenschau hatte Peter gesehen, wie Hitler genau dasselbe tat, um vor einer Rede die Spannung zu erhöhen.
    Schließlich begann er zu sprechen.
    »Heil Hitler!«
    » HEIL HITLER !«, schallte es aus tausend Jungenkehlen zurück.
    Dann Schweigen. Eine Rückkopplung ließ die Lautsprecher kurz pfeifen.
    »Kameraden!«, begann Axmann. »Ich bin gekommen, um euch großartige Neuigkeiten zu verkünden! Jeder Einzelne von euch verkörpert für unser vorwärts marschierendes Vaterland das Sinnbild unserer Zukunft. Vergesst nicht, die Erde befindet sich in einem Zustand unablässiger Entwicklung. Vor unseren Augen finden biologische und organische Umwälzungen statt …«
    Bei seinen Zuhörern schwand die Aufmerksamkeit. Jungen tauschten verwirrte Blicke, während sie versuchten, aus diesen Phrasen klug zu werden, an die sie sich dunkel aus den ideologischen Schulungen erinnerten, die sie nicht recht verstanden hatten.
    »… Diese Umwälzungen werden die künftigen Generationen beeinflussen. Das deutsche Volk ist nicht bereit, sich diesen Umwandlungen zu unterwerfen wie die niederen Arten, wie gedankenlose Tiere! Im Gegenteil, wir müssen diese Metamorphose beherrschen und lenken. Wir müssen den Zustand der menschlichen Vollkommenheit erreichen – den Übermenschen!«
    Er hielt inne, offenbar weil er Beifall erwartete. Die Menge spürte das und reagierte erwartungsgemäß.
    »Um diese große Revolution zu erreichen, müssen wir eine deutsche Rasse hervorbringen, die geistig und körperlich rein ist. Die Jugend ist die künftige Elite unserer Rasse.

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