Aussortiert
Löwenanteil
hatten andere verdient. Er, aus purer Angst, oder Vernunft, das kann man
so und so nennen, war immer bescheiden geblieben, bescheiden und maßvoll.
Pfeifer ertappte sich bei dem Gedanken, nur ein kleiner Mitläufer
gewesen zu sein, das Spiel nur halbherzig gespielt zu haben, er tat sich
dementsprechend leid. Im Grunde hatte man ihn gnadenlos ausgenutzt.
Verbrecher. So sehr sie sich als Geschäftsleute gaben, waren sie
letztlich alle Verbrecher der miesesten Sorte. Doch all das war nichts im
Vergleich zu der Überraschung, am Flughafen Frankfurt festgenommen zu
werden. Daß Nabel so fix und übertrieben reagiert hatte, war
definitiv nicht zu erwarten gewesen. Nein, das war eine Unverschämtheit.
In einem Rechtsstaat.
Lidia bekam uneingeschränkten
Zugriff auf Königs Computer und arbeitete vierzehn Stunden am Stück,
bis eine Verbindung zum Heizungsbauer Nentwig vorlag. Sie fand sich in
einem Akt für innerbetriebliche Ausgaben. Nentwig hatte dem Dezernat
im Frühling eine Rechnung gestellt.
»Was denn für ne
Rechnung?«
»Er hat die Heizkörper
ausgewechselt. Sie waren defekt. Alle sechs.«
Nabel kapierte nicht. »Heizkörper?«
»Im Kriminalchemischen
Institut an der Urbanstraße.«
Der gerade zuständige
Chefchemiker vom Dienst, Dr. Blonzen, ein älterer Herr mit
Dreifachkinn, beantwortete Nabels Fragen bereitwillig und ohne mit der
Wimper zu zucken. Ja, es habe Störungen im Heizungssystem gegeben,
was für ein Chemielabor eine äußerst unangenehme Sache
sei, besonders in einem relativ kalten April. Die Behörde habe
bewilligt, daß alle alten Heizkörper ausgetauscht wurden.
Nentwig habe wohl das günstigste Angebot gemacht.
»Können Sie sich
an den Austausch erinnern?«
»Ich hatte keinen
Dienst.«
Nabel zeigte ihm ein Foto des
toten Herrn Nentwig. Dr. Blonzen zuckte mit den Schultern. Sein Assistent,
Dr. Rossberg, tat es ihm gleich.
»Wie viele Chemiker
arbeiten hier?«
»Momentan fünf
fest. Plus Aushilfen.«
»Kann man herausfinden,
wer im Dienst war, als die Heizkörper ausgetauscht wurden?«
»Kann man sicher, gibt
schließlich einen Dienstplan, aber wozu stellen Sie all diese
Fragen?«
Abends rief Nabel seine
engsten Mitarbeiter zusammen. Im Grunde hatte er nichts, nur einen Schlüssel
geistiger Natur, eine Idee, die sich schnell als fixe Idee erweisen
konnte. David Pfeifer saß im angrenzenden Verhörzimmer unter
Bewachung. Nabel ließ ihn schmoren.
Dr. Fischer und sein
Assistent Dr. Wolkov hatten kurz vor und während des Abtransports der
alten Heizkörper Dienst gehabt. Beide waren, daraufhin angesprochen,
nicht sehr gesprächig gewesen, schützten Erinnerungslücken
vor, Wolkov fragte zurück, seit wann er sich mit Handwerkerkram
auseinandersetzen müsse?
Ahmed war damit beschäftigt,
ein Exemplar der alten Heizkörper aufzutreiben. Wie er das machte,
war ihm überlassen, er fluchte die ganze Zeit über den Scheißjob,
aber zuletzt, gegen 23 Uhr, schleppte er eins jener uralten Dinger aufs
Revier, und Nabel sah es sich an. Ein riesiges Gebilde, das ungefähr
dreißig Liter Fassungsvermögen besaß und beinahe noch aus
der Kaiserzeit zu stammen schien. Bleiverkleidung. Etwas Idealeres, um
unbemerkt Drogen aus einem Gebäude zu schaffen, war kaum denkbar. Und
es kam noch schöner. Die neuen Heizkörper hatten sich nach einer
Woche als nicht hundertprozent kompatibel zu den Anschlüssen
erwiesen, waren undicht und tropften. Nentwig mußte sie nochmal
austauschen. Das alles kurz nach jener Woche, in der König seinen
Rekord gebrochen hatte – dreihundert Kilo Kokain aus einer
kolumbianischen Lieferung, der Fund am Riesenrad in Friedrichshain.
Die Idee war klar: Korrupte
Chemiker, es mußten nicht alle fünf sein, wahrscheinlich waren
es sogar nur zwei, hatten den Stoff in den Heizkörpern aus dem Gebäude
geschmuggelt, vielleicht sogar in einer chemisch gereinigten,
konzentrierten Form. Miroslav Nentwig mußte dabei nicht unbedingt
eine Rolle gespielt haben, es könnte genügt haben, daß
sich jemand für ihn ausgab. Wer wäre auf die Idee gekommen, die
Personalien eines bestellten Handwerkers zu kontrollieren? Daß
Nentwig später ermordet wurde, sprach allerdings dafür, daß
er doch persönlich involviert war. Womöglich, ohne vom Ausmaß
der eigenen Verstrickung etwas zu wissen, gar zu ahnen.
Theoretisch konnten so an die
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