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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Leibesvisitation über sich ergehen lassen, nicht penetranter als ein
     Check-in am Flughafen, danach durfte er bereits den Vorraum zum
     Allerheiligsten betreten. Zugang zum Tresor bekam er nicht.
    Der gutmütige Beamte
     nahe der Pensionsgrenze wich ihm keinen Moment von der Seite. Ein
     freundlicher, glatzköpfiger Mann mit kullernden blauen Augen und
     einer enormen Wampe.
    »Bitte sehr! Sehen Se
     sich um!«
    »Hier gibts aber gar
     nichts zu sehen.«
    Der Raum war beinahe leer,
     bis auf einen Tisch und zwei Stühle und ein Stahlregal mit
     Aktenordnern, in denen Ein- und Ausgang der Drogen protokolliert wurden.
     Eine große Stahltür führte zum Tresorraum. An der Decke
     hingen zwei Videokameras.
    »Na, wat dachten Sie?«
    »Und wer darf in den
     Tresor?«
    »In ganz Berlin nur
     zwei Beamte. Es sei denn, es gibt mal viel zu schleppen. Dann sinds sechs
     Beamte.«
    »Wer sind die zwei
     Beamten?«
    »Dienstgeheimnis, Herr
     Kollege.«
    »Aber diese beiden
     Beamten haben einen Schlüssel zum Tresor?«
    »Nee, wat glauben Sie
     denn? Daß die den Schlüssel ständig spazieren tragen? Schlüssel
     gibts nur einen. Der ist bei mir.«
    »Dann könnten doch
     auch Sie an den Tresor?«
    »Nee, kann ich nich.
     Der Schlüssel zum Giftschrank, so heißt der nämlich bei
     uns, liegt in einem eigenen kleinen Tresor, den kamma nur mitm Zifferncode
     öffnen. Einer der Beamten stellt den Zifferncode, der übrigens täglich
     wechselt, ein, ich öffne den Kleinen und händige dem Beamten den
     Schlüssel aus. So läuft et. Der Beamte schließt sich im
     Vorraum ein, öffnet den Tresor, macht, wat er zu tun hat, dann sperrt
     er zu und gibt mir den Schlüssel wieder. Ick tu den Schlüssel in
     den Kleinen, der Beamte überwacht mich bei, so läuft det.«
    »Wird dieser Beamte am
     Ausgang durchsucht?«
    »Stichprobenartig wird
     Taschenkontrolle gemacht, ja klar. Mißtrauen ist der Papa der
     Porzellankiste.«
    Nabel setzte ein
     schlechtgelauntes Gesicht auf. Das System schien auf den ersten Blick
     sicher. »Und wie geht der Abtransport vor sich?«
    »Abtransport?«
    »Der Drogen, die
     verbrannt werden sollen.«
    »Au ja! Na, das ist
     jedesmal n ziemlicher Zirkus. Die Ware wird unter Aufsicht
     runtergeschleppt in einen vom BKA bewachten Transporter, mindestens sieben
     Mann hoch sitzen drinne, ein Wagen fährt voraus, n anderer hinterher,
     mehr weeß ick ooch nich, der Rest ist die Fahrt zur Hinrichtung.«
    »Eine Frage noch.«
    »Bitte.«
    »Angenommen, ein
     Beamter will nur an die Akten hier, nicht in den Tresor. Wird das
     protokolliert?«
    »Na klar. Videoüberwachung
     ist immer eingeschaltet. Wissen Se, ick weeß doch, worauf Se
     hinauswollen. Ob hier unterm Händchen was abhanden kommen kann. Nich?
     Und ick sach Ihnen, nee, det geht nich. Sind wa hier in Hamburg?«
    Der Alte spielte auf einen
     Vorfall an, bei dem es einem jungen Hamburger Polizisten gelungen war, 900
     Gramm Kokain aus der Aufbewahrung zu klauen. Gelungen ist das falsche
     Wort, er war ja schließlich doch erwischt worden, wenn auch erst
     Wochen später.
    Nabel dachte nach, gab dem
     Glatzkopf die Hand, dankte für dessen Erläuterungen und fuhr in
     sein Büro zurück.
    Lidia konfrontierte ihn mit
     den jüngsten Zeitungsartikeln. Die Presse gierte nach Stoff, mehr
     mehr mehr wurde gefordert. Entweder neue Details, neue Erkenntnisse oder
     neue Morde. Zwar schrieb das niemand so wortwörtlich, aber der
     Tonfall mancher Artikel erinnerte an die Hysterie eines Junkies auf
     Entzug. Nabel kotzte dieses System an, er fühlte sich zum
     Aushilfsentertainer einer blutgierigen Gesellschaft rekrutiert. In Tel
     Aviv hatte es zwei Selbstmordattentate gegeben und in Tschetschenien ein
     Massaker, damit trösteten sich die Zeitungen notdürftig über
     die Stagnation der Berliner Ermittler hinweg.    
    »Wir sind im Kolosseum,
     Lidia, und das Volk will Spiele.«
    »So ist das eben, Kai.
     Unsere Spezies ist grausam. Und nur eingeschränkt lernfähig.«
    »Wird sich das
     irgendwann bessern? Was meinst du?«
    »Schon möglich.
     Wir beide werden es kaum mehr erleben. Solltest dich abfinden damit.«
    »Ich sollte eher den
     Fall abgeben.«
    »Warum?«
    »Wegen erwiesener Unfähigkeit.
     Ich glaube aus irgendeinem Grund nicht mehr an einen geisteskranken
     Killer, aber wahrscheinlich haben wirs genau damit zu tun. Wie soll ich
     einen Fall lösen, an dessen offensichtliche Grundlagen ich nicht
     glauben kann?«
    Lidia versuchte ihn zu

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