Aussortiert
ballettartigen Schritten zum Aufzug
eskortierte.
»Pfeifer läuft
Amok. Ich kam um zehn Minuten zu spät. Zwei Leichen. Pfeifer ist flüchtig.
Tut mir leid, daß ich mich nicht früher gemeldet habe. Ich
wurde bedroht. Er war bei mir in der Wohnung. Als ich anrief, um die
Fahndung aufzuheben, hielt er mir seine Knarre an den Kopf.
»Oh.«
»Ich wußte, er
hatte was vor. Habs ihm auszureden versucht. Sind seine Schwestern in
Sicherheit?«
»Seine Schwestern.«
Seidel sah ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an.
»Ich erklär Ihnen
alles, Herr Doktor.«
»Das wäre großartig,
Nabel. Großartig.«
Der Fahndungsbefehl nach
Pfeifer wurde gegen zwei Uhr nachmittags erneuert. Auf eine beiläufig
geäußerte Vermutung Nabels hin konnte er im ICE nach Amsterdam,
kurz vor der holländischen Grenze, verhaftet werden. In der Präsidentensuite
des Kempinski fand sich Pfeifers Pistole, mit dessen Fingerabdrücken
auf Schaft und Griff. Noch leugnete er strikt, brüllte hysterisch,
strampelte wie ein Epileptiker und stellte phantastische Theorien auf. Die
Indizien jedoch waren erdrückend. Obwohl seit fast dreißig
Stunden im Dienst, ließ es sich Nabel nicht nehmen, das Verhör
persönlich durchzuführen.
Seidel bat währenddessen
Lidia in sein Büro. »Liebe Frau Rauch, ich bitte Sie –
was ich heute mittag zu Ihnen gesagt habe, wegen Kais Eskapaden, erinnern
Sie sich?«
»Ja.«
»Schade. Mir wärs
lieb, Sie vergessen es. Ich habe zu wenig Vertrauen in ihn gehabt, tut mir
leid – er soll möglichst nichts davon erfahren. Er scheint
wieder in Hochform zu sein. Beinahe wie früher …«
»Ja.«
24
Im Treptower Kanal wurde tags
darauf eine weibliche Leiche gefunden, etwa zwanzig, ohne Kopf und Hände,
aber die Körbchengröße paßte. Die Schweinezeitung
war sich nicht zu blöd, zu titeln: War etwa sie die Ninja-Killerin?
Der lila Pfeil zeigte auf den
leeren Raum über dem durchtrennten Hals. Das war selbst für die
Schweinezeitung zu derb, und der zuständige Bildredakteur mußte
tags darauf seinen Posten räumen.
Pfeifer beruhigte sich bald,
sah ein, wie unsinnig und nutzlos seine anfangs geäußerten
Verteidigungen wie Anschuldigungen waren. Nach seinem Geständnis
schwappten ihm Wellen der Sympathie entgegen. Manche sahen in ihm einen,
wenn auch tragisch umwitterten, Helden. Mit dem gestrauchelten Polizisten,
dem raffinierten Dieb, dem konsequenten Verteidiger seiner
Blutsverwandtschaft konnten sich in diesen Zeiten erstaunlich viele
Menschen identifizieren.
Letztendlich erhielt er wegen
Tötung im Affekt bei mildernden Umständen und positiven
psychologischen Gutachten neun Jahre Haft. »Raus in sechs«,
murmelte er bei der Urteilsverkündung.
Wer ihn beim Austausch der
Heizungskörper von außen und innen unterstützt hatte,
behielt Pfeifer für sich, trotz großzügiger Angebote der
Staatsanwaltschaft. Beinahe jeder zeigte dafür offen oder insgeheim
Verständnis. Die verdächtigen Chemiker des Instituts in der
Urbanstraße stritten durchweg ab, Pfeifer zu kennen. Es blieb nichts
übrig, als alle fünf auf weniger verantwortungsvolle Posten zu
versetzen oder aus dem Polizeidienst zu entlassen.
Für die Morde der lila
Serie, einschließlich dem an Maschka Kotylew, wie auch für das
Attentat auf Josef König wurden Dschanow und Frau von Schönfels
verantwortlich gemacht, sämtliche daraus resultierenden Verfahren
aber mangels Beweisen eingestellt. Gegen Tote wird grundsätzlich
nicht ermittelt. Die ehemaligen Leibwächter Tschutschelows hatten das
Land verlassen.
Nabel wurde am Jahresende zum
Kriminalrat befördert. Lidia erhielt eine Auszeichnung, für ihre
im Wortlaut »mutige, die eigene Gesundheit gefährdende
Undercoveraktion«.
Zwei Monate nach dem Massaker
im Kempinski-Hotel kam es im Francis-Club zu einem sehr farbenprächtig
inszenierten Treffen zwischen Volokitin, Dschanows Nachfolger, und dem
Paten der mächtigsten türkischen Familie, Ümal. Beide
tranken Bruderschaft, besangen und betanzten ihr historisches Bündnis
und versprachen, von nun an alles zu tun, um Berlin aus dem organisierten
Würgegriff der Polen, Serben, Albaner, Thais, Bulgaren et cetera zu
befreien.
Weil die Sachlage insgesamt
zu verworren war, zu diffus, setzte die Presse bald einen freiwilligen
Schlußstrich darunter. Dschanow und die Gräfin bekamen vom Hühnerblatt
immerhin noch
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