Außer Kontrolle: Thriller (German Edition)
freiem Himmel verlegt worden, sodass der klimatisierte Hangar für die gefallenen Angehörigen des Zweiten Zuges vor ihren Abflug aus dem Irak genutzt werden konnte. Von Kuwait aus waren in einer C-130 Hercules Überführungsbehälter aus Aluminium eingeflogen worden, die gerade ausgeladen wurden. Man hatte Tische mit den Überresten der in Leichensäcke gehüllten Soldaten zu Reihen angeordnet, zwischen denen medizinisches Personal, freiwillige Helfer für die Beisetzung und Registrierung sowie Kameraden auf und ab gingen, sei es, um mit Hand anzulegen, für die Gefallenen zu beten oder sich von ihnen zu verabschieden. Ein wenig abseits stand ein Lkw mit Kühlvorrichtung geparkt, um die Überreste der schwerer verstümmelten Soldaten aufzunehmen.
Wilhelm fand Patrick neben einem der Leichensäcke stehend vor, zusammen mit einem Freiwilligen, der darauf wartete, den Sack schließen zu können. Als Patrick den Regimentskommandanten bemerkte, sagte er: » Specialist Gamaliel kam gestern Abend kurz vor dem Einsatz zu mir und wollte wissen, wie das sei, schwere Bomber und Raumfahrzeuge zu fliegen. Er erzählte mir, dass Fliegen schon immer sein Traum gewesen sei und er mit dem Gedanken spiele, zur Air Force zu wechseln, um ins All fliegen zu können. Wir haben uns ungefähr fünfzehn Minuten unterhalten, dann ging er, um sich seinem Zug anzuschließen.«
Wilhelm betrachtete den übel zugerichteten und blutbesudelten Körper, formte mit den Lippen ein stummes Danke, Soldat. Dann sagte er laut: » Wir müssen uns unterhalten, General.« Er nickte dem wartenden Soldaten zu, woraufhin dieser den Reißverschluss des Leichensacks ehrfürchtig nach oben zog. Wilhelm folgte Patrick der Reihe von Leichensäcken entlang und schließlich in einen abgelegenen Bereich des Hangars. » Wir erwarten einige VIP s, die in ein paar Stunden in einer CV -22 Osprey eingeflogen werden«, sagte er.
» Vizepräsident Phoenix. Ich weiß.«
» Woher, zum Teufel, wissen Sie immer so schnell von diesen Dingen, McLanahan?«
» Er wird an Bord unserer zweiten XC -57-Maschine einfliegen, nicht mit einer Osprey«, sagte Patrick. » Man befürchtet, die Osprey könnte ein zu leichtes Ziel abgeben.«
» Ihr Burschen müsst ziemlich eng mit dem Weißen Haus vernetzt sein, dass ihr diese Nummer durchziehen könnt.« Patrick erwiderte nichts. » Hatten Sie eigentlich bei der Entscheidung, die Kampfeinsätze einzustellen, Ihre Finger im Spiel?«
» Ihnen war doch längst bekannt, dass Sie die Kampfeinsätze herunterfahren würden, Colonel«, entgegnete Patrick. » Der Zakhu-Zwischenfall hat die Dinge lediglich beschleunigt. Und was meine Kenntnis gewisser Dinge anbetrifft– es ist mein Job, Dinge zu wissen oder herauszufinden. Ich benutze alle mir zur Verfügung stehenden Mittel, um so viele Informationen wie möglich zusammenzutragen.«
Wilhelm trat einen Schritt auf Patrick zu – doch diesmal hatte es nichts Bedrohliches. Eher schien es, als hätte er eine ernste, direkte und drängende Frage, eine, die niemand sonst mithören sollte, weil sie womöglich seine eigenen Ängste, seine Verwirrung offenbarte. » Wer seid ihr Burschen eigentlich?«, fragte er mit gesenkter Stimme, fast im Flüsterton. » Was, zum Teufel, geht hier vor?«
Und zum ersten Mal milderte Patrick sein Urteil über den Regimentskommandanten. Der wusste zweifellos selbst, wie es war, Männer im Kampf und die Kontrolle über eine Situation zu verlieren. Patrick verstand, wie Wilhelm sich fühlte. Aber eine Antwort oder Erklärung hatte er noch nicht verdient.
» Ich bedauere Ihre Verluste, Colonel«, sagte Patrick. » Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich erwarte ein hereinkommendes Flugzeug.«
Die zweite XC -57 landete um acht Uhr abends Ortszeit auf dem Alliierten Luftwaffenstützpunkt Nahla. Ihr vorausgegangen war eine CV -22-Osprey-Kipprotor-Transportmaschine, an Bord derer sich, so hatte man es der Presse und den lokalen Würdenträgern mitgeteilt, der Vizepräsident befinden würde. Die CV -22 führte den » Hochleistungs«-Standardanflug durch– einen Sturzflug aus großer Höhe mit hoher Geschwindigkeit zum Stützpunkt, gefolgt von einer steilen Kreisbahn, um Geschwindigkeit und Höhe abzubauen–, ohne dabei irgendwelche Probleme zu haben. Als die Sicherheitskräfte die Osprey in einen Hangar begleitet hatten, war die XC -57 bereits gelandet und sicher in einen anderen Bereich des Stützpunkts gerollt.
Jack Wilhelm, Patrick McLanahan, Jon Masters, Kris
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