Aussortiert
beteiligt sie an dem Deal, jeder vertickt ein bißchen was, damit es
nicht nach viel aussieht und den Banden auffällt, aber durch die
Qualität des Stoffes bekommt Mister X bekannte Namen in seine
Kundenkarte, Promis, Reiche, schöne Menschen, Eminenzen. Vielleicht
war Kistner sogar daran beteiligt und hat dem Täter die Tür zur
Schickeria erst geöffnet. Einerlei – hier gehts um Millionen.
Um Machtstrukturen höchster Ebene. Und der Täter weiß
genau, wie er die Profiler in den Wahnsinn treibt, er weiß, auf
welche Spuren es letztlich ankommt und wie man sie vermeidet.«
»Worauf willst du
hinaus?« Lidia wußte jetzt, worauf Kai hinauswollte und bekam
Angst davor, es aus seinem Mund zu hören.
»Der Täter ist ein
Polizist. Nicht irgendeiner. Er ist ein hohes Tier.« Nabel holte
tief Luft.
Lidia war nicht sicher, ob
sie ihm gratulieren oder ihn lieber beruhigen sollte. Das war zwar eine
alles verknüpfende Theorie, zugegeben, aber sie basierte auf wenigen
Fakten, die zueinander nur durch wüste Vermutungen eine Beziehung
bekamen. Und die Auswirkungen einer solchen Lösung des Falles würden
katastrophal sein. Niemand wünschte sich, gegen eigene Leute vorgehen
zu müssen, vor allem nicht, wenn diese nichts zu verlieren hatten.
Abgesehen von allem Skandal und dem Schaden an der Reputation der Polizei,
solche Ermittlungen bedeuteten Todesgefahr. Zumindest konnten sie –
auf beiden Seiten – jede Karriere abrupt beenden.
»Kai, dimm dich mal
runter. Das müssen wir alles ganz still und subtil untersuchen, und
erst wenn wir konkrete Beweise haben, können wir zuschlagen.«
Lidia redete sehr leise. Sie war blaß geworden, so wie Nabel sie am
liebsten sah, wenn ihre Haut zum kupferroten Haar am besten kontrastierte.
Ich werde Seidel nicht
einweihen«, beschloß er laut.
»Bloß nicht. Der
Schwätzer könnte nichts für drei Tage für sich
behalten. Du solltest besser überhaupt niemanden einweihen.«
»Wir werden ganz auf
uns gestellt sein. Sollen wir uns das wirklich antun? Wahrscheinlich ist
die Serie jetzt vorbei. Mädchen, wenn du mir sagst, das ist dir zu
unheimlich, zu groß, du willst das nicht machen, dann sags,
gradhinaus – und ich überleg mir, wie ich dich aus der Schußlinie
bekomme.«
Nabel griff unwillkürlich
nach Lidias Hand. Sie zog sie nicht weg. In ihrem Gesicht lagen Zweifel
und Staunen eng beieinander. Sie war sich über ihre Meinung und ihre
Gefühle nicht im klaren.
»Du selbst machst in
jedem Fall weiter?«
Nabel zuckte mit den Achseln.
»Was bleibt mir übrig?« Er steckte sich eine Zigarette
zwischen die Lippen, und ohne daß er dies beabsichtigt hätte,
wirkte es auf altmodische und fast pathetische Weise lässig,
cowboylike schicksalsergeben wie aus einer verblichenen Tabakwerbung oder
einem Film mit Belmondo oder Jean Gabin.
Lidia mußte schmunzeln,
dann lachte sie laut und kniff ihm in die Backe. »Ich hoffe
ernsthaft, daß du spinnst!«
11
Am nächsten Morgen rief
Nabel Ahmed zu sich und wollte von ihm wissen, wie viele Geisteskranke
hiergewesen seien und die Morde gestanden hätten.
Ahmed blätterte in den
Akten. Es seien insgesamt sieben gewesen.
»Ist irgendeiner dabei,
der nicht völlig unglaubwürdig aussieht?«
»Oh, also, wenn du mich
fragst – nein.«
»Nicht ein einziger?«
»Naja, wenn man seeehr
großzügig ist, dann womöglich der Frührentner mit dem
Tourette-Syndrom.«
»Gut. Verhaften!«
»Wie bitte?«
»Verhaften. Wir haben
immerhin sein Geständnis.«
»Aber, Chef, wie sieht
das aus? Wir haben den Kerl nach Hause geschickt.«
Der Einwand wog schwer. Nabel
hatte sich die Präsentationstheorie Seidels zu eigen machen wollen,
um ein wenig Ruhe im Karton zu haben. Er wollte den Täter in
Sicherheit wiegen und den Druck der Medien lockern. Dem Frührentner würde
kein Unrecht geschehen, im Gegenteil, der Kerl würde bestimmt freudig
erregt reagieren über soviel Zuwendung. Lohnte es sich deswegen, die
Soko dem Spott preiszugeben? Nabel fand die Idee, die ihm am frühen
Morgen noch brillant erschienen war, mehr und mehr blödsinnig. Warum
hatte er in der vergangenen Nacht so viel getrunken? Er hatte so viel
trinken müssen, um einschlafen zu können. Ein wenig Schlaf
– zu welchem Preis?
»Okay, vergiß es.
War doof.«
»Was, Chef?«
»Was ich eben
vorgeschlagen habe.«
»Längst vergessen,
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