Ausradiert: Thriller (German Edition)
mir die verfickte Kniescheibe gebrochen.«
»Welche?«, fragte Petrov.
»Links.«
»Dann kannst du trotzdem fahren. Ist ja ein Automatik.«
»Und dein verfickter Köter hat mich gebissen. Was, wenn ich Tollwut kriege?«
Petrov tätschelte den Hund. »Er ist kerngesund.«
Der Hund schmiegte sich an seine Hand.
Rui fuhr. Petrov saß auf dem Beifahrersitz. Der Hund saß hinten, Schnauze aus dem Fenster.
»Dieses Sabbern ist ein Anzeichen für Tollwut«, sagte Rui.
»Das kommt nur vom Wind«, erwiderte Petrov. »Zeig mir mal deinen Ausweis.«
»Hab ich nicht dabei.«
»Gib mir deine Brieftasche.«
»Hab ich auch nicht.«
Der Hund knurrte. Rui reichte ihm die Brieftasche. »Was willst du von mir?«, fragte er.
»Rechts abbiegen.«
Rui bog rechts ab, in eine dunkle Straße Richtung Süden. Petrov schaltete die Innenbeleuchtung ein, untersuchte den Inhalt von Ruis Brieftasche. Elf Dollar – zwei Fünfer und ein Einer; ein Lotterielos für diesen Abend, geschätzter Gewinn 78 000 000 $; der Abschnitt einer Eintrittskarte für das Empty-Box-Konzert im Beacon Theater in Inglewood am 23. August, demselben Abend, an dem Amanda dort gewesen war; ein kalifornischer Führerschein auf den Namen Rui Estrella, Alter achtundzwanzig, wohnhaft 1491 Rosetta Street, Glendale.
»Was glaubst du, was ich von dir will?«, fragte Petrov.
»Scheiße, wenn ich das weiß.«
»Amanda.«
»Du hörst wohl schwer – ich kenne keine Amanda.« Das Licht eines entgegenkommenden Autos fiel auf Ruis Gesicht. Die untere Hälfte, besonders um den Mund herum, wirkte jung, jünger als achtundzwanzig; die obere Hälfte hätte für fünfundvierzig durchgehen können. »Und mein Knie tut verdammt weh.«
»Nur eine Verstauchung«, sagte Petrov. »Gib ein bisschen Gas.«
»Wohin fahren wir?«
Petrov antwortete nicht.
»Willst du mich umbringen?«, fragte Rui. »Und meine Leiche an irgendeinem abgelegenen Ort entsorgen?«
»Warum sollte ich das tun?«
»Hör mal«, sagte Rui. »Deine Einmischung macht alles kaputt. Ich hab’s nicht so gemeint. Du hast mich einfach überrascht, das ist alles. Ich suche selber nach ihr.«
»Nach wem?«
»Das weißt du.«
»Amanda.«
Rui nickte.
»Dann bring mich zu ihr.«
»Ich weiß nicht, wo sie ist, Mann.«
»Fahr rechts ran«, sagte Petrov.
Rui fuhr an den Straßenrand, hielt vor einem Kreosotgebüsch, ein schwarzer Klumpen in der Nacht.
»Stell den Motor ab.«
Rui stellte ihn ab. Ein oder zwei Augenblicke produzierte das Metall klickende Geräusche. Dann hörte man nur noch den Wind.
»Bist du auf Bewährung draußen, Rui?«
Rui antwortete nicht.
»Was bedeutet, dass dein Angriff auf mich, versuchter Mord, wie immer der Staatsanwalt es nennen wird, dich für immer in den Knast bringt.« Rui schüttelte den Kopf, sagte nichts. »Aber wenn du mir hilfst, Amanda zu finden, werde ich dich aus dem Gefängnis raushalten.«
Rui schnaubte. »Du kannst klug daherreden«, sagte er. »Aber du hast nicht die geringste Ahnung von gar nichts.«
»Von was zum Beispiel?«
Rui wedelte die Frage mit dem Handrücken fort.
»Worauf willst du hinaus, Rui?«
»Nichts.«
»Du kochst doch innerlich.«
»Nur wegen dir Spinner.«
»Verstehst du, worum es geht? Amandas Mutter hat mich angeheuert, um sie zu finden. Sie macht sich Sorgen.«
»Ihre Mutter?« Rui hämmerte auf das Lenkrad ein, so heftig, dass der Wagen schwankte. Petrov spürte das Schaukeln in seinem Schädel, seine Kopfschmerzen breiteten sich aus, erreichten jeden Winkel seines Gehirns.
»Scheiße, das glaube ich nicht«, erwiderte Rui.
»Warum nicht?«
»Warum nicht? Wie blöd bist du eigentlich? Noch nie gehört, dass Eltern dafür zuständig sind, für ihre Kinder zu sorgen …« Rui verstummte. Der Mond war jetzt aufgegangen, und in seinem Licht schimmerten Ruis Augen wässrig. Rui fuhr fort: »… statt sie einem Mörder zu überlassen?«
»Was behauptest du da? Liza soll wollen, dass Amanda umgebracht wird?« Das ergab überhaupt keinen Sinn.
»Ich behaupte gar nichts.«
»Wobei helft ihr euch gegenseitig, du und Amanda?«, fragte Petrov.
Ruis Tränen quollen über, zogen silbrige Spuren auf seinem Gesicht. Er beantwortete die Frage nicht.
Petrov versuchte es mit einer anderen. »Wovor hast du Angst?«
»Scheiße«, sagte Rui. »Wenn du es nicht weißt, wer dann?«
»Erklär mir das«, verlangte Petrov.
Stattdessen machte Rui ein leises Geräusch, eine Mischung aus Schniefen und Schluchzen, begleitet von dieser Fragen
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