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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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mehr aussagen können.« Ahmed war müde,
     maulig und von Ehrenwachen pro forma hielt er um diese Nachtzeit wenig bis
     gar nichts. Nabel wurde barsch. »Wir müssen wenigstens so tun,
     als könne König noch was sagen.«
    »Ach so. Kapiert. Ich
     bin echt stutzig von Begriff.«
    Nabel klingelte Lidia raus
     und schilderte, was passiert war. Wobei er das Gefühl hatte, nicht zu
     wissen, was eigentlich passiert war.
    »Gabs denn ne Botschaft
     am Tatort?«
    »Nein.«
    »Dann hat es mit uns
     erst mal gar nichts zu tun.«
    »Vielleicht nicht. Ich
     möchte aber, daß es mit uns was zu tun hat. Gottverfluchte
     Kacke! Es soll was mit uns zu tun haben, notfalls besorg ich mir lila
     Tinte und schreib selber eine Botschaft!«
    »Schlaf dich erstmal
     aus, Kai.«
    »Was?«
    »Du hörst dich völlig
     hysterisch an. Du kannst schlafen gehen, ich kann wieder schlafen gehen,
     und morgen werden wir den Fall vielleicht übertragen bekommen. Gute
     Nacht!«
    Nabel und seine Leute bekamen
     den Fall tatsächlich übertragen, auch wenn es momentan zur lila
     Serie keinerlei sichtbaren Bezug gab. Seidel hatte sich beim Innensenator
     der Stadt deswegen mächtig ins Zeug gelegt und unter Zuhilfenahme
     nebulösester Phrasen Nabel die notwendige Rückendeckung besorgt.
     Er hatte sich von seiner besten Seite gezeigt.
    Der Presse gegenüber
     sprach man von einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht. Königs
     Verletzungen stellte man als ernst, aber nicht lebensbedrohlich dar. Das
     genügte, um die Journalisten maßlos zu langweilen und die
     Berichterstattung in den Lokalteil zu verbannen.
    Leider verringerte sich der
     Spielraum allzubald. Um 10 Uhr 30 morgens wurde aus dem Krankenhaus Königs
     Hirntod gemeldet. Nabel verbot den Ärzten, dies offiziell
     bekanntzugeben, der Körper des Kriminalrats solle weiter an die
     Beatmungsmaschine gekoppelt bleiben, solle mit allen Mitteln vegetativ am
     Leben erhalten werden. Es galt, Zeit zu gewinnen und die Gegenseite
     – wer immer das war zu verunsichern.
    Als Nabel mittags Königs
     Büro betrat, registrierte er zwiespältige Gefühle in sich.
    Da war zwar ehrliche Trauer für
     den hingeschlachteten Kollegen, auch empfand er tiefe Betroffenheit, was
     die Umstände eines solchen Abgangs von der Welt anging, und dennoch
     – jetzt an Königs Schreibtisch zu sitzen, in dessen Revier nach
     Belieben wühlen zu können und selbst gesund und am Leben zu sein
     – das fühlte sich enorm gut an. Auf archaische Weise großartig.
    Ein solcher Tod,
     philosophierte Nabel und rührte in seinem Kaffee, werde unterbewußt
     wohl immer ein wenig gefeiert, als wäre der eigene dadurch
     aufgeschoben, auf der Liste ein wenig nach hinten gemogelt worden. Lidia
     benickte den banalen Gedanken und legte ihre Stirn in Falten. Was nun in
     Sachen Pfeifer zu geschehen habe?
    »Ganz klar.« König
     wurde vor dem Mietshaus überfahren, in dem Pfeifer wohnte. Pfeifer
     blieb verschwunden, ergo? Nabel ließ eine Fahndung nach ihm raus und
     fühlte sich kraftvoll und entschlußfreudig. Eine andere Stimme,
     vielmehr eine übergeordnete Instanz in ihm, verurteilte dieses Gefühl
     als Selbstherrlichkeit. Andererseits, dachte Nabel, ist es nunmal, wie es
     ist.
    Weswegen? Das war die große
     Frage. Lidia stellte sie noch einmal laut: Weswegen?
    Ein Mordanschlag auf einen
     Kriminalrat war ein ganz anderes Kaliber als der Mord an einem Kleindealer
     in der Hasenheide. Wer sich zu so etwas entschließt, ist entweder
     beneidenswert dumm, größenwahnsinnig oder nimmt bewußt
     den Krieg in Kauf.
    »Was«, fragte
     Lidia, »kann den Täter veranlaßt haben, auf diese
     Notbremse zu treten?«
    Nabel ließ Königs
     Schreibtisch öffnen und entdeckte in einer der Schubladen Akten der
     Soko Lila. Er wunderte sich ziemlich laut darüber, wie diese ohne
     offizielle Anfrage in Königs Besitz kommen konnten.       
    »Du solltest lieber
     froh darüber sein, daß sie noch immer da sind, Kai. Und?«
    »Und was?«
    »Irgendwas, das
     Aufsehen erregt?«
    »Nein.« Nabel blätterte
     die Mappe durch.« Warte mal. Doch. Hier.«
    Er hielt Lidia eine Seite aus
     den Akten vor die Nase. Der Name des dritten Opfers, des Heizungsbauers
     Nentwig, war mit Rotstift doppelt unterstrichen.
    Ahmed brachte nachmittags
     neue Erkenntnisse der Spurensicherung. Kistners Wohnung war definitiv
     nicht aufgebrochen worden. Jeder Versuch, das Schloß mit einem
     Dietrich zu öffnen, hätte zumindest winzige Kratzspuren
    

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