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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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ja gar keine Gerätschaften dafür. Nur
     nachgewogen werden se. Das ja. Aufs Zehntelgramm genau.«
    »Danke!«
    Nabel setzte sich und schnitt
     merkwürdige Muster in den inzwischen fast erkalteten Fisch. Lidia
     hatte zwei doppelte Espresso bestellt. Draußen auf der Straße
     heulte eine Feuerwehrsirene.
    »Ich glaube, sie
     machens vorher.«
    »Wer bitte macht was?«
     Lidia fand, daß Kai ein wenig weggetreten wirkte, vielleicht auch
     wirken wollte, ähnlich einem Wissenschaftler, der für eine große
     Idee schnell ein Stück Schreibpapier braucht, ansonsten er im nächsten
     Moment durchdreht. Sie hatte im Folgenden auch gar nicht das Gefühl,
     daß er mit ihr redete, es hörte sich eher an, als müsse
     Kai seinen Gedanken grundsätzlich Atem geben, müsse Sätze
     wie Möbel in den Raum stellen, bevor man sie dann hin und her
     schieben konnte.
    »Sind die Drogen
     erstmal in der Asservatenkammer, ist das System relativ sicher, es sei
     denn, viele, zu viele Leute würden zusammenarbeiten. Das ist
     unwahrscheinlich. Der Stoff wird vorher ausgetauscht, schon auf dem Weg
     zum LKA. Ich glaube, viel von dem Zeug, das am Ende im Giftschrank landet,
     ist Mehl oder Gips oder Aspirin. Ich glaube, der beschlagnahmte Stoff
     wird, nachdem er die chemische Prüfung passiert hat, von irgendwem
     gegen wasweißichwas ausgetauscht und erneut in den Verkehr gebracht.
     Eine Art Luxusstoff für die High Society. Kistner hat sich da
     eingeschleust und Namen gesammelt und Daten und Datumsangaben, er hatte
     alles beisammen für eine riesengroße Story. Aber vielleicht
     wollte er die Story gar nicht veröffentlichen, vielleicht wollte er
     lieber Geld. Vielleicht benutzte er die Informationen, um Druck auszuüben.
     Vielleicht war er sogar selbst Teil des Syndikats und der oberste
     Verteiler. Jedenfalls, für irgendwen war Kistner eine Gefahr. Oder
     ein unliebsamer Mitesser. Lidia, das ist genial.«
    »Was genau? Ich habe
     keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Total krank, aber
     genial. Das erste Opfer, Zisska, was war der von Beruf?«
    »Er war leitender
     Angestellter in der Firma Brosche & Söhne.«
    »Wir haben ihn nie ganz
     ernst genommen. Was stellen die her?«
    »So ziemlich alles vom
     einfachen Türschloß bis zum Tresor.«
    »Warum hat uns das nie
     interessiert?«
    »Gab keinerlei
     Anhaltspunkt.«
    »Jetzt weißt du,
     warum die ersten drei Morde so schnell aufeinanderfolgten. Damit wir bloß
     nie auf den Gedanken kommen, hier seien vielleicht auch rationale Motive
     im Spiel. Wahrscheinlich waren Wilkins und Nentwig tatsächlich zufällig
     ausgewählt, aber ich bin sicher, Zisska wußte was, hat
     irgendwas geliefert, egal, und bei dem toten Schwarzen –«
    »Farbigen!«
    »Bin ich mir auch nicht
     so sicher, ob man da nicht irgendeine Verbindung zu Pfeifer herstellen könnte.«
    »Du denkst, Pfeifer ist
     …«
    »Nein, Pfeifer ist ein
     kleiner Wichser, kein Killer. Kein Mensch mit einem solchen Schnauzbart
     ist wichtig. Er ist wohl mehr zufällig auf Kistners Liste gelandet.
     Irgendein unbedeutender Verteiler, oder ein korrupter Fahnder. Das Geniale
     an der Sache ist: Von Anfang an war Kistner im Fadenkreuz. Der Täter
     wußte, daß sich Kistner ein solches Thema niemals entgehen
     lassen würde, daß er darüber schreiben würde und,
     leicht vorauszusehen, in populistischer, stammtischumschmeichelnder Weise,
     mit vielen boshaften Spitzen gegen den Täter. Genial!«
    »Ja?«
    »Das Faß kommt
     ins Rollen, dann wird Kistner ersäuft und jeder denkt, es sei der
     Racheakt des beleidigten Psychopathen gewesen. Perfekt! Und nur, weil zufällig
     Pfeifers und dein Name auf einer Liste steht und meine Phantasie eine blühende
     ist herrje, Lidia, weißt du, was das bedeutet?«
    »Ähmm?«
     Lidia ahnte ungefähr, was Kai sagen wollte, fand es aber netter, wenn
     sie noch ein bißchen die Begriffsstutzige gab. Erstens begriff sie
     seine Theorie bislang tatsächlich nicht hundertprozentig, zweitens
     gefiel ihr, welche Energie er plötzlich zeigte, gestisch und verbal;
     das war zuletzt vor vielen Monaten der Fall gewesen.
    »Zwei Dinge. Erstens:
     Der Täter hat sich in Kistners Computer gehackt, und zweitens –
     er selbst hat, oder seine Verbindungsmänner haben – Zugang zu
     beschlagnahmtem Stoff. Es muß jemand sein, der Personalakten
     einsehen kann, der sich schwarze Schäfchen raussuchen kann, kleine Sünder
     wie zum Beispiel Pfeifer, die macht er dann zu seinen Handelsvertretern,
    

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