Ausländer
von Bahnsteig für Sie?«
Peter fragte sich, ob das eine kluge Reaktion war. Würde es nicht zu weiteren Gesprächen einladen? Ula stieg aus, um für sie alle einen Imbiss zu besorgen. Als sie den Waggon verlassen hatte, sah die Frau Anna an und sagte: »Ach, du bist deiner Mutter wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.« Und dann zu Peter: »Aber du – du musst nach deinem Vater kommen. Deiner Mutter ähnelst du gar nicht.«
Die beiden blickten sie an. »Nicht vastähn?«, sagte Anna in einem fragenden Tonfall.
Die Frau zog ein spöttisches Gesicht. »Ach was. Ich habe dich vorhin gehört. Hast perfekt Deutsch gesprochen. Das ist wohl irgendein albernes Spiel.« Sie klang gutmütig.
Die beiden schüttelten den Kopf und lächelten verständnislos. Jetzt wurde die Frau ärgerlich. »Na, wie ihr wollt, ihr dummen Kinder.«
Ula kam mit einer Pappschachtel mit Essen und Getränken zurück, reichte der Frau Kaffee und Kuchen und ließ sich das Geld dafür geben. Dann sprach sie Peter und Anna wieder auf Schwedisch an, worauf die beiden nickend mit »tack« antworteten.
Die Frau ließ nicht locker und wandte sich an Ula. »Ihre Kinder … Sie sprechen Deutsch, ich habe es gehört. Aber sie wollen nicht mit mir reden.«
Ula versuchte möglichst verdutzt dreinzublicken. Sie versicherte der Frau, dass die Kinder kaum ein Wort Deutsch beherrschten.
»Ich überlegen, wie lange wir wärden bleiben in dieses Bahnhof«, sagte Ula, um das Thema zu wechseln. »Bis alle kontrolliert sind«, meinte die Frau. Dabei deutete sie mit dem Kopf auf eine kleine Gruppe von Polizisten auf dem Bahnsteig, die soeben einstiegen. Sie würden gewiss sämtliche Ausweise überprüfen.
Eugen Klein hatte bei ihren Dokumenten hervorragende Arbeit geleistet. Die Behörden in Berlin hatten sich davon täuschen lassen. Aber mulmig war ihnen trotzdem immer, wenn die Ausweise kontrolliert wurden. Nur fünf Minuten später stand einer der Polizisten vor der Glastür ihres Abteils. »Ausweise bitte!«, rief er.
Er begann mit Ula zu plaudern. »Ah, Schweden. Vor dem Krieg habe ich dort viele Urlaube verbracht. Kennen Sie Ångermanland? Wir haben dort immer gern gezeltet.«
Ula lächelte und erwiderte ein paar Worte mit schwedischem Akzent. Dann wandte sich der Polizist an Peter und Anna. »Ihr glücklichen Kinder. Ihr seid sicher. Nicht wie unsere armen deutschen Jungs und Mädels, die Tag und Nacht diesen Luftpiraten ausgesetzt sind.«
Schnell schaltete sich Ula ein. »Meine Kinder, sie sprechen nur winzige Deuts.«
Die Frau in ihrem Abteil konnte ihren Mund nicht halten. »Das stimmt nicht. Sie können perfekt Deutsch. Ich habe es heute Morgen selbst gehört, als ich aufgewacht bin.«
Ula schüttelte den Kopf. » Nej , meinä Dame. Sie müssen haben geträumt.«
Damit gab sich der Polizist zufrieden. Er wünschte allen einen guten Tag und ging.
Jetzt war es mit der Freundlichkeit der Frau endgültig vorbei. »Ich glaube, Sie sind gar keine Schwedin. Sie sprechen ganz anders als die Schweden, die ich kenne«, sagte sie zu Ula. Dann wandte sie sich an Peter und Anna: »Und ich glaube, ihr seid Deserteure. Ihr drückt euch vor dem Dienst in Berlin als Flakhelfer oder bei der Feuerwehr.«
Zu der anderen Frau in dem Abteil sagte sie: »Glauben Sie denn, dass das Schweden sind?«
Die zuckte nur die Achseln. Sie wollte in die Sache nicht mit hineingezogen werden.
»Meine Dame, Sie sich täuschen …«, erklärte Ula, worauf die Frau nur eine abwehrende Handbewegung machte. Mit wütender Miene sah sie zu den Polizisten hinaus, die auf dem Bahnsteig auf der gegenüberliegenden Waggonseite Ausweispapiere kontrollierten. Dann stand sie auf, verließ das Abteil und schob das Fenster im Gang herunter – offensichtlich, um die Polizisten wieder hereinzurufen. Doch genau in diesem Augenblick ertönte ein lang gezogener Pfiff, das Zeichen zur Abfahrt, und da gab sie ihren Entschluss auf. Sie ließ sich auf ihren Sitz plumpsen, verschränkte die Arme und durchbohrte Peter und Anna mit ihren Blicken. Bei der nächsten Polizeikontrolle würde sie gewiss erneut Ärger machen.
Schließlich sagte sie, an Peter und Anna gerichtet: »Ihr seid ja sehr still, ihr beiden. Dabei plappern junge Leute doch ständig miteinander.«
Ula ergriff das Wort. »Meine Dame, Sie sind sährr unfreundlich. Diese Kinder reisen zu eine Begräbnis. Sie sind sährr unglücklich. Bitte uns lassen in Ruhe.«
Peter hatte das Gefühl, er müsse auch etwas zu der Diskussion
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