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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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sprach inzwischen bewusst mit ruhiger Stimme, aber in ihren Worten lag dennoch eine Spur Schärfe.
    »Wenn man dich mit hundert Flugblättern erwischt, auf denen steht ›Nieder mit Hitler, Kapitulation jetzt‹, wie willst du das erklären? Dass du sie auf der Straße gefunden hast und gerade in den Abfall werfen wolltest? Du wärst im Handumdrehen im Gefängnis Plötzensee, und keine vierzehn Tage später würde man dich köpfen.«
    Sie hatte recht. Es war eine dumme Idee, aber es war ihm zu peinlich, das zuzugeben. Ohne den gewohnten Kuss gingen sie auseinander.
    Wenige Tage später trafen sie sich in der Bibliothek wieder. Sie strahlte ihn mit einem Lächeln an, das »vergeben und vergessen« signalisierte.
    »Kaffee und Kuchen auf meine Rechnung?«, fragte sie. Arm in Arm gingen sie in ein nahe gelegenes Café.
    Es war ein regnerischer Winternachmittag und das Lokal so gut wie leer. Im Radio lief laute Tanzmusik, wie um den fehlenden Lärm von Gästen zu ersetzen. An einem Tisch möglichst weit weg von der Theke steckten sie die Köpfe zusammen.
    Mit Bedacht wählte Anna ihre Worte. »Wenn du wirklich etwas tun willst … etwas gegen die Nazis …« – dabei sah sie ihm unverwandt ins Gesicht, als wollte sie sich vergewissern, dass sie ihm vertrauen konnte –, »… dann kannst du mir helfen.«
    Peter rückte noch näher an sie heran. Er hatte schon seit einiger Zeit das Gefühl gehabt, dass Anna etwas im Schilde führte. Würde er es jetzt endlich erfahren?
    »Ich kenne ein paar Leute«, flüsterte sie. »Leute, die Juden helfen, die sich hier versteckt halten.«
    Peter spürte, wie ihn ein Schauder durchfuhr – wie in einer Gespenstergeschichte, wenn ein Geist in jemanden fährt. Die Auflehnung gegen die Nazis war nicht mehr länger nur ein Gedankenspiel. Jetzt wurde es ernst.
    Peter lag die Frage auf der Zunge, ob er diese Leute denn kannte. Doch dann dachte er sich, wenn sie will, wird sie es mir schon erzählen. Außerdem war er fast sicher, dass sie ihre Eltern meinte.
    »Es ist sehr schwierig für sie, besonders seit Goebbels’ Proklamation.«
    Peter kannte diese Ankündigung ebenfalls. Wer auch nicht? Goebbels hatte in einer Rede kürzlich den schaurigen Ausdruck »judenrein« verwendet – als handelte es sich um eine Läuseplage oder eine bakterielle Infektion. Bis zu Hitlers Geburtstag im April, so hatte er erklärt, würden sie alle verschwunden sein. Peter hatte sich wenig dabei gedacht. Waren die Berliner Juden inzwischen nicht ohnehin alle in den Osten umgesiedelt worden?
    »Ein paar sind noch da«, sagte Anna. »Leute mit speziellen Fähigkeiten, Ingenieure, Maschinenbauer. Sie arbeiten für die Nazis, um ihr Leben zu retten. Nur deswegen haben sie sich auf diesen Kuhhandel eingelassen. Doch jetzt hat sie das Glückverlassen. Außerdem sind Hunderte, vielleicht sogar Tausende, untergetaucht. Weißt du, das sind die U-Boote, von denen der Polizist gesprochen hat. Also, ich helfe ihnen. Ich bringe ihnen Essen. Aber jetzt sind es so viele, dass ich nicht mehr hinterherkomme. Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen?«
    Peter war wie vom Donner gerührt. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Sein Wagemut hatte sich in Luft aufgelöst, und übrig geblieben war nur noch Angst.
    Schweigend saßen sie da. Nach einer schieren Ewigkeit sagte Anna: »Ich hole dir noch einen Kaffee.« Sie stand auf, um zur Theke zu gehen.
    »Liebeskummer?«, fragte die mütterliche Frau hinter dem Tresen und lächelte mitfühlend.
    »Wir kriegen das schon wieder hin«, sagte Anna in einem Ton, der jedes weitere Gespräch unmöglich machte. Die Frau hat uns beobachtet , dachte sie. Wir müssen vorsichtiger sein.
    Auch Peter beobachtete Anna. Auf einmal wurde ihm bewusst, in welche Gefahr sie sich brachte, und er empfand das starke Bedürfnis, sie zu beschützen. Ja, natürlich würde er ihr helfen. Je mehr er tat, desto weniger musste sie tun und desto eher wäre sie in Sicherheit. Aber er hatte entsetzliche Angst. Für Swingtanzen konnte man zusammengeschlagen oder verhaftet werden. Aber auf Straftaten wie diese standen Folter und Hinrichtung.
    Als sie mit zwei Tassen Kaffee zurückkam, fragte er: »Anna, woher nimmst du bloß den Mut dazu?« Er selbst hatte seine Flugblattidee sofort aufgegeben, nachdem Anna ihm die Konsequenzen ausgemalt hatte.
    Sie nahm seine Hand, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Sie hält uns für ein Liebespaar, das Streit hat«, erklärtesie. »Aber wir müssen

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