Australien 01 - Wo der Wind singt
pensioniertem Springpferd saß, überlegte sie fieberhaft. Jetzt gab es für sie keinen Weg mehr zurück. Sie musste es ihm sagen. Aber wie?
Sie sah Tuff zu, der mit wedelndem Schwanz und einem freudigen Ausdruck auf dem Gesicht auf BH zusprang, um mit ihr zu flirten. BH schnappte jedoch laut und vernehmlich mit ihren krokodilartigen Zähnen nach ihm.
»Sieht aus, als würde sie ihm die kalte Schulter zeigen«, sagte Nick.
Kate nickte und fühlte sich dabei unangenehm befangen. Sie trieb ihr altes gemütliches Pferd mit einem Schenkeldruck an, damit es mit Nicks tänzelndem jungem Wallach Schritt hielt. Kate versuchte sich noch an den hohen Sitz auf Felicitys Pferd zu gewöhnen. Sie befand sich, verglichen mit ihrer Stute Matilda, sehr weit über dem Boden. Als Nick die Pferde gesattelt hatte, hatte er ihr gesagt, dass das Pferd, das er Kate gab, Prince hieß. Es war bereits über zwanzig Jahre alt und, wie Nick es formulierte, »Felicitys erste Liebe«. Kate wandte verlegen den Blick ab, als ihr plötzlich wieder jener Abend auf dem B&S lebhaft vor Augen stand. Nick schien nicht zu bemerken, dass er sich in der Wortwahl etwas vergriffen hatte, aber, so dachte Kate, vielleicht sollte sein Pokerface ja gerade auch nicht verraten, dass er dies absichtlich getan hatte.
Kate zwang sich, sich auf ihren Job zu konzentrieren, und sah an der Schulter ihres Pferdes vorbei nach unten, um die Weide in Augenschein zu nehmen. Sie erkannte mit Schrecken, wie geschädigt der Boden bereits war. Sie wusste, dass unter der dürren Oberfläche das weiße Geflecht der Klee- und Graswurzeln von Larven weggefressen war.
»Du weißt, dass du ein echtes Problem mit Engerlingen hast.«
Es folgte eine Pause. Himmel, dachte Kate und zuckte dabei innerlich zusammen. Das hätte ich auch anders formulieren können!
»Engerlingen?«, sagte Nick, einen unübersehbar belustigten Ausdruck auf dem Gesicht. »Ja, ich weiß – mein Engerlingproblem ist wirklich nicht zu übersehen.«
»Ich kann dir helfen, wenn du willst«, sagte Kate und ritt sich damit, ohne es zu wollen, noch tiefer hinein.
»Wirklich?« Nick befand sich jetzt wieder ein Stück vor ihr, aber sie wusste, dass er unter seinem großen schwarzen Hut lächelte. »Fragst du oft irgendwelche Kerle so unverblümt nach ihren Engerlingproblemen? «, rief er über die Schulter gewandt. »Das ist ziemlich direkt.«
Er flirtet wieder, dachte Kate verblüfft. Sie wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau.
»Ja, ich meine, nein.« Sie trieb das alte Pferd an, so dass sie jetzt wieder direkt neben Nick ritt. »Ich meine, damals in New South Wales haben wir in unserer Abteilung Versuche mit Engerlingen gemacht. Dabei hat sich herausgestellt, dass der Zeitpunkt, zu dem gespritzt wird, von absolut entscheidender Bedeutung ist. Ich kann dir ein paar gute Adressen geben. Leute, die dir wirklich helfen können.« Ihre Ernsthaftigkeit angesichts des Themas schien seinem Flirten Einhalt zu gebieten.
»Das wäre toll«, sagte Nick. »Gerne.«
Kate deutete mit einem Kopfnicken auf die weite Koppel.
»Wann habt ihr sie angesät?«
Nick kniff die Augen zusammen und überlegte. Er zog dabei den Mund ein wenig schief, genauso wie Nell es immer tat.
»Ah … im Sommer vor drei Jahren.«
Kate verdrängte ihre Erinnerungen.
»Wann wurde gedüngt?«, fragte sie und versuchte auf diese Weise tiefer in das Gespräch einzusteigen, damit sie die lauten Stimmen in ihrem Kopf nicht mehr hörte.
»Wie bitte?«
»Wann wurde die Weide gedüngt?«
»Ähm … noch nie.«
Kate speicherte diese Information.
»Wir sollten uns noch einmal mit deinem Vater zusammensetzen und überlegen, ob sich etwas Geld für Dünger und Schädlingsbekämpfung abzweigen lässt. Und wir sollten den Boden untersuchen lassen, um zu sehen, ob er Kalk braucht, wir könnten es aber auch mit flüssigem Humus versuchen, ich habe gehört, dass man damit auf einer Farm ein Stück weiter unten an der Küste gute Ergebnisse erzielt hat, selbst ohne Regen.«
»Regen? Was ist das? Das ist doch das, wovon Dad ständig schwafelt«, sagte Nick frustriert.
Kate wurde bewusst, dass sie einen Nerv getroffen hatte. Nick wurde genau wie Will und viele andere Farmersöhne einerseits durch seinen Vater und andererseits durch das Wetter eingeengt. Auch wenn Lance praktisch ans Haus gefesselt war, so hatte er doch bei allem, was auf der Farm geschah, das letzte Wort. Jedes schlechte Jahr verschlimmerte die Spannungen und verschärfte die
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