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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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trösten.
     Niemand könne aus Scheiße Gold machen oder aus Luft einen
     Kuchen. Nabel entgegnete, daß in dieser Kultur doch dauernd aus Luft
     Kuchen gebacken würden und aus Scheiße Gold, das könne man
     an jeder Hitparade ablesen.
    »Kai, wir sind hier
     nicht in Sachen Kultur unterwegs. Wir sind gewissermaßen der
     Sportteil. Hier ist ein Zwei zu Eins ein Zwei zu Eins, nicht wie im
     Feuilleton. Du mußt das auseinanderhalten.«
    Nabel sprach sich schuldig,
     im Team eine defätistische Stimmung zu verbreiten, er konnte es kaum
     erwarten, nach Hause zu fahren und sich zu duschen, innen wie außen,
     ein paar Stunden Urlaub zu nehmen von all diesem Dreck. Aber noch war er
     in demütigender Weise nüchtern.   
    Lidia, die für die
     niederen Gemütslagen ihres Vorgesetzten eine Art Frühwarnsystem
     entwickelt hatte, entschloß sich zur freundlichen Geste, schon um
     ihrer selbst willen. Ein Kai in solcher Stimmung konnte seinem Stab die
     Arbeit mit deprimierendem Gerede unmöglich machen. »Kommst du
     mit, was essen? Du bist eingeladen.«
    »Du mußt mich
     nicht einladen. Aber essen ist okay. Essen ist immer wieder okay. Wo auf
     der Welt, egal, nur weg von hier!«
    Sie gingen zu Fuß ins
     Chico, eine kleine, exquisite, dabei preiswerte Tapas-Bar. Lidia nahm, wie
     beinahe immer, die Fleischbällchen mit Erbsen in Tomatensoße,
     dazu Patatas Fritas in Knoblauchcreme. Nabel bestellte den Fisch des
     Tages, gegrillte Dorade. Die Bar war zum Glück noch ein Geheimtip,
     vor 21 Uhr kaum frequentiert. Hier konnte man reden, ohne Trittbretthörer
     fürchten zu müssen.
    »Mädchen, laß
     mich mal zusammenfassen, was ich glaube: Da ist dieser Pfeifer, ich kann
     mir nicht vorstellen, wie du drauf sein mußt, daß du den für
     in Ordnung hältst. Das ist doch ne ganz schmierige Type. Seine
     Jogginghose hat der im 20. Jahrhundert zum letzten Mal gewaschen.«
    »Ich hab gesagt, er ist
     in Ordnung, ich meinte damit: er ist, was mich betrifft, korrekt. Mehr weiß
     ich auch gar nicht über ihn. Er saß in meiner Abiturklasse, in
     der letzten Bank, damals war er sehr schweigsam und introvertiert.«
    »Sieh ihn dir bloß
     mal an. Dieser Scheißschnauzbart!«
    »Jetzt mach bitte nen
     Punkt!«
    »Okay, also, er hat
     einen kleinen Handel mit gutem Stoff, du hast doch immer guten Stoff von
     ihm bekommen, oder?«
    »Nich so laut! Aber
     – ja, ich glaube. Ich hab ja von niemandem sonst je was bekommen.«
    »Hast du noch was
     davon?«
    »Hab alles ins Klo gespült.«
    »Du bringst mich zum
     Weinen, Lidia!«
    Das Essen wurde serviert.
     Nabel setzte seine Meditationen fort.
    »Wir haben einen toten
     Reporter, der womöglich an irgendeinem großen Ding saß
     und ungestreckten Stoff im Bad hatte. Aber den toten Reporter überhaupt
     mit Drogen in Verbindung zu bringen, darauf bin ich eigentlich nur durch
     dich gekommen, Mädchen, das war reiner Zufall, ein glücklicher
     Zufall …«
    »Worauf willst du
     hinaus? Nenn mich nicht immer Mädchen! Hin und wieder ist ja okay,
     aber nicht den ganzen Abend!« Lidia stocherte in ihren Patatas herum
     und starrte ihren Vorgesetzten mißmutig an. Der hatte sein Essen
     unterbrochen, um eine Zigarette zu rauchen, hier, am Tisch, während
     sie aß. Er bemerkte sein Fehlverhalten gar nicht, so tief war er in
     Gedanken versunken, und erst als sie ihren Kopf bis auf zehn Zentimeter zu
     seinem hinschob – »Hallo? Bist du noch hier?« –,
     erschrak er und zermahlte die Kippe im Aschenbecher.
    »Was denn?«
    »Ich fragte vor etwa
     drei Minuten, worauf du hinauswillst?«
    »Ähmm …«
     Nabel kratzte sich mit zwei Fingern die Oberlippe. »Es ist
     eigenartig, aber wir müssen uns dessen bewußt sein …«
    »Wessen bewußt
     sein?«
    »Wenn wir was haben,
     dann haben wir was, von dem der Feind gar nichts ahnt. Einen glücklichen
     Zufall auf unserer Seite. Diesen Vorteil müssen wir konservieren.«
    »Würdest du mir
     erläutern, was du meinst?«
    »Ich glaube, ich hab
     eine Idee. Laß mich mal schnell telefonieren!« Nabel stürzte
     vor die Tür und rief den freundlichen Glatzkopf vom LKA auf dessen
     Privatnummer an.
    »Nabel nochmal.
     Verzeihen Sie die Störung, eine Frage. Werden die Drogen, wenn sie
     erst in der Asservatenkammer sind, jemals wieder chemisch überprüft?«
    Am anderen Ende der Leitung
     zuckte der Beamte mit beiden Schultern, und es kam Nabel vor, als könne
     er dieses Zucken akustisch wahrnehmen.
    »Is mir nix von
     bekannt. Gäb hier

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