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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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zweihundertfünfzig Kilo reinstes Kokain hinausgeschleust worden sein,
     mit einem Marktwert von mindestens fünfzehn Millionen Euro. Gestreckt
     bestimmt das Dreieinhalbfache wert.
    Pfeifer steckte da irgendwie
     mit drin. Aber wie?
    Die Kolumbianer hatten keine
     ständige Vertretung in der Stadt, blieben jenseits des großen
     Ozeans. Wenn denen etwas verlorenging, produzierten sie einfach nach und
     murmelten gottergeben Mierda. Was für ein Geschäft müßte
     es sein, den Albanern, Türken oder sonstwem bestes Koks aus
     Polizeibeständen zu verkaufen? Wenn nur ein Drittel vom Marktpreis
     heraussprang, konnten alle Beteiligten damit sehr, sehr reich werden.
    Andererseits – in
     Pfeifers Wohnung war kaum Bargeld gefunden worden. Im Grunde lag so gut
     wie nichts gegen ihn vor.
    Nabel mußte gleich zu
     ihm rein. Mußte ihn mit irgendwas konfrontieren. Welches Geschütz
     sollte er aufbieten? Die ganze Sache war so unübersichtlich, zugleich
     so fragil, daß sein Herz ihm bis zum Hals schlug. Und doch genoß
     er es. Eben dieser Momente wegen war er Polizist geworden. Der Seiltanz
     zwischen Ekstase und Verzweiflung.       
    Jimmy Kistner war dagegen nur
     eine kleine Nummer gewesen, vermutlich hatte er auf eigene Faust
     Prominente zu erpressen versucht (sein very big thing, das so groß
     gar nicht war) und wurde deshalb über den Jordan geschippert. Alles
     bekam Umriß und Sinn. Es mußte nur Gestalt gewinnen. Greifbar
     werden. Zuzuordnen.
    Nabel bat seinen
     Mitarbeiterstab um Vorschläge. Niemand sagte einen Ton. Die meisten
     von denen, die nicht dem inneren Kreis angehört hatten, wirkten
     überrumpelt von der Entwicklung, die der Fall genommen hatte. Nur
     Lidia gerierte sich als Spielverderberin und holte Nabel aus den luftigen
     Höhen der Spekulation hinab auf den Boden der Fakten.
    »Wir haben keinen
     einzigen Beweis. So werden wir höchstens die kleinen Fische bekommen.
     Pfeifer und ein paar korrupte Chemiker. Wir suchen nach einem Mörder.
     Das muß für uns Priorität haben.«
    »Wenn wir die kleinen
     Fische fangen, können wir größere damit ködern. Ich
     glaube, in dieser Sache stecken so viele mit drin, da muß man nur
     den kleinsten Stützbalken wegbrechen, dann kippt das ganze Gebäude.«
    »Kai, ich sags ein bißchen
     anders: Wir haben nicht nur keinen Beweis, wir haben nur den einen
     Anhaltspunkt, daß das spätere Opfer Nentwig in einem
     polizeilichen Gebäude Heizkörper ausgewechselt hat. Sonst
     nichts. Niente. Nada.«
    Ahmed meinte, ohne harte
     Druckmittel würden Leute, die an sowas beteiligt seien, nie und
     nimmer aussagen. »Die wissen doch genau, daß sie danach
     praktisch tot sind.«
    Lidia stimmte ihm zu. »Wenn
     wir jetzt losschlagen, werden Pfeifer und die Chemiker vielleicht
     beseitigt, rein aus Prinzip – und dann? Wir haben nicht den
     geringsten Hinweis, welcher Clan dahintersteckt. Ich bin sicher, daß
     einer der Clans dahintersteckt. Glaubst du ernsthaft, Pfeifer und zwei
     Laborheinis wären alleine fähig, so etwas durchzuziehen?«
    »Ja und? Was soll ich
     jetzt machen? Soll ich Pfeifer laufen lassen?« Nabel zuckte
     zusammen. Was hatte er getan? Er hatte vor versammelter Mannschaft
     gefragt, was er tun solle.
    Unmöglich. Seine Nerven
     waren dünn geworden. Sein Nimbus drohte es zu werden.
    Niemand wagte sich auch nur
     zum Ansatz einer Antwort vor.
    »Na schön, geht
     alle nach Hause! Haut ab! Ich kümmere mich um Pfeifer. Schönen
     Feierabend.«
    »Und Seidel?«
    »Den unterrichten wir
     morgen.« Nabel rauchte eine Zigarette, holte sich vom Automaten
     einen dreifachen Espresso und betrat, unrasiert und mit wirrer, leicht
     fettiger Frisur, das Verhörzimmer.
    Ruslan Dschanow, konfrontiert
     mit der Meldung, daß Pfeifers und Kistners Wohnungen durchsucht
     worden seien (letztere bereits zum dritten Mal), zeigte nicht die
     geringsten Symptome von Panik. Alles war geregelt. Der Inhalt von Kistners
     DVD-Hüllen war schon vor einer Woche im Feuer zerschmolzen. Auf
     einigen der Filme war Anita höchstpersönlich in Aktion zu sehen,
     er hätte das Material gern behalten, nicht, um sich dran aufzugeilen,
     mehr, um sie gelegentlich damit bloßzustellen. Selbst ein Caligula
     mußte berechenbarer gewesen sein als dieses Weib. Sie hatte von ihm
     Pfeifers Tod gefordert, am besten sofort, hatte sich aufgeführt wie
     eine durchgeknallte Zarin, ohne schlagende Argumente, der reinen
     Prophylaxe halber. Dschanow war inzwischen der

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