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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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beteiligt sie an dem Deal, jeder vertickt ein bißchen was, damit es
     nicht nach viel aussieht und den Banden auffällt, aber durch die
     Qualität des Stoffes bekommt Mister X bekannte Namen in seine
     Kundenkarte, Promis, Reiche, schöne Menschen, Eminenzen. Vielleicht
     war Kistner sogar daran beteiligt und hat dem Täter die Tür zur
     Schickeria erst geöffnet. Einerlei – hier gehts um Millionen.
     Um Machtstrukturen höchster Ebene. Und der Täter weiß
     genau, wie er die Profiler in den Wahnsinn treibt, er weiß, auf
     welche Spuren es letztlich ankommt und wie man sie vermeidet.«
    »Worauf willst du
     hinaus?« Lidia wußte jetzt, worauf Kai hinauswollte und bekam
     Angst davor, es aus seinem Mund zu hören.
    »Der Täter ist ein
     Polizist. Nicht irgendeiner. Er ist ein hohes Tier.« Nabel holte
     tief Luft.
    Lidia war nicht sicher, ob
     sie ihm gratulieren oder ihn lieber beruhigen sollte. Das war zwar eine
     alles verknüpfende Theorie, zugegeben, aber sie basierte auf wenigen
     Fakten, die zueinander nur durch wüste Vermutungen eine Beziehung
     bekamen. Und die Auswirkungen einer solchen Lösung des Falles würden
     katastrophal sein. Niemand wünschte sich, gegen eigene Leute vorgehen
     zu müssen, vor allem nicht, wenn diese nichts zu verlieren hatten.
     Abgesehen von allem Skandal und dem Schaden an der Reputation der Polizei,
     solche Ermittlungen bedeuteten Todesgefahr. Zumindest konnten sie –
     auf beiden Seiten – jede Karriere abrupt beenden.    
    »Kai, dimm dich mal
     runter. Das müssen wir alles ganz still und subtil untersuchen, und
     erst wenn wir konkrete Beweise haben, können wir zuschlagen.«
     Lidia redete sehr leise. Sie war blaß geworden, so wie Nabel sie am
     liebsten sah, wenn ihre Haut zum kupferroten Haar am besten kontrastierte.
    Ich werde Seidel nicht
     einweihen«, beschloß er laut.
    »Bloß nicht. Der
     Schwätzer könnte nichts für drei Tage für sich
     behalten. Du solltest besser überhaupt niemanden einweihen.«
    »Wir werden ganz auf
     uns gestellt sein. Sollen wir uns das wirklich antun? Wahrscheinlich ist
     die Serie jetzt vorbei. Mädchen, wenn du mir sagst, das ist dir zu
     unheimlich, zu groß, du willst das nicht machen, dann sags,
     gradhinaus – und ich überleg mir, wie ich dich aus der Schußlinie
     bekomme.«
    Nabel griff unwillkürlich
     nach Lidias Hand. Sie zog sie nicht weg. In ihrem Gesicht lagen Zweifel
     und Staunen eng beieinander. Sie war sich über ihre Meinung und ihre
     Gefühle nicht im klaren.   
    »Du selbst machst in
     jedem Fall weiter?«
    Nabel zuckte mit den Achseln.
     »Was bleibt mir übrig?« Er steckte sich eine Zigarette
     zwischen die Lippen, und ohne daß er dies beabsichtigt hätte,
     wirkte es auf altmodische und fast pathetische Weise lässig,
     cowboylike schicksalsergeben wie aus einer verblichenen Tabakwerbung oder
     einem Film mit Belmondo oder Jean Gabin.
    Lidia mußte schmunzeln,
     dann lachte sie laut und kniff ihm in die Backe. »Ich hoffe
     ernsthaft, daß du spinnst!«

 
    11
    Am nächsten Morgen rief
     Nabel Ahmed zu sich und wollte von ihm wissen, wie viele Geisteskranke
     hiergewesen seien und die Morde gestanden hätten.
    Ahmed blätterte in den
     Akten. Es seien insgesamt sieben gewesen.
    »Ist irgendeiner dabei,
     der nicht völlig unglaubwürdig aussieht?«
    »Oh, also, wenn du mich
     fragst – nein.«
    »Nicht ein einziger?«
    »Naja, wenn man seeehr
     großzügig ist, dann womöglich der Frührentner mit dem
     Tourette-Syndrom.«
    »Gut. Verhaften!«
    »Wie bitte?«
    »Verhaften. Wir haben
     immerhin sein Geständnis.«
    »Aber, Chef, wie sieht
     das aus? Wir haben den Kerl nach Hause geschickt.«
    Der Einwand wog schwer. Nabel
     hatte sich die Präsentationstheorie Seidels zu eigen machen wollen,
     um ein wenig Ruhe im Karton zu haben. Er wollte den Täter in
     Sicherheit wiegen und den Druck der Medien lockern. Dem Frührentner würde
     kein Unrecht geschehen, im Gegenteil, der Kerl würde bestimmt freudig
     erregt reagieren über soviel Zuwendung. Lohnte es sich deswegen, die
     Soko dem Spott preiszugeben? Nabel fand die Idee, die ihm am frühen
     Morgen noch brillant erschienen war, mehr und mehr blödsinnig. Warum
     hatte er in der vergangenen Nacht so viel getrunken? Er hatte so viel
     trinken müssen, um einschlafen zu können. Ein wenig Schlaf
     – zu welchem Preis?
    »Okay, vergiß es.
     War doof.«
    »Was, Chef?«
    »Was ich eben
     vorgeschlagen habe.«
    »Längst vergessen,
    

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