Aussortiert
sich vom Ausmaß des Schadens zu überzeugen.
Die Fahndung wurde erneuert
und verschärft. Diesmal würde Pfeifer gewarnt sein; Nabel
versprach sich von der Fahndung wenig, es ging ihm nur noch darum, eine
Fassade aufrechtzuerhalten, hinter der er sich unbeobachtet für sich
und seine Leute schämen konnte.
Seidel kam gegen acht Uhr
aufs Revier und verlangte einen detaillierten Bericht. Nabel jedoch hatte
sich krank gemeldet und lief sofort, nachdem die Fahndung rausgegangen
war, zu Fuß nach Hause, in einem Zustand, den er selbst als
besorgniserregend eingestuft hätte.
Wie leicht es mit zwanzig
gewesen war, eine, notfalls auch mal zwei Nächte durchzumachen.
Daran dachte Nabel wehmütig
und leicht ungläubig zurück. Unglaubhaft kam es ihm vor, daß
die führende Spezies auf diesem Planeten, die Spitze einer vielfältigen
Nahrungskette, so sehr auf Schlaf angewiesen war. Wie sollte so eine
Spezies je fähig sein, ihre innerbetrieblichen Probleme ein für
alle Mal zu lösen? Ich brauche Amphetamine, dachte er, ich will so
nicht ins Bett kriechen, wo bekomm ich welche? Hasenheide. Kein Problem.
Nein, fang das nicht wieder an! Geh heim und penn die Scheiße weg.
Leg den Hörer nebens Telefon. Ich bin ein Dienstleister, der
Geringste, muß Pizza nachts in die Wildnis transportieren und auf
einen Fuffi korrekt herausgehen, ohne mich zu fürchten. Und ohne daß
die Ware kalt wird. Dann wird ein Heer zufriedener Kunden mich am Ende des
Lebens lobend erwähnen, und ab in die Gruft, was für ein
Wahnsinn!
So, über seine Existenz
lose Reden schwingend, schleppte er sich gegen halb zehn Uhr morgens die
Treppen hoch, um den verschärft gesuchten Pfeifer auf der Schwelle
der eigenen Wohnung vorzufinden.
Nabel schrak zusammen, als sähe
er auf ein Gespenst herab. Unschlüssig, was zu tun war, setzte er
sich neben Pfeifer und sagte erst einmal nichts, zumal der verschärft
Gesuchte mit einer Pistole spielte, die er mal von der linken in die
rechte Hand nahm und umgekehrt.
Nabel stellte keine Fragen,
das schien angesichts der Situation unpassend, er fühlte, daß
es an Pfeifer war, zu reden. Und Pfeifer redete, stockend erst, dann
zunehmend flüssiger. Im Wortsinn. Er heulte sich aus, fand aber die
Kraft, zusammenhängende Sätze zu bilden.
»Ich habe zwei
Schwestern, wissen Sie’? Zwei jüngere Schwestern, beide
verheiratet, beide haben Kinder. Nabel, haben Sie Schwestern und Kinder?«
»Nein.«
»Man hat mir eine SMS
geschickt. Was soll ich denn jetzt tun? Sie bedrohen meine Schwestern.«
»Wer denn? Wer bedroht
Ihre Schwestern?«
»Soll ich mich einfach
so davonmachen? Die bringen sie um, die tun es, ich weiß es.«
»Geben Sie mir doch mal
die Pistole. Die macht mich nervös.«
Pfeifer schüttelte den
Kopf, was wohl heißen sollte, ihn mache die Pistole nicht so nervös.
»Die bluffen nicht. Ich
bin am Ende. Was für ein Bruder wär ich? Wenn ich nur verstünde,
warum.«
»Warum was?«
»Ich muß es tun.«
»Bleiben Sie cool!«
»Das sagt sich leicht
so dahin.« Pfeifer hob die Pistole an die mit drei Stichen genähte
Stirn. Nabel reichte ihm eine Zigarette.
»Wenn Sie sich schon
erschießen müssen, dann bitte nicht vor meiner Wohnungstür.
Gehen wir hinein? Da können Sie das Bad benutzen. Und wenn Sie sich
ohnehin gleich das Hirn rausblasen, könnten Sie mir genausogut vorher
noch was erzählen. Dafür würd ich glatt ne Tasse Kaffee
spendieren.«
Nabel rann der Schweiß
die Wirbelsäule entlang, er riß sich zusammen, sperrte die Tür
zu seiner Wohnung auf und ging hinein. Pfeifer hatte die angebotene
Zigarette nicht genommen. Ungläubig starrte er Nabel hinterher.
Der drehte sich, am Ende des
Flurs, um. »Also, was ist nun?«
Pfeifer stand mit hängenden
Schultern auf dem Fußabstreifer, kaute auf seinen Lippen. Schließlich
trat er mit zwei langen Schritten ein und schob die Tür hinter sich
zu. Die Pistole behielt er in der Hand.
»Was wollen Sie denn
wissen?«
»Alles?«
»Wozu? Sie bringen sich
damit nur in Gefahr. Ich meine, Sie sind mir egal, ehrlich, aber Lidia
nicht. Wir waren mal in derselben Klasse, wußten Sie das?«
»Hab davon gehört.
Ich mach erstmal Kaffee.«
»Wären Sie
Arschloch nicht gewesen, würde ich jetzt in der Karibik sitzen!«
rief Pfeifer ihm hinterher, als Nabel die Küche betrat.
»Dann hätten Sie
trotzdem diese SMS bekommen und hätten
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