Aussortiert
trösten.
Niemand könne aus Scheiße Gold machen oder aus Luft einen
Kuchen. Nabel entgegnete, daß in dieser Kultur doch dauernd aus Luft
Kuchen gebacken würden und aus Scheiße Gold, das könne man
an jeder Hitparade ablesen.
»Kai, wir sind hier
nicht in Sachen Kultur unterwegs. Wir sind gewissermaßen der
Sportteil. Hier ist ein Zwei zu Eins ein Zwei zu Eins, nicht wie im
Feuilleton. Du mußt das auseinanderhalten.«
Nabel sprach sich schuldig,
im Team eine defätistische Stimmung zu verbreiten, er konnte es kaum
erwarten, nach Hause zu fahren und sich zu duschen, innen wie außen,
ein paar Stunden Urlaub zu nehmen von all diesem Dreck. Aber noch war er
in demütigender Weise nüchtern.
Lidia, die für die
niederen Gemütslagen ihres Vorgesetzten eine Art Frühwarnsystem
entwickelt hatte, entschloß sich zur freundlichen Geste, schon um
ihrer selbst willen. Ein Kai in solcher Stimmung konnte seinem Stab die
Arbeit mit deprimierendem Gerede unmöglich machen. »Kommst du
mit, was essen? Du bist eingeladen.«
»Du mußt mich
nicht einladen. Aber essen ist okay. Essen ist immer wieder okay. Wo auf
der Welt, egal, nur weg von hier!«
Sie gingen zu Fuß ins
Chico, eine kleine, exquisite, dabei preiswerte Tapas-Bar. Lidia nahm, wie
beinahe immer, die Fleischbällchen mit Erbsen in Tomatensoße,
dazu Patatas Fritas in Knoblauchcreme. Nabel bestellte den Fisch des
Tages, gegrillte Dorade. Die Bar war zum Glück noch ein Geheimtip,
vor 21 Uhr kaum frequentiert. Hier konnte man reden, ohne Trittbretthörer
fürchten zu müssen.
»Mädchen, laß
mich mal zusammenfassen, was ich glaube: Da ist dieser Pfeifer, ich kann
mir nicht vorstellen, wie du drauf sein mußt, daß du den für
in Ordnung hältst. Das ist doch ne ganz schmierige Type. Seine
Jogginghose hat der im 20. Jahrhundert zum letzten Mal gewaschen.«
»Ich hab gesagt, er ist
in Ordnung, ich meinte damit: er ist, was mich betrifft, korrekt. Mehr weiß
ich auch gar nicht über ihn. Er saß in meiner Abiturklasse, in
der letzten Bank, damals war er sehr schweigsam und introvertiert.«
»Sieh ihn dir bloß
mal an. Dieser Scheißschnauzbart!«
»Jetzt mach bitte nen
Punkt!«
»Okay, also, er hat
einen kleinen Handel mit gutem Stoff, du hast doch immer guten Stoff von
ihm bekommen, oder?«
»Nich so laut! Aber
– ja, ich glaube. Ich hab ja von niemandem sonst je was bekommen.«
»Hast du noch was
davon?«
»Hab alles ins Klo gespült.«
»Du bringst mich zum
Weinen, Lidia!«
Das Essen wurde serviert.
Nabel setzte seine Meditationen fort.
»Wir haben einen toten
Reporter, der womöglich an irgendeinem großen Ding saß
und ungestreckten Stoff im Bad hatte. Aber den toten Reporter überhaupt
mit Drogen in Verbindung zu bringen, darauf bin ich eigentlich nur durch
dich gekommen, Mädchen, das war reiner Zufall, ein glücklicher
Zufall …«
»Worauf willst du
hinaus? Nenn mich nicht immer Mädchen! Hin und wieder ist ja okay,
aber nicht den ganzen Abend!« Lidia stocherte in ihren Patatas herum
und starrte ihren Vorgesetzten mißmutig an. Der hatte sein Essen
unterbrochen, um eine Zigarette zu rauchen, hier, am Tisch, während
sie aß. Er bemerkte sein Fehlverhalten gar nicht, so tief war er in
Gedanken versunken, und erst als sie ihren Kopf bis auf zehn Zentimeter zu
seinem hinschob – »Hallo? Bist du noch hier?« –,
erschrak er und zermahlte die Kippe im Aschenbecher.
»Was denn?«
»Ich fragte vor etwa
drei Minuten, worauf du hinauswillst?«
»Ähmm …«
Nabel kratzte sich mit zwei Fingern die Oberlippe. »Es ist
eigenartig, aber wir müssen uns dessen bewußt sein …«
»Wessen bewußt
sein?«
»Wenn wir was haben,
dann haben wir was, von dem der Feind gar nichts ahnt. Einen glücklichen
Zufall auf unserer Seite. Diesen Vorteil müssen wir konservieren.«
»Würdest du mir
erläutern, was du meinst?«
»Ich glaube, ich hab
eine Idee. Laß mich mal schnell telefonieren!« Nabel stürzte
vor die Tür und rief den freundlichen Glatzkopf vom LKA auf dessen
Privatnummer an.
»Nabel nochmal.
Verzeihen Sie die Störung, eine Frage. Werden die Drogen, wenn sie
erst in der Asservatenkammer sind, jemals wieder chemisch überprüft?«
Am anderen Ende der Leitung
zuckte der Beamte mit beiden Schultern, und es kam Nabel vor, als könne
er dieses Zucken akustisch wahrnehmen.
»Is mir nix von
bekannt. Gäb hier
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