Aussortiert
zweihundertfünfzig Kilo reinstes Kokain hinausgeschleust worden sein,
mit einem Marktwert von mindestens fünfzehn Millionen Euro. Gestreckt
bestimmt das Dreieinhalbfache wert.
Pfeifer steckte da irgendwie
mit drin. Aber wie?
Die Kolumbianer hatten keine
ständige Vertretung in der Stadt, blieben jenseits des großen
Ozeans. Wenn denen etwas verlorenging, produzierten sie einfach nach und
murmelten gottergeben Mierda. Was für ein Geschäft müßte
es sein, den Albanern, Türken oder sonstwem bestes Koks aus
Polizeibeständen zu verkaufen? Wenn nur ein Drittel vom Marktpreis
heraussprang, konnten alle Beteiligten damit sehr, sehr reich werden.
Andererseits – in
Pfeifers Wohnung war kaum Bargeld gefunden worden. Im Grunde lag so gut
wie nichts gegen ihn vor.
Nabel mußte gleich zu
ihm rein. Mußte ihn mit irgendwas konfrontieren. Welches Geschütz
sollte er aufbieten? Die ganze Sache war so unübersichtlich, zugleich
so fragil, daß sein Herz ihm bis zum Hals schlug. Und doch genoß
er es. Eben dieser Momente wegen war er Polizist geworden. Der Seiltanz
zwischen Ekstase und Verzweiflung.
Jimmy Kistner war dagegen nur
eine kleine Nummer gewesen, vermutlich hatte er auf eigene Faust
Prominente zu erpressen versucht (sein very big thing, das so groß
gar nicht war) und wurde deshalb über den Jordan geschippert. Alles
bekam Umriß und Sinn. Es mußte nur Gestalt gewinnen. Greifbar
werden. Zuzuordnen.
Nabel bat seinen
Mitarbeiterstab um Vorschläge. Niemand sagte einen Ton. Die meisten
von denen, die nicht dem inneren Kreis angehört hatten, wirkten
überrumpelt von der Entwicklung, die der Fall genommen hatte. Nur
Lidia gerierte sich als Spielverderberin und holte Nabel aus den luftigen
Höhen der Spekulation hinab auf den Boden der Fakten.
»Wir haben keinen
einzigen Beweis. So werden wir höchstens die kleinen Fische bekommen.
Pfeifer und ein paar korrupte Chemiker. Wir suchen nach einem Mörder.
Das muß für uns Priorität haben.«
»Wenn wir die kleinen
Fische fangen, können wir größere damit ködern. Ich
glaube, in dieser Sache stecken so viele mit drin, da muß man nur
den kleinsten Stützbalken wegbrechen, dann kippt das ganze Gebäude.«
»Kai, ich sags ein bißchen
anders: Wir haben nicht nur keinen Beweis, wir haben nur den einen
Anhaltspunkt, daß das spätere Opfer Nentwig in einem
polizeilichen Gebäude Heizkörper ausgewechselt hat. Sonst
nichts. Niente. Nada.«
Ahmed meinte, ohne harte
Druckmittel würden Leute, die an sowas beteiligt seien, nie und
nimmer aussagen. »Die wissen doch genau, daß sie danach
praktisch tot sind.«
Lidia stimmte ihm zu. »Wenn
wir jetzt losschlagen, werden Pfeifer und die Chemiker vielleicht
beseitigt, rein aus Prinzip – und dann? Wir haben nicht den
geringsten Hinweis, welcher Clan dahintersteckt. Ich bin sicher, daß
einer der Clans dahintersteckt. Glaubst du ernsthaft, Pfeifer und zwei
Laborheinis wären alleine fähig, so etwas durchzuziehen?«
»Ja und? Was soll ich
jetzt machen? Soll ich Pfeifer laufen lassen?« Nabel zuckte
zusammen. Was hatte er getan? Er hatte vor versammelter Mannschaft
gefragt, was er tun solle.
Unmöglich. Seine Nerven
waren dünn geworden. Sein Nimbus drohte es zu werden.
Niemand wagte sich auch nur
zum Ansatz einer Antwort vor.
»Na schön, geht
alle nach Hause! Haut ab! Ich kümmere mich um Pfeifer. Schönen
Feierabend.«
»Und Seidel?«
»Den unterrichten wir
morgen.« Nabel rauchte eine Zigarette, holte sich vom Automaten
einen dreifachen Espresso und betrat, unrasiert und mit wirrer, leicht
fettiger Frisur, das Verhörzimmer.
Ruslan Dschanow, konfrontiert
mit der Meldung, daß Pfeifers und Kistners Wohnungen durchsucht
worden seien (letztere bereits zum dritten Mal), zeigte nicht die
geringsten Symptome von Panik. Alles war geregelt. Der Inhalt von Kistners
DVD-Hüllen war schon vor einer Woche im Feuer zerschmolzen. Auf
einigen der Filme war Anita höchstpersönlich in Aktion zu sehen,
er hätte das Material gern behalten, nicht, um sich dran aufzugeilen,
mehr, um sie gelegentlich damit bloßzustellen. Selbst ein Caligula
mußte berechenbarer gewesen sein als dieses Weib. Sie hatte von ihm
Pfeifers Tod gefordert, am besten sofort, hatte sich aufgeführt wie
eine durchgeknallte Zarin, ohne schlagende Argumente, der reinen
Prophylaxe halber. Dschanow war inzwischen der
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