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Ausser Dienst - Eine Bilanz

Titel: Ausser Dienst - Eine Bilanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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gemeinsam mit meinem Freund Ernst Heinsen für den damals sehr honorigen Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) organisiert habe. Deutschland bestand aus vier Besatzungszonen, es gab weder die Bundesrepublik noch die Deutsche Demokratische Republik; die eingeladenen Kommilitonen kamen aus vielen Staaten der Welt, aus England, Frankreich, den USA, Kanada, Indien, Ceylon, Kenia, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Holland und Belgien, in das kleine Dorf Barsbüttel vor den Toren Hamburgs. Zu den etwa fünfzig Studenten und Studentinnen gesellten sich für ein paar Tage etwa zwanzig Deutsche. Manche der ausländischen Gäste waren drei Jahre zuvor noch Soldat im Krieg gegen Deutschland gewesen. Jetzt brachten sie nicht nur menschliche und politische Neugier mit, sondern vor allem den Willen zur Verständigung und sogar zur Freundschaft (und außerdem reichlich Zigaretten und ganze Koffer voller Lebensmittel). Wir Deutschen waren überwältigt von der Unvoreingenommenheit und der Vorurteilsfreiheit unserer Gäste, von denen wir vieles lernten. Einige von ihnen wurden später in ihrer Heimat Bürgermeister oder Minister; und einige der damals geschlossenen Freundschaften haben ein Leben lang gehalten.
    In den fünfziger Jahren nahm ich an den verdienstvollen internationalen Bilderberg-Konferenzen teil, die Prinz Bernhard der Niederlande eingerichtet hatte. Dazu kam bald die Mitwirkung an den deutsch-englischen Königswinter-Konferenzen. Herbert Wehner empfahl mich in das Komitee für die Vereinigten Staaten Europas unter dem Vorsitz Jean Monnets. Etwas später schickte mich Fritz Erler – der damals als Politiker mein Vorbild war – in ein Gremium des Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS). So habe ich während meiner ersten acht Jahre als Bundestagsabgeordneter (1953 bis 1961) das Glück gehabt, eine Reihe von politisch erfahrenen, klugen Europäern kennenzulernen und die Probleme der europäischen Einigung unter den divergierenden nationalen Aspekten zu begreifen. Von Monnet habe ich vor allem zwei Dinge gelernt: die Notwendigkeit des politischen Weitblicks auf ein sehr entferntes Ziel und die gleichzeitige Notwendigkeit des schrittweisen Vorgehens. Dankbar möchte ich hinzufügen, daß Monnet noch in hohem Alter mich als Bundeskanzler besucht hat, um mir bezüglich der weiteren Schritte der europäischen Integration seinen Rat zu geben.
    Zu den interessantesten und zugleich unterhaltsamsten Konferenzen gehörte für mich die alljährliche Verleihung des Premium Imperiale, der japanischen kaiserlichen Kunstpreise. Bei den internationale Beratungen, die dem feierlichen Akt vorausgingen, traf ich Jacques Chirac wieder, Ted Heath, Raymond Barre, David Rockefeller sen., Amintore Fanfani, Yasuhiro Nakasone und viele weitere alte Bekannte und Freunde. Aber ich lernte auch die ausgezeichneten Künstler kennen, den großen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch etwa oder den indischen Komponisten Ravi Shankar. Unter den Architekten ragten für mich Jeoh Ming Pei, Kenzo Tange und Richard Meier hervor; allerdings habe ich vergessen, welcher Architekt es war, der zum Smoking grüne Socken trug – rather funny. Dagegen habe ich nicht die für mich peinliche Episode vergessen, als ich den italienischen Regisseur Federico Fellini fragte, was denn aus der bezaubernden Giulietta Masini, der Hauptdarstellerin von »La Strada«, geworden sei. Da zeigte er auf eine ältere Dame, offenbar seine Ehefrau, und sagte: »Da steht sie doch!«

Auch Diktatoren zuhören
    Am Schluß dieses Kapitels dürfen ein paar unerfreuliche Begegnungen zumindest nicht unerwähnt bleiben. Ich will nicht verschweigen, daß ich neben einer großen Zahl verläßlicher Gesprächspartner und Freunde in aller Welt auch viele Politiker kennengelernt habe, die sich nicht öffnen wollten oder konnten, einige farblose Personen, schließlich auch einige sehr unangenehme Menschen. Unter den letzteren ragen in meiner Erinnerung Präsident Robert Mugabe in Simbabwe und besonders der rumänische Diktator Nicolae Ceaus,escu hervor, beide vom Größenwahn befallen. Im Vergleich mit Mugabe war mein nigerianischer Freund Olusegun Obasanjo, der den bei weitem bevölkerungsreichsten, zugleich aber heterogensten und deshalb schwierigsten Staat Afrikas zu regieren hatte, eine Lichtgestalt, wie man sie in Afrika nur selten antrifft (Nelson Mandela, den anderen herausragenden afrikanischen Staatsmann, habe ich leider nur einmal und nur flüchtig

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