Ausradiert: Thriller (German Edition)
Töchter?«
»Hatte. Er hatte zwei Töchter, Liza und Lara. Lara war die ältere. Sie ist gestorben. Hat Georgie schwer mitgenommen.«
»Wie ist sie gestorben?«
»Hä?«
Schon lange her. Amandas Freundin Beth Franklin hatte dieselbe Redewendung benutzt, als sie vom Tod, von der Ermordung Amandas leiblicher Mutter sprach. Zunächst hatte er angenommen, Beth versuchte ihm zu erzählen, dass Liza und Amanda Schwestern waren. Jetzt begann Petrov zu begreifen, spürte das Anschwellen der inneren Spannung, wie die Räder eines Mechanismus, die ineinandergriffen. »Kommen Sie, Wally, Sie wissen, wonach ich frage. Wie ist sie gestorben?«
War seine Stimme ein wenig zu laut geworden? Lag zu viel Aggressivität in seinem Tonfall? Die Tür des Schuppens öffnete sich wieder, und die beiden Männer traten heraus, Klemmbretter unter den Armen. Wallys Gesichtsausdruck hatte sich vollkommen verändert, von Freund zu Feind.
»He«, sagte er. »Was wird hier gespielt?«
Aber falls er zu laut gewesen war oder zu aggressiv, lag das an dem Pulsieren in Petrovs Kopf, das jetzt plötzlich übel wurde, das letzte, angenehme verebbte weich, während das nächste schon stechend heranrollte. Er zuckte zusammen, konnte es nicht ändern; zusammenzucken war vielleicht nicht das richtige Wort, eher ein winziges Krümmen oder ein kleiner Krampf.
Wally trat zurück, seine Augen wurden schmal. »Nur weil ich Georgie kenne, habe ich nichts mit seiner jüngeren Tochter zu tun, besonders, wenn man bedenkt … bedenkt, was aus ihr geworden ist. Wenn Sie sie also gestern getroffen haben, worum geht’s dann überhaupt?«
Der alte Mann, mürrisch jetzt, argwöhnisch, auf dem Rückzug, besaß Informationen, die er brauchte. Petrov dachte rasch nach, suchte nach dem Zauberwort. Wie wäre es mit der reinen Wahrheit? Er ermittelte in einem Vermisstenfall, und Wally konnte wertvolle Informationen für ihn haben. Petrov sagte: »Sie könnten mir vielleicht helfen, Wally.« Er spürte einen komischen Ruck im Kopf, ein Moment der Schwerelosigkeit. »Ich habe Angst, dass Babar tot ist.«
Was hatte er gesagt? Petrov versuchte noch einmal zu hören, was immer es gewesen war, was er fürchtete, dass es gewesen war, versuchte die Worte irgendwie aus der Luft zurückzuholen. Aber sie waren fort. Und Wallys Augen waren Schlitze.
Die beiden Männer kamen herüber, auf dem Ärmel des einen war Coach Costa eingestickt, auf dem des anderen Coach Girn. »He, Wally«, grüßte Coach Costa. »Ist das nicht der Hund der Brennermans?«
Wally starrte den Hund an. »Sieht ihm irgendwie ähnlich, wenn ich so darüber nachdenke. Buster, oder? Dieser Typ hat ihn mitgebracht.«
Sie drehten sich zu Petrov. Der hielt weiter den Mund, hatte zum ersten Mal im Leben kein Vertrauen in das, was er als Nächstes sagen mochte.
»Buster«, rief Coach Girn. »Komm her.«
Buster verdrückte sich in die andere Richtung.
»Das ist er«, sagte Coach Costa. Er zog ein Handy heraus, tippte eine Nummer. »Mrs. Brennerman?«, meldete er sich. »Coach Costa. Ist Buster immer noch weg?« Er lauschte einen Moment. »Er ist hier unten am Spielfeld.« Glückliche Geräusche tröpfelten aus dem Hörer. »Wie sieht es aus, soll Mikey ihn nach dem Training mit nach Hause nehmen?« Ein Kleintransporter fuhr auf den Parkplatz, und ein paar Jungen stiegen aus. »Er ist gerade gekommen, Mrs. Brennerman.« Schweigen. »Das ist doch nicht der Rede wert.«
Petrov fiel kein einziges Wort ein. Die Hitze drückte ihn nieder. Buster erkannte Mikey Brennerman und sprang davon.
7
D ie 15, 10, 210, 134. Petrov befand sich auf dem Weg nach Glendale: Rui Estrella, 1491 Rosetta Street. Auf den Straßenkarten waren die Schnellstraßen blau wie Flüsse, die Strecke war in seinem Verstand gespeichert, nach so vielen Jahren navigierte er automatisch. Im Stau – und an Sonntagen gab es immer viele – las er seine Notizen. Busters Geruch hing im Auto.
BEKANNT
LIZA:
1. Versteckt Amandas Geburtsurkunde. Mögliche Motive: (a) damit ich nicht herausfinde, dass sie nicht Amandas leibliche Mutter ist; (b) um den Namen der leiblichen Mutter geheimzuhalten.
Jetzt fügte er hinzu:
2. Hatte eine ältere Schwester, Lara, die vor langer Zeit gestorben ist.
Unter Vermutungen notierte er:
7. Lara – Amandas Mutter.
Aufgrund welcher Beweise? Er hatte nichts; nichts, was dem Standard echter Beweise entsprach. Mangel an Beweisen störte ihn nicht unbedingt immer. Petrov zog es zwar vor, systematisch zu arbeiten,
Weitere Kostenlose Bücher