Aussortiert
ja gar keine Gerätschaften dafür. Nur
nachgewogen werden se. Das ja. Aufs Zehntelgramm genau.«
»Danke!«
Nabel setzte sich und schnitt
merkwürdige Muster in den inzwischen fast erkalteten Fisch. Lidia
hatte zwei doppelte Espresso bestellt. Draußen auf der Straße
heulte eine Feuerwehrsirene.
»Ich glaube, sie
machens vorher.«
»Wer bitte macht was?«
Lidia fand, daß Kai ein wenig weggetreten wirkte, vielleicht auch
wirken wollte, ähnlich einem Wissenschaftler, der für eine große
Idee schnell ein Stück Schreibpapier braucht, ansonsten er im nächsten
Moment durchdreht. Sie hatte im Folgenden auch gar nicht das Gefühl,
daß er mit ihr redete, es hörte sich eher an, als müsse
Kai seinen Gedanken grundsätzlich Atem geben, müsse Sätze
wie Möbel in den Raum stellen, bevor man sie dann hin und her
schieben konnte.
»Sind die Drogen
erstmal in der Asservatenkammer, ist das System relativ sicher, es sei
denn, viele, zu viele Leute würden zusammenarbeiten. Das ist
unwahrscheinlich. Der Stoff wird vorher ausgetauscht, schon auf dem Weg
zum LKA. Ich glaube, viel von dem Zeug, das am Ende im Giftschrank landet,
ist Mehl oder Gips oder Aspirin. Ich glaube, der beschlagnahmte Stoff
wird, nachdem er die chemische Prüfung passiert hat, von irgendwem
gegen wasweißichwas ausgetauscht und erneut in den Verkehr gebracht.
Eine Art Luxusstoff für die High Society. Kistner hat sich da
eingeschleust und Namen gesammelt und Daten und Datumsangaben, er hatte
alles beisammen für eine riesengroße Story. Aber vielleicht
wollte er die Story gar nicht veröffentlichen, vielleicht wollte er
lieber Geld. Vielleicht benutzte er die Informationen, um Druck auszuüben.
Vielleicht war er sogar selbst Teil des Syndikats und der oberste
Verteiler. Jedenfalls, für irgendwen war Kistner eine Gefahr. Oder
ein unliebsamer Mitesser. Lidia, das ist genial.«
»Was genau? Ich habe
keine Ahnung, wovon du redest.«
»Total krank, aber
genial. Das erste Opfer, Zisska, was war der von Beruf?«
»Er war leitender
Angestellter in der Firma Brosche & Söhne.«
»Wir haben ihn nie ganz
ernst genommen. Was stellen die her?«
»So ziemlich alles vom
einfachen Türschloß bis zum Tresor.«
»Warum hat uns das nie
interessiert?«
»Gab keinerlei
Anhaltspunkt.«
»Jetzt weißt du,
warum die ersten drei Morde so schnell aufeinanderfolgten. Damit wir bloß
nie auf den Gedanken kommen, hier seien vielleicht auch rationale Motive
im Spiel. Wahrscheinlich waren Wilkins und Nentwig tatsächlich zufällig
ausgewählt, aber ich bin sicher, Zisska wußte was, hat
irgendwas geliefert, egal, und bei dem toten Schwarzen –«
»Farbigen!«
»Bin ich mir auch nicht
so sicher, ob man da nicht irgendeine Verbindung zu Pfeifer herstellen könnte.«
»Du denkst, Pfeifer ist
…«
»Nein, Pfeifer ist ein
kleiner Wichser, kein Killer. Kein Mensch mit einem solchen Schnauzbart
ist wichtig. Er ist wohl mehr zufällig auf Kistners Liste gelandet.
Irgendein unbedeutender Verteiler, oder ein korrupter Fahnder. Das Geniale
an der Sache ist: Von Anfang an war Kistner im Fadenkreuz. Der Täter
wußte, daß sich Kistner ein solches Thema niemals entgehen
lassen würde, daß er darüber schreiben würde und,
leicht vorauszusehen, in populistischer, stammtischumschmeichelnder Weise,
mit vielen boshaften Spitzen gegen den Täter. Genial!«
»Ja?«
»Das Faß kommt
ins Rollen, dann wird Kistner ersäuft und jeder denkt, es sei der
Racheakt des beleidigten Psychopathen gewesen. Perfekt! Und nur, weil zufällig
Pfeifers und dein Name auf einer Liste steht und meine Phantasie eine blühende
ist herrje, Lidia, weißt du, was das bedeutet?«
»Ähmm?«
Lidia ahnte ungefähr, was Kai sagen wollte, fand es aber netter, wenn
sie noch ein bißchen die Begriffsstutzige gab. Erstens begriff sie
seine Theorie bislang tatsächlich nicht hundertprozentig, zweitens
gefiel ihr, welche Energie er plötzlich zeigte, gestisch und verbal;
das war zuletzt vor vielen Monaten der Fall gewesen.
»Zwei Dinge. Erstens:
Der Täter hat sich in Kistners Computer gehackt, und zweitens –
er selbst hat, oder seine Verbindungsmänner haben – Zugang zu
beschlagnahmtem Stoff. Es muß jemand sein, der Personalakten
einsehen kann, der sich schwarze Schäfchen raussuchen kann, kleine Sünder
wie zum Beispiel Pfeifer, die macht er dann zu seinen Handelsvertretern,
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