Australien 01 - Wo der Wind singt
Schatten des Zeltes, um sich einen Sitzplatz zu suchen. Kate zupfte Nell am Ärmel und sagte ihr, dass sie sich hinsetzten sollte. Dabei traf sich ihr Blick wieder mit dem von Henry. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos und unbewegt, alles Gefühl schien daraus gewichen zu sein. Sie sah ihm lange in die Augen, bevor sie den Kopf senkte, so dass die Krempe ihres Hutes ihr Gesicht verdeckte und er den Schmerz in ihrem Gesicht nicht sehen konnte.
Als der Auktionator das Mikrofon einschaltete, setzte Kate mit zitternden Händen ihre Sonnenbrille auf.
»Meine Damen und Herren, willkommen auf Bronty«, sagte der Auktionator. »Hier und heute haben Sie die einmalige Chance, ein Stück vom tasmanischen Paradies zu erwerben.« Kate wurde übel. »Beachten Sie nur diesen herrlichen Ausblick!«
Der Auktionator zeigte mit seinem Hammer hinter sich, wo das Meer im Sonnenschein glitzerte. Ein sommerlicher Dunstschleier lag über Schouten Island. Es kam Kate fast so vor, als hätte der Auktionator dieses strahlend schöne Wetter extra bestellt. Es war ein vollkommener tasmanischer Sommertag. Das Licht war so klar und die See so blau, dass alles glitzerte und funkelte. Kate spürte, wie sich
alle Muskeln in ihrem Körper verkrampften, als der Auktionator die Zahlen von Bronty herunterratterte. »Sieben Kilometer Küstenlinie, parzelliert in zehn Abschnitte. Zwölf Kilometer nahezu unberührte Flusslandschaft mit Bewässerungsgenehmigung. Zweitausendvierhundert Hektar meliorierter Weide und sechshundert Hektar Ackerland. Insgesamt dreitausend Hektar Busch und mit Einschränkungen nutzbares Weideland. … und wie Sie sehen können, ein herrlicher Garten und ein geräumiges Farmhaus, das erst vor Kurzem renoviert wurde.« Vor Kates Augen zuckte plötzlich eine Erinnerung auf. Sie sah ein Schaf auf dem Sofa stehen, sah mit Schafdung beschmutzte Hufe auf dem cremefarbenen Teppich und spürte Freude in sich aufsteigen. Dann schalt sie sich wegen ihrer Schadenfreude. Aber vielleicht war es das ja wert gewesen?
»Die Versteigerung geht in folgender Abfolge vonstatten. Zuerst werden die Farm und das Farmhaus …« Kate hörte die Worte des Auktionators nur noch wie durch Watte. Sie begann am ganzen Körper zu zittern, denn erst in ebendiesem Moment war ihr die volle Bedeutung dessen, was hier gerade geschah, bewusst geworden.
»Können wir anfangen?«, fragte der Auktionator. Er sah kurz zu seinem Assistenten herüber und wartete dann auf das Zeichen von Henry. Auch Kate wartete auf Henrys Nicken, aber es kam nicht. Stattdessen beugte sich Annabelle ein Stück nach vorn und nickte an seiner Stelle.
Um Kate herum begann alles zu verschwimmen. Sie nahm nur noch wahr, dass Nick neben ihr saß und Angus anrief. Sie hörte zwar, dass der Auktionator die Auktionsbedingungen vorlas, aber sie nahm davon nichts mehr auf. Sie vernahm Nicks Stimme, hörte, wie er mit seinem Bruder telefonierte.
»Es geht los, Kumpel«, sagte er. Kate setzte sich gerade hin, als der Auktionator das erste Gebot in Höhe von 350.000 Dollar aufnahm. Sie sah sich um, versuchte herauszufinden, vom wem dieses Gebot gekommen war. Es war ein Agent mit einem Handy am Ohr. Aber da waren noch ein zweiter und ein dritter Bieter. Sie telefonierten und nickten immer wieder. Kate sah Nick an, der ebenfalls das Handy am
Ohr hatte. Die Finger seiner freien Hand hatte er mit den ihren verschränkt. Sie spürte, wie er ihre Hand hob und dabei mit dem Kopf nickte. Sein großer Hut wippte dabei. Einer der Assistenten rief »Ja!«, und zeigte mit dem Finger auf sie beide. Kate spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie versuchten gerade Bronty zu retten! Sie beide gemeinsam! Sie klammerte sich an der Hoffnung fest.
Sie wurden jedoch sofort überboten. Dann spürte sie wieder, wie Nick ihre Hand hob. Mit dem Kopf nickte. »Ja!« rief der Assistent und deutete wieder auf sie.
Als das Höchstgebot jedoch über die Marke von einer Million Dollar kletterte, und selbst der Auktionator tief Luft holte, spürte Kate, wie etwas in ihr starb. Diese Summe lag erheblich über ihrem Limit. Nick schüttelte den Kopf. Das elektrisierende Flirren, das von seiner Hand in die ihre geströmt war, verschwand. Sie konnte Angus’ Stimme über die Leitung hören. Er versuchte sie zu trösten, sagte, dass es noch viele Fische im Meer gäbe. Kate starrte auf die blaue See hinaus. Aber es gab auf der ganzen Welt keinen Ort wie diesen, hätte sie ihm gern geantwortet. Nick legte schweigend auf und nahm sie in den
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