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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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nach ihrer dunkelgrünen Fleecejacke mit dem Logo des Tasmanischen Tigers auf der Brust. Kate hatte Lisa erst vor ein paar Wochen persönlich kennen gelernt, als sie nach Hobart gefahren war, wo sie das neue Team von landwirtschaftlichen Beratern getroffen und die Unterlagen, die sie für ihre Arbeit brauchte, abgeholt hatte.
    Als sich die Glastüren der Hauptgeschäftstelle in Hobart geöffnet hatten, hatte Kate sich von der Plüschigkeit des RCS-Büros geradezu erstickt gefühlt. Angesichts des Teams von Agronomen, Bodenanalytikern und Agrarfinanzexperten, die dort arbeiteten, hatte sich ihre Skepsis schnell aufgelöst, denn mit ihren abgetragenen Blundstone-Stiefeln und ihrer offenen und ungekünstelten Art standen ihre Kollegen in deutlichem Kontrast zu ihrer Umgebung. Die Liste der fachlichen Qualifikationen war bei allen ungefähr eine Meile lang, dennoch waren sie absolut bodenständig geblieben. Dann war da noch Lisa, die hinter ihrem großen, überaus eindrucksvollen Schreibtisch fast verschwunden
war. Sie war die Fröhlichste und Freundlichste von allen. Als Tochter eines Milchfarmers hatte Lisa, wie zum Beweis ihrer Herkunft, strahlend weiße Zähne und einen sehr stabilen Knochenbau. Klein von Statur, aber voller Energie war Lisa genau der Mensch, um Kate für ihren neuen Job zu motivieren. Sie war so natürlich und ungezwungen, dass sie Kate mehr an eine Buschbewohnerin als an eine qualifizierte Agrarwissenschaftlerin und Betriebswirtin erinnerte.
    Hier draußen auf der Landwirtschaftsschau schien sie sich wie zu Hause zu fühlen, dachte Kate. Lisas kurze Beine waren so dick, dass es aussah, als würde sie watscheln, als sie zum Heck ihres Kombis ging. »Komm schon, du Schlafmütze«, sagte sie und öffnete dabei die Heckklappe. »Wir bauen unseren Stand am besten gleich auf.« Als Kate ihr dabei half, die großen Schautafeln aus dem Kombi zu hieven, fühlte sie sich trotz Lisas temperamentvoller Gegenwart ein wenig bedrückt.
    Hier war sie wieder auf einer Landwirtschaftsschau. Es würde den ganzen Tag lang Wettbewerbe und Vorführungen geben, aber sie würde die meisten von ihnen verpassen. Anstatt selbst die Shows zu besuchen, zum Vergnügen und auch wegen der Informationen, die man dort erhielt, arbeitete Kate wieder einmal für andere Farmer und deren Träume. Hinzu kam, dass sie nicht einmal die Zeit finden würde, sich mit Nell die Haustiervorführungen anzusehen, mit ihr zum Kinderschminken zu gehen oder ihr Zuckerwatte zu kaufen. Janie kümmerte sich während der Ausstellung um Nell und die Zwillinge.
    Heute Abend würde es für sie auch kein Besäufnis an der Bar geben. Sie war jetzt wieder zu Hause, in Tasmaniens kleiner Welt. Sie musste sich benehmen. Das hatte sie sich jedenfalls fest vorgenommen. Sie musste aufhören, immer davonzulaufen. Wenn sie schon nicht nach Bronty, ihrem Zuhause, zurückkonnte und auch nicht Nick bekommen konnte, dann war dieser Job alles, was sie hatte.
    Kate seufzte. Sie würden also ihren Tag am Stand des RCS verbringen und versuchen, bei dem Begrüßungsmarathon mit den Farmern, ihren potentiellen Kunden, begeistert zu wirken. Sie spürte jedoch bereits, dass die Schatten ihrer Vergangenheit um sie herum lauerten. Sie wusste,
dass sich die Leute aus der Gegend, die sie hier am Stand sahen, so ihre Gedanken machten. Und dann war da auch noch Nell, ihre kleine blonde Tochter, die anscheinend aus dem Nichts aufgetaucht war. Die Leute würden über sie, Kate, sprechen, dessen war sie sich sicher. Sie würden sehr genau auf ihr Aussehen und ihr Verhalten achten. Sie würden ihr ins Gesicht blicken und in ihr das Mädchen sehen, das damals seine Mutter und jetzt auch noch seinen Bruder verloren hatte. Das Mädchen, das nach dem Tod seiner Mutter »in Schwierigkeiten geraten war« und Tasmanien verlassen hatte, um sein Kind auf dem Festland auf die Welt zu bringen. Sie war für sie aber vor allem Henry Websters Tochter, die von ihrem Vater vor die Tür gesetzt worden war, nachdem er dieses Modepüppchen vom Festland geheiratet hatte, diese verwöhnte Lady, die er auf einer Kreuzfahrt kennen gelernt hatte und die sogar ihre Kinder angeschleppt hatte, damit sie sich alle auf seine Kosten ein schönes Leben machten. Kate konnte die Gedanken, die den Leuten durch den Kopf gingen, wenn sie sie ansahen, beinahe hören. Sie hatte das Gefühl, in einer Falle zu sitzen.
    »Am Anfang wird dir alles ein bisschen seltsam vorkommen«, sagte Lisa, die spürte, wie nervös Kate war.

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