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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Chef.«
    Unter dem Vorwand, mit jedem
     aus Kistners Bekanntenkreis sprechen zu müssen, interviewte Nabel in
     den folgenden Tagen diverse Persönlichkeiten, deren Namen auf
     Kistners Liste zu finden waren. Das Thema Drogen vermied er dabei, jedoch
     erkundigte er sich hartnäckig nach Orten und Zeiten, an denen die
     Betroffenen mit Kistner zusammengekommen waren. Er hoffte, es würde
     sich dadurch automatisch eine Art Koordinatensystem ergeben, das Rückschlüsse
     auf Events mit sozusagen gemeinschaftlichem Drogenkonsum zuließ.
    Nabel fühlte sich gut
     wie seit langem nicht mehr. Der Umstand, mit Lidia ein Geheimnis zu
     teilen, wirkte in beinahe erotischer Weise stimulierend. Ahmed und der
     Rest vom Stab wurden nicht eingeweiht. Man teilte ihnen leidlich sinnvolle
     Aufgaben zu, aber die dahinterstehende Theorie behielten Lidia und Nabel für
     sich. Alle Mitglieder der Soko Lila ermittelten weiterhin in jede
     Richtung.
    Leider gab es bald schon
     erste Rückschläge für Nabels Theorie. Die Firma Brosche
     & Söhne, bei der Zisska beschäftigt gewesen war, hatte nie
     einen Polizeiauftrag gehabt, weder für Schlösser noch Tresore,
     geschweige denn Asservatenkammern. Das stimmte Nabel sehr mißmutig.
     Und was, bei aller Phantasie, sollte der amerikanische Banker Wilkins mit
     hiesigen Kreisen zu tun gehabt haben? Oder ein Heizungsbauer?
    Konnte es sein, daß der
     Killer wirklich viermal nur Dummies getötet hatte, ohne jeden
     effektiven Hintergedanken? Hätten nicht zwei oder drei genügt?
     Im Fall des erstochenen Kleindealers ergaben sich keine Hinweise, daß
     er je etwas mit Pfeifer zu tun gehabt hatte. Aber wie sollten sich auch
     Hinweise finden lassen, wenn man den Namen Pfeifer kaum in den Mund nehmen
     durfte? Nabel recherchierte unter dem Vorwand, sich um Lidia zu kümmern,
     um eine Mitarbeiterin, die sich einen bedauerlichen Fehltritt geleistet
     hatte. Das war ein guter Vorwand, um Pfeifer ein wenig auf die Nerven zu
     gehen. Ihn auf irgendeine Weise mit den Morden in Verbindung zu bringen, hätte
     die Theorie verraten und den Killer gewarnt.
    Und wenn Pfeifer gar nichts
     mit dem very big thing zu tun hatte? Bestimmt gab es einige kleine
     korrupte Bullen in der Stadt, die hier und da ein Auge zudrückten und
     mit Stoff bezahlt wurden, den sie dann weitervertickten, um ihr geringes
     Gehalt aufzubessern. Das einzige, was Pfeifer verdächtig machte und
     in Kistners Dunstkreis bugsierte, war ja die Qualität des Stoffes,
     den er Lidia zukommen ließ. Sie hatte das Zeug – leider
     – ins Klo gespült, den Reinheitsgrad konnte man nun nicht mehr
     feststellen, aber anhand ihrer Berichte mußte es ziemlich guter
     Stoff gewesen sein, sie war mit zwei Gramm pro Woche ausgekommen, hatte außer
     dem üblichen Schnupfen nie über Nebenwirkungen zu klagen gehabt
     – eine zugeschwollene Nase, Depressionen oder einen unangenehm beißenden
     Waschmittelgeschmack. Bestimmt hatte Pfeifer nichts zu verschenken,
     bestimmt war auch sein Zeug gestreckt gewesen, aber eben nicht stark und
     nur mit ungefährlichen Substanzen.
    »Hast du wirklich
     nichts mehr davon? Nichts? Kein Krümelchen?«
    Lidia schüttelte den
     Kopf. Sie stand abends gebückt vor ihrem Wohnzimmertisch und
     servierte aus einem großen Kochtopf Pasta Arrabiata, die Nabel zu
     schmecken schienen. Sie hatte ihn zu sich eingeladen, um ohne Zeugen die
     Lage zu besprechen. Um seine Theorie ganz zu begreifen. Nebenbei, um
     festzustellen, ob sie nicht doch ein wenig kochen konnte. Für
     jemanden zu kochen machte ihr Spaß, sie hatte es sich nie
     eingestanden, nicht zuletzt, weil das Klischee der Frau am Herd ihrem
     Selbstbild abträglich war. Aber die Pasta Arrabiata waren ein Anfang,
     vielleicht würde sie beim nächsten Mal etwas Risikoreicheres
     probieren.
    »Schmeckts dir
     wirklich?«
    »Ja. Klar. Kann man ja
     auch nicht viel falsch machen.«
    »Ich finde, da kann man
     durchaus viel falsch machen.« Lidia zog eine beleidigte Schnute.
    »Tut mir leid, wenn ich
     dich nicht genug gelobt habe.«
    »Du sollst mich nicht
     genug loben, es soll dir wirklich schmecken.«
    »Das tut es. Ich schwörs!«
    Lidia mußte lachen.
     Ihre gute Laune verflog gleich wieder, als Nabel ihr nahelegte, künftig
     frisch geriebenen Parmesan zu bevorzugen, das Zeug aus der Tüte
     schmecke nach Schuhsohle. »Apropos Zeug aus der Tüte. Hast du
     nicht wenigstens irgendwo noch ein leeres Tütchen?«
    »Nein«, schnaufte
     Lidia entnervt,

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