Außer Atem - Panic Snap
zusammengefaltet ist und mit einem Gummiband zusammengehalten wird, liegt in der Ecke und halb unter der Couch; das Bild an der Wand, das einen Weingarten darstellt, hängt leicht schief, als ob sie dagegen gestoßen wäre und es nicht mehr gerade gerückt hätte. Als ich Gina zum ersten Mal gesehen habe, war alles an ihr perfekt und ordentlich. Sie trug zwar Jeans und ein T-Shirt, doch alles passte genau zu ihr. Sie trug spitze, mit Silberbeschlägen verzierte Stiefel und karierte Hemden, doch sie ließen sie wie ein städtisches schickes und starkes Cowgirl aussehen. Selbst ihr knochiges Gesicht, das immer einen kühlen Ausdruck hatte, war ordentlich. Nie hätte sie irgendeine Nachlässigkeit erlaubt, nicht an ihrer Erscheinung und auch nicht in ihrem Haus. Doch seit ich in ihr Leben eingedrungen bin, sieht sie genauso ramponiert und leicht verwahrlost aus wie dieser Raum.
Wieder betrachte ich das Bild an der Wand. Etwas stört mich daran. Es kommt mir irgendwie bekannt vor, obwohl ich es nie zuvor gesehen habe. Gina bewegt sich und setzt sich auf, als sie mich im Zimmer sieht.
»Schon fertig?«, fragt sie mit verschlafener Stimme.
»Ich hatte keine Seife«, sage ich. Ich sitze in dem Lehnsessel neben dem Kamin. »Werden Sie die Trauben verlieren?«, frage ich.
Sie reibt sich langsam über den Nasenrücken und dann über die Stirn. Sie sagt: »Vielleicht verlieren wir einen Teil der Ernte. Vielleicht auch nicht. Das kann man noch nicht vorhersagen. Wir können das Ausmaß des Schadens erst später feststellen. Wenn es morgen wärmer ist und die Trauben abtrocknen...« Achselzuckend lässt sie den Satz unbeendet in der Luft hängen. Sie steht auf und legt ein weiteres Holzscheit ins Feuer.
Es regnet jetzt nur noch leicht, und der Sturm, der so plötzlich aufgekommen war, ist verschwunden. Ich schaue ins Feuer und starre auf die brennenden Holzscheite und die heißen, züngelnden Flammen.
»Sie lieben James«, sagt sie schroff.
Ich schaue auf. Sie starrt mich vom anderen Ende des Raums an. Ich sehe ihren traurigen Gesichtsausdruck. Wir beide möchten das Gleiche haben: James. Sie ist von ihrem Bruder genauso besessen wie ich.
Die Holzscheite verschieben sich und speien rot glühende Funken aus. »Die Seife liegt im Dielenschrank«, sagt sie. »Im zweiten Fach.«
Als ich wieder im Badezimmer unter der Dusche stehe, denke ich an das, was Gina gesagt hat, während das heiße Wasser an mir herabläuft. Liebe ich? Der ununterbrochene Wasserfall, der auf die Fliesen fällt, hypnotisiert mich. Ich stehe so lange darunter, bis meine Fingerspitzen schrumpelig sind und meine Haut rosa geworden ist. Als ich das Wasser schließlich abdrehe, ist der Raum voller Dunst, der dankenswerterweise mein Spiegelbild verbirgt. Ich trockne mich ab und rubble die Kopfhaut mit dem Handtuch ab. Mein Spiegelbild ist nebelhaft und undeutlich und zeigt mich so schwächlich, wie ich gern bin.
Ich ziehe den blauen Frotteemantel wieder an, wringe meine Kleider aus und hänge sie über die Duschtür. Als ich mein nasses Haar mit den Fingern kämme, höre ich gedämpfte Stimmen. Ich öffne die Badezimmertür und gehe langsam hinaus. Ich halte inne, sobald ich sehe, wem die Stimmen gehören: James und Gina. Sie stehen im Wohnzimmer an der Tür. James steht mit dem Rücken zu mir und hat die Hand um Ginas Taille gelegt. Sie sehen mich nicht. Er trägt eine graue Lederjacke, die sich um seine Schultern und Arme schmiegt. Er beugt sich zu ihr, flüstert ihr etwas ins Ohr und fährt ihr mit den Lippen in sanfter Vertrautheit über die Wange. Ein scharfer Stich von Eifersucht durchfährt mich. Wie ich sehe, versucht Gina sich jetzt von ihm zurückzuziehen, doch er hält sie mit den weichen Worten auf, die ich nicht verstehen kann. Seine Hand gleitet ihren Arm hinauf bis zu ihrer Wange. Er streichelt sie leicht und flüstert wieder. Sie lehnt den Kopf an seine Schulter und verharrt einfach dort mit geschlossenen Augen. Seine Hand gleitet an ihrem Arm langsam hinauf und hinab in einem sinnlichen Streicheln. Ich höre sie seufzen. Er schlingt beide Arme um sie und hält sie so dicht an sich gedrückt, wie er mich nie gehalten hat, und ihre Körper pressen sich eng aneinander.
Ich weiß, dass ich außer mir bin und völlig fassungslos. Das Wohnzimmer scheint geschrumpft zu sein. Das Holz knistert und kracht und glüht rot auf, wenn es sich bewegt. Der Regen hat aufgehört, und außer dem sanften Tropfen des Wassers in den Regenrinnen ist von draußen
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