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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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»hab ich nicht. Und wenn? Was würde das
     bringen?«
    »Jeder Stoff ist auf
     seine Weise einzigartig. Wir könnten mit einem Milligramm das
     Herkunftsland bestimmen. Und aufgrund der Art, wie er verschnitten ist, könnte
     man feststellen, aus welchem Glied der Verteilerkette er stammt. Weißt
     du, beim Ottonormalkonsumenten landet ein Anteil von 30 Prozent reinem
     Koks, der Rest ist beigemischte Scheiße.«
    »Wenn dir so viel daran
     liegt, kann ich ja noch was bei Pfeifer bestellen.«
    Nabel sah sie an. Ein Lächeln
     riß seine Lippen für einen Sekundenbruchteil auseinander.
    »Glaubst du denn, er
     gibt dir noch was?«
    »Er mag mich.«
     Lidia sagte es so neutral wie möglich. Er ist scharf auf mich, hätte
     sie ebensogut sagen können.
    Nabel schnippte mit zwei
     Fingern, ließ die Hand ausgestreckt, deutete mit dem Zeigefinger auf
     einen imaginären Punkt über Lidias Stirn.
    »Das wäre gar
     nicht schlecht. Würdest du ein Mikro tragen?«
    »Wozu? Kai, ich glaube
     nicht, daß Pfeifer für die Sache relevant ist. Ich käme
     mir mies dabei vor, ehrlich.«
    »Na schön, dann
     geh ohne Mikro zu ihm. Was wir haben, haben wir. Bitte ihn um einen
     Nachschlag. Guck nicht so griesgrämig! Ich piß deinem
     Klassenkameraden schon nicht ans Bein.«
    »Versprochen?«
    Versprechen wollte Nabel aber
     gar nichts. Dazu war der Fall zu heiß.
    Pfeifer, soviel hatte er
     über diverse Kanäle erfahren, war von keinem anderen als
     Kriminalrat König zum Streifendienst verdammt worden. Eigentlich
     logisch. Ein so diskretes
     Unter-den-Teppich-Kehren-von-etwas-ganz-ganz-Heiklem, eine so stille
     Übereinkunft, um den guten Ruf des Drogendezernats zu schützen,
     dergleichen mußte von einem hohen Vorgesetzten abgesegnet werden,
     der eine gewisse Flexibilität genoß, der Spielraum besaß,
     sich nicht allzu streng an die Vorschriften halten und im Personalakt
     nicht ins Detail zu gehen brauchte.
    König zum Beispiel. König
     verfügte über alle Voraussetzungen, um jene graue Eminenz zu
     sein, hoch oben im Polizeiapparat, nach der Nabel suchte. Im Grunde war er
     Nabels erster und einziger Verdächtiger. Dabei gab es neben König
     in der Abteilung 2a vom Rang her ein halbes Dutzend ähnlicher
     Kaliber. Bloß hatte er diese nie persönlich kennengelernt.
    Über allen thronte
     Kriminaloberrat Ludwig, berlinweit Chef der Rauschgiftbekämpfung,
     aber Ludwig war zweiundsechzig Jahre alt, festgewachsen an seinem
     Schreibtisch, und Nabel hing dem bequemlichen Glauben an, ab einem
     gewissen Alter lasse die kriminelle Energie nach, proportional zur
     Sexualität. Lidia hätte ihm sagen können, daß diese
     These purer Unfug war, ebenso widersprach ihm seine eigene
     Berufserfahrung. Der tiefere Grund für Nabels Denken beruhte wohl auf
     der Scheu, einen Kriminaloberrat finsterer Umtriebe zu verdächtigen.
     Dessen Macht war im Vergleich zu der von Nabel so überwältigend
     groß, daß es aussichtslos schien, eine solche Front zu eröffnen.
     Prompt wurde Nabel depressiv. Der Umstand, daß in dieser korrupten
     Welt rechtsfreie Zonen existierten, daß gewisse Menschen von ihren
     Titeln behütet wurden, sofern man sie nicht gerade mit der Glocke um
     den Hals in flagranti überraschte, das Wissen darum raubte Nabel
     einen Großteil seiner frischen Emphase.    
    »Lidia?«
    »Ja?«
    »Wir beide werden
     nichts erreichen. Wir sind zwei schmale Würstchen. Das wird mir eben
     klar. Wir brauchen Unterstützung. Von oben. Sonst können wir das
     Ganze vergessen.«
    Lidia servierte eine Flasche
     Montepulciano und hoffte auf Kais zustimmenden Kommentar.
    Er schien den Wein nicht ganz
     abstoßend zu finden, aber auch keiner Bewertung würdig.
    Gierig trank er sein Glas in
     einem Zug aus.
    »Und an wen denkst du
     da?«
    »Ich weiß nicht.
     Vielleicht setze ich alles auf eine Karte und geh nochmal zu König.«
    »Und falls König
     genau der ist, den wir suchen?«
    »Haben wir dennoch die
     Initiative auf unsrer Seite. Ich muß ja nicht gleich alles auf den
     Tisch legen. Ich kann ein bißchen über Kistner erzählen
     und dessen Drogenkonsum. Im schlimmsten Fall wecken wir den Löwen in
     seiner Höhle.«   
    »Schmeckt dir der Wein?«
    »Was? Ja. Du
     telefonierst morgen mit Pfeifer. Bittest ihn, dir noch mal ein, zwei Gramm
     vorbeizubringen. Du kriegst das hin, oder?«
    »Glaub schon.«

 
    12
    Pfeifer kam am Kleistpark
     vorbei, sah sich unauffällig um und spazierte gemächlich, beide
     Hände in

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