Australien 01 - Wo der Wind singt
ihre Kuscheltiere lagen.
»Es ist mir wichtig, dass du mich verstehst«, sagte Henry schließlich. »Ich war wirklich der Meinung, dass es das Beste ist, wenn ich die Farm verkaufe. Nach all dem, was geschehen ist, habe ich sie irgendwann einfach nur noch gehasst.« Kate nickte.
»Ich glaubte, dass ich, wenn ich Annabelle heirate, die Vergangenheit vergessen könnte. Mein Leben verändern. Aber … aber dann ist das mit Will passiert. Und alles wurde nur noch schlimmer. Es hat einfach nicht funktioniert. Und Annabelle ist, nun, sie ist eben Annabelle. Aber das ist eine andere Geschichte. Eine, mit der ich allein zurechtkommen muss.« Er schüttelte den Kopf. »Ohne deine Mutter war nichts mehr so, wie es gewesen ist. Will war für mich der letzte Strohhalm.«
Kate betrachtete das Profil ihres Vaters, der jetzt den Kopf gesenkt und die Hände wie zum Gebet gefaltet hatte. Jetzt hob er eine Hand und bedeckte damit seine Augen. Sie wusste, dass er weinte.
»Wenn du nur wüsstest, wie dunkel und sinnlos mein Leben geworden ist, seit sie gegangen ist. Seit sie und Will gegangen sind.«
Die Hände ihres Vaters zitterten. Er bedeckte seine Augen mit dem Unterarm und begann laut zu schluchzen. Schließlich holte er tief Luft. Es hörte sich an wie der letzte Atemzug eines Sterbenden, dann jedoch fasste er sich wieder. Er zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und trocknete sich damit die Augen.
»Ich weiß, dass ich nicht immer ein guter Vater gewesen bin«, sagte er mit heiserer Stimme.
»Ich war auch nicht immer eine gute Tochter.« Kate nahm seine Hand. Ihre knochige Stärke fühlte sich irgendwie fremd für sie an. »Es tut mir leid, Dad. Wirklich.«
»Das weiß ich.« Er erwiderte ihren Händedruck, dann stupste er sie mit der Schulter an, zog sie zu sich heran und legte seinen Arm um sie. Sie sahen schweigend auf die glitzernde See hinaus, nahmen die Wärme des Dachbodens in sich auf und spürten dabei die Gegenwart jener Frauen, die in den Generationen vor ihnen hier gearbeitet, miteinander geplaudert und die Samen sortiert hatten. Sie spürten Wills Nähe, stellten sich vor, wie er den Schreibtisch an ebendiesen Fleck gestellt hatte, voller Vorfreude darauf, dass seine Schwester wieder nach Hause kam. Die Zeit schien rückwärtszulaufen bis zu den Jahren vor Laneys Tod, als Kate noch optimistisch in die Zukunft geblickt und ihr Vater sich noch nicht in seinem Kummer vergraben hatte.
Als seine Liebe zu ihr so sicher und so fest wie der Boden unter ihren Füßen gewesen war.
»Wir haben alle eine Menge durchgemacht«, sagte er. »Aber jeder hat für sich allein gekämpft. Es ist jetzt an der Zeit, das zu ändern. Ich habe genügend Fehler gemacht, damit muss jetzt Schluss sein. Von jetzt an bin ich für dich da, Katie.«
Kate nickte und lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Vaters. Sie beobachtete, wie in der Ferne die Seevögel in den warmen Winden des Sommers segelten, so als hingen sie an unsichtbaren Fäden. Sie fragte sich, was die Leute da unten im Zelt wohl gerade dachten. Dann aber wurde ihr bewusst, dass ihr das vollkommen egal war. Sie war einfach nur glücklich darüber, hier mit ihrem Dad zu sitzen. Nach einer Weile begann Henry wieder zu sprechen.
»Ich habe mir deinen Sanierungsplan angesehen. Er ist wirklich gut«, sagte er. »Du und Will, ihr beide hättet etwas aus der Farm machen können.«
Als ihr Vater Will erwähnte, spürte Kate, dass ihre Unterlippe zu zittern begann.
»Dann habe ich gesehen, dass ihr, du und Nick, auf die Farm geboten habt. Ihr beide wollt also tatsächlich hier leben. Ist das so?«
Kate hatte jetzt leise zu weinen begonnen. Große Tränen liefen ihr übers Gesicht und fielen auf ihre Jeans.
»Mehr als alles andere. Vor allem wegen Nell.«
»Also noch einmal. Willst du dieses Risiko tatsächlich eingehen?«, fragte Henry.
Kate runzelte irritiert die Stirn. Sie fragte sich, was ihr Vater damit meinte.
»Was würdest du sagen, wenn ich Bronty auf der Stelle dir und Nell überschreiben würde?«
Kate war völlig sprachlos. Sie wagte kaum zu glauben, was sie da gerade gehört hatte.
»Aber …«, stotterte sie, »aber was ist damit?« Sie machte eine Handbewegung zum Fenster, unter dem das Auktionszelt stand.
Er schüttelte den Kopf und lachte dann leise.
»Vergiss das Ganze einfach. Das kommt dabei heraus, wenn ein verzweifelter Mann einen Fehler macht.«
»Ach?«, fragte Kate. »Was hat dich dazu bewogen, deine Meinung zu ändern?
»Das Leben«,
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