Aussteigerin aus Versehen (German Edition)
Schnee geschoben und es gab in den letzten Jahren so viel Schnee, dass ich einige Wochen gar nicht weg konnte. Zwar habe ich mir inzwischen einen kleinen Geländewagen zugelegt, aber auch der kommt ab einer gewissen Schneehöhe an seine Grenzen.
Dazu muss ich noch erwähnen, dass mein Grundstück auf einem Berg liegt und die Anfahrt dazu sehr steil ist. Das Hoch ist für den Geländewagen bei viel Schnee weniger schwierig als das Runter. Zumal man unten auch noch direkt auf eine scharfe Kurve stößt. Ich habe immer Angst dann doch mal weiter zu rutschen als mir lieb ist und statt auf der Straße mit meinem Auto im Wald zu landen. Auch wenn mein kleiner Geländehopper durch den Schnee kommt – das hilft meinen Lieferanten herzlich wenig, denn die haben normale Transporter.
Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mit dem Online-Buchhandel. Das kann man sich so vorstellen wie ein normaler Buchhändler, nur eben online. Also ohne Ladengeschäft. Ich verkaufe meine Waren im Internet. Meine Kunden bestellen online und ich schicke die Sendungen dann mit der Post am nächsten Tag raus. Die bestellte Ware (meist Bücher, CDs, DVDs und Spiele) wird täglich irgendwann zwischen Mitternacht und Morgen durch den Großhändler bei mir angeliefert und die fertig verpackten Sendungen am Nachmittag durch DHL abgeholt. Das ist ungemein praktisch für mich – im Sommer. Im Winter bekomme ich ein Problem: Die Lieferwagen kommen bei Schnee nicht den Berg zu mir hoch. Geräumt wird hier bei Schnee durch die Gemeinde nicht. Der letzte Winter war zum Glück sehr mild, aber die beiden Winter davor waren wirklich hart. Es hat fast jeden Tag geschneit, und die Anfahrt zu mir musste ich immer wieder frei schaufeln. Da der Lieferant irgendwann nachts kommt, konnte ich auch nicht abends oder etwa nachmittags räumen. Dann war in wenigen Stunden wieder alles zu geschneit. Also ging ich gegen ein Uhr jede Nacht mit Stirnlampe und Schneeschieber bewaffnet nach draußen und schob die zweihundert Meter am Hang frei. Eine Spur runter, die zweite Spur hoch. Das dauerte dann fast eine Stunde. Wenn es ganz schlimm wurde, dann musste ich anschließend auch noch streuen. Ich hatte mir dafür extra große Säcke besorgt, die ich mit der Schubkarre zum Hang karrte. Dort füllte ich das Streugut in einen Eimer und streute damit die Fahrspur. Wieder eine Spur runter – die andere hoch. Und zwischendurch vier- bis fünfmal den Eimer neu auffüllen. Nein – solche Winter machen hier im Wald wirklich nicht nur Freude.
Trotzdem wohne ich gerne hier. Im Sommer sitze ich gern lange draußen auf der Terrasse und schau einfach nur in den Wald. Komplette Stille umgibt mich. Ab und an knackt es hier und da … sonst nur Ruhe. Dann denke ich oft zurück an die Zeit, als ich hier noch mit meinem damaligen Mann wohnte. Auch damals saß ich oft abends auf derselben Bank – auf derselben Terrasse. Nur mit dem Unterschied, das ich alles furchtbar fand. Mein Leben, die Abgeschiedenheit. Ich dachte oft: „War es das jetzt? Soll ich hier echt im Wald verrotten? Das ist doch nicht das, was ich mir vom Leben erwartet habe.“ – Ich wollte weg, was erleben. Leben. Und nicht hier im Wald vergammeln, wo mich kaum jemand besuchte. Hier kommt keiner mal eben vorbei, dazu liegt es zu weit ab von allem. Damals wohnte ich hier zu zweit und fühlte mich einsam. Heute ist es anders. Heute lebe ich hier alleine und genieße die Einsamkeit. Und ich bin froh, wenn keiner vorbei kommt. Seltsam, wie sich meine Einstellung verändert hat. Bin ich eine Aussteigerin? Wenn ja: wann und wo bin ich eigentlich ausgestiegen? Ich weiß es nicht – es ist wohl einfach so gekommen.
Wo kommen nur all die Tiere her?
Als ich hier damals einzog, da zogen mit mir auch meine Katze Mona und mein Hund Dahli ein. Mona war genau wie ich ein Wohnungswesen und eigentlich gar nicht für die Wildnis geeignet. Mona war eine schneeweiße Angorakatze mit wunderschönen blauen Augen – und leider stocktaub. Diese Eigenschaften machten mir Sorgen. Wie sollte sie sich hier im Wald zurechtfinden? Sie konnte ja nichts hören. Und außerdem war sie durch ihr strahlend weißes Fell schon von weitem im Wald zu sehen. Mona war auch keine junge Katze mehr. Als ich in den Wald zog, da war sie schon knapp zwölf Jahre alt und Zeit ihres Lebens chronisch Nierenkrank. Man könnte behaupten: Mona war so ziemlich das Gegenteil einer Wildkatze.
Es half ja nichts: Sie musste mit. Natürlich konnte ich sie im Haus einsperren, was
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