Aussortiert
Chef.«
Unter dem Vorwand, mit jedem
aus Kistners Bekanntenkreis sprechen zu müssen, interviewte Nabel in
den folgenden Tagen diverse Persönlichkeiten, deren Namen auf
Kistners Liste zu finden waren. Das Thema Drogen vermied er dabei, jedoch
erkundigte er sich hartnäckig nach Orten und Zeiten, an denen die
Betroffenen mit Kistner zusammengekommen waren. Er hoffte, es würde
sich dadurch automatisch eine Art Koordinatensystem ergeben, das Rückschlüsse
auf Events mit sozusagen gemeinschaftlichem Drogenkonsum zuließ.
Nabel fühlte sich gut
wie seit langem nicht mehr. Der Umstand, mit Lidia ein Geheimnis zu
teilen, wirkte in beinahe erotischer Weise stimulierend. Ahmed und der
Rest vom Stab wurden nicht eingeweiht. Man teilte ihnen leidlich sinnvolle
Aufgaben zu, aber die dahinterstehende Theorie behielten Lidia und Nabel für
sich. Alle Mitglieder der Soko Lila ermittelten weiterhin in jede
Richtung.
Leider gab es bald schon
erste Rückschläge für Nabels Theorie. Die Firma Brosche
& Söhne, bei der Zisska beschäftigt gewesen war, hatte nie
einen Polizeiauftrag gehabt, weder für Schlösser noch Tresore,
geschweige denn Asservatenkammern. Das stimmte Nabel sehr mißmutig.
Und was, bei aller Phantasie, sollte der amerikanische Banker Wilkins mit
hiesigen Kreisen zu tun gehabt haben? Oder ein Heizungsbauer?
Konnte es sein, daß der
Killer wirklich viermal nur Dummies getötet hatte, ohne jeden
effektiven Hintergedanken? Hätten nicht zwei oder drei genügt?
Im Fall des erstochenen Kleindealers ergaben sich keine Hinweise, daß
er je etwas mit Pfeifer zu tun gehabt hatte. Aber wie sollten sich auch
Hinweise finden lassen, wenn man den Namen Pfeifer kaum in den Mund nehmen
durfte? Nabel recherchierte unter dem Vorwand, sich um Lidia zu kümmern,
um eine Mitarbeiterin, die sich einen bedauerlichen Fehltritt geleistet
hatte. Das war ein guter Vorwand, um Pfeifer ein wenig auf die Nerven zu
gehen. Ihn auf irgendeine Weise mit den Morden in Verbindung zu bringen, hätte
die Theorie verraten und den Killer gewarnt.
Und wenn Pfeifer gar nichts
mit dem very big thing zu tun hatte? Bestimmt gab es einige kleine
korrupte Bullen in der Stadt, die hier und da ein Auge zudrückten und
mit Stoff bezahlt wurden, den sie dann weitervertickten, um ihr geringes
Gehalt aufzubessern. Das einzige, was Pfeifer verdächtig machte und
in Kistners Dunstkreis bugsierte, war ja die Qualität des Stoffes,
den er Lidia zukommen ließ. Sie hatte das Zeug – leider
– ins Klo gespült, den Reinheitsgrad konnte man nun nicht mehr
feststellen, aber anhand ihrer Berichte mußte es ziemlich guter
Stoff gewesen sein, sie war mit zwei Gramm pro Woche ausgekommen, hatte außer
dem üblichen Schnupfen nie über Nebenwirkungen zu klagen gehabt
– eine zugeschwollene Nase, Depressionen oder einen unangenehm beißenden
Waschmittelgeschmack. Bestimmt hatte Pfeifer nichts zu verschenken,
bestimmt war auch sein Zeug gestreckt gewesen, aber eben nicht stark und
nur mit ungefährlichen Substanzen.
»Hast du wirklich
nichts mehr davon? Nichts? Kein Krümelchen?«
Lidia schüttelte den
Kopf. Sie stand abends gebückt vor ihrem Wohnzimmertisch und
servierte aus einem großen Kochtopf Pasta Arrabiata, die Nabel zu
schmecken schienen. Sie hatte ihn zu sich eingeladen, um ohne Zeugen die
Lage zu besprechen. Um seine Theorie ganz zu begreifen. Nebenbei, um
festzustellen, ob sie nicht doch ein wenig kochen konnte. Für
jemanden zu kochen machte ihr Spaß, sie hatte es sich nie
eingestanden, nicht zuletzt, weil das Klischee der Frau am Herd ihrem
Selbstbild abträglich war. Aber die Pasta Arrabiata waren ein Anfang,
vielleicht würde sie beim nächsten Mal etwas Risikoreicheres
probieren.
»Schmeckts dir
wirklich?«
»Ja. Klar. Kann man ja
auch nicht viel falsch machen.«
»Ich finde, da kann man
durchaus viel falsch machen.« Lidia zog eine beleidigte Schnute.
»Tut mir leid, wenn ich
dich nicht genug gelobt habe.«
»Du sollst mich nicht
genug loben, es soll dir wirklich schmecken.«
»Das tut es. Ich schwörs!«
Lidia mußte lachen.
Ihre gute Laune verflog gleich wieder, als Nabel ihr nahelegte, künftig
frisch geriebenen Parmesan zu bevorzugen, das Zeug aus der Tüte
schmecke nach Schuhsohle. »Apropos Zeug aus der Tüte. Hast du
nicht wenigstens irgendwo noch ein leeres Tütchen?«
»Nein«, schnaufte
Lidia entnervt,
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