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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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hinterlassen. Kistner besaß auch kein gängiges, leicht zu
     überlistendes Türschloß, sondern ein sehr exklusives, laut
     Werbung nahezu einbruchssicheres der Firma Brosche & Söhne.
    Lidia und Kai sahen sich an
     und schlugen beide gleichzeitig die Augen nieder.
    Pfeifer saß im Zug nach
     Frankfurt. Es war zwei Tage her, daß König ihn auf Nentwig
     angesprochen hatte. Pfeifer war aus allen Wolken gefallen, seine
     Schulterblätter waren schwer geworden, sein Mund stand für
     Sekunden offen und er hatte Glück, daß sich König gerade
     in die Zeitung vertiefte, somit von der Fassungslosigkeit seines
     Mitarbeiters nichts mitbekam.
    »Nentwig?«
    »Der Heizungshauer
     Nentwig. Das dritte Opfer in der Serie Lila.«
    »Was ist mit dem?«
     Pfeifer tat, als könne er mit dem Namen wenig anfangen. König
     verzichtete darauf, zu bohren. Er hatte kurz mal eben ins Blaue
     geschossen, jetzt entschloß er sich spontan um und wiegelte ab.
    »Schon gut, David, war
     nur so ne Idee. Wahrscheinlich Unsinn.«
    Pfeifer kannte seinen Chef zu
     gut, um nicht zu merken, wenn der sich zurücknahm.
    Aus irgendeinem Grund war König
     auf den Namen des Heizungsbauers gestoßen. Pfeifer verabschiedete
     sich betont nonchalant, saß danach stundenlang in seiner Wohnung und
     überlegte, was er tun sollte. Vielleicht besser gar nichts. Aber wenn
     er doch etwas unternehmen sollte, dann schnell. Wäre König ein
     unfähiger Polizist gewesen – leider war er das Gegenteil davon
     – und dennoch konnte man hoffen, daß … Nein, konnte man
     nicht. Pfeifer wählte auf seinem Handy, nicht auf seinem normalen
     Handy, sondern auf dem, das er unter falschem Namen angemeldet hatte, eine
     Nummer. Eine tiefe Stimme sagte:
    »Ja?«
    »Gibt ein Problem. Ich
     möchte Ümal sprechen.«
    Die tiefe Stimme sagte,
     Ümal lasse ausrichten, es gebe momentan keinen Grund für eine
     Unterhaltung. Wenn sich das ändere, würde man es ihn wissen
     lassen.
    »Ich habe etwas enorm
     Wichtiges zu melden.«
    Danach hatte Pfeifer eine
     öffentliche Telefonzelle gesucht und enorm Wichtiges gemeldet.
    »Ich geb es weiter.
     Sonst noch was’?«
    Er hatte es mit Leuten zu
     tun, die nicht lange überlegten und bei ihren Entscheidungen
     radikalen Lösungen stets den Vorzug gaben. Kurz dachte er daran, König
     zu warnen, aber das wäre einer Beichte gleichgekommen. Einer ohne
     Vergebung, mit allen Konsequenzen.
    »Nein.«
    Pfeifer hatte ein so
     schlechtes Gewissen, daß er die ganze Nacht keinen Schlaf fand. Im
     Endeffekt ging es ihm nicht um König, viel mehr um sich selbst. Er
     befürchtete einen Dominoeffekt. Alles würde zusammenkrachen,
     alles. Vielleicht nicht alles, aber vieles, und es würde in jedem
     Fall über ihm zusammenkrachen, würde ihn begraben. Mit seinem
     Anruf hatte er sich etwas Zeit erkauft, hatte sich – vielleicht
     – als nützlich erwiesen, hatte auf jeden Fall Verwirrung
     gestiftet, aber am Ende gab es für ihn hierzulande keine Zukunft.
    Pfeifer lief von Bank zu
     Bank, lenkte Gelder auf Auslandskonten um, kam nicht mehr in die Nähe
     seiner Wohnung und litt unter massiver Furcht, auf Schritt und Tritt
     beschattet zu werden.
    Sobald er eine Straße
     entlanglief, nahm er an jeder Ecke verdächtige Gestalten wahr, dann
     benutzte er Hinterhöfe und Passagen, ließ sein Auto stehen und
     winkte vorbeifahrenden Taxis. Vierundzwanzig Stunden benötigte er, um
     seinen Kram zu ordnen, Spuren zu verwischen, falsche Spuren zu legen,
     Dokumente zu vernichten. Einen Flieger online zu buchen war erstens
     unklug, zweitens nicht nötig. Das konnte am Flughafen erledigt
     werden, gegen einen geringen Aufpreis.
    Als er vom Attentat auf König
     hörte, war es noch kein Attentat, nur ein schwerer Unfall mit
     Fahrerflucht. Es hieß, König würde überleben. Das
     freute Pfeifer, wenngleich er daran zweifelte. Zu diesem Zeitpunkt saß
     er in der Wohnung eines früheren Freundes und nahm wehmütig
     Abschied von Berlin. Ein für alle Mal Abschied nehmen von Berlin,
     dann den Abendzug nach Frankfurt und von dort aus flugs in die Karibik.
     Gar nicht so üble Aussichten, eigentlich. Mit einem falschen Paß
     hätte er sich besser gefühlt, aber auf falsche Pässe waren
     die Albaner spezialisiert. Jetzt rächte sich, daß er nie was
     mit denen zu tun haben wollte. Und hätte die Zeit für eine
     erstklassige Fälschung gereicht? Kaum. Das Geld hingegen würde für
     einige Jahre reichen. Nicht bis ans Lebensende, nein. Den

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