Australien 01 - Wo der Wind singt
ist ohnehin nichts dran. Sie hat gerade Schicht, ich wette meinen Hut, dass es bei ihr zum Mittagessen nur ein paar Selleriestangen gibt.« Sie schob Kate den Teller zu.
»Danke. Ich bin so frei.« Kate nahm sich ein Scone und ein Stück Kuchen, während Alice eine Kanne mit Tee auf den Tisch stellte.
»Das gefällt mir schon viel besser«, sagte Alice. »Es ist schön, ein gesundes junges Mädchen zu sehen, dem mein Kuchen schmeckt.«
Nick wandte den Blick ab, offensichtlich hatte ihn seine Mutter in Verlegenheit gebracht.
Kate zog den Bauch ein und setzte sich aufrecht hin. Sie fühlte sich irgendwie gedemütigt. Um ihr Unbehagen zu verbergen, sagte sie forsch: »Wenn ich noch ein paar Monate länger für diese Firma arbeite, werde ich irgendwann so rund wie ein Fass.« Sie beugte sich zu Lance hinüber. »Sie wissen ja, wie diese Bürotypen sind. Mein Dad nennt sie immer Kuchenfritzen.«
Sie sah wieder ein Licht in Lances Augen aufleuchten, und wieder lachte er. Diesmal war es jedoch ein leises Kichern. Nick stand inzwischen wartend in der Tür. Er runzelte die Stirn. Kate war verwirrt. Auf der Landwirtschaftsschau hatte er sie ständig angelächelt und mit ihr geflirtet, und gerade eben noch hatte er ihr verschwörerisch zugezwinkert. Jetzt war er mit einem Schlag wieder verschlossen und unnahbar. Unter den gegebenen Umständen würde sich ohnehin keine Gelegenheit für ein privates Gespräch ergeben. Sie könnte ihm also wieder nicht sagen, dass Nell seine Tochter war. Sie war erleichtert und entspannte sich ein wenig.
»Also«, sagte sie, schob den Teller dabei erst einmal zur Seite und griff nach dem Ordner. »Ich möchte nicht Ihren ganzen Tag in Anspruch nehmen. Fangen wir an?« Sie zog zuerst ein paar Broschüren aus dem Ordner. Solange sie Nick nicht ansah, war alles in bester Ordnung, sagte sie sich. Konzentrier dich auf deinen Job, und häng dich richtig rein. Sei professionell, aber sei es mit Leidenschaft. Sie begann ihr Konzept zu erläutern.
Zweieinhalb Stunden später war es Kate gelungen, die Energie im Raum zu verändern. Lance klopfte ihr auf die Schulter und lachte. Alice saß neben ihrem Mann und lehnte sich an ihn. Ihre blauen Augen leuchteten vor Begeisterung. Nick saß am anderen Ende des
Tisches, noch immer ein klein wenig auf Distanz zu ihr, aber Kate wusste, dass er an dem, was ihre Firma zu bieten hatte, durchaus interessiert war. Als sie zusammenzupacken begann, warf sie einen kurzen Blick auf ihre Uhr.
»Haben Sie noch etwas Zeit?«, fragte Lance. »Sie könnten doch Ihre Hündin mit Nicks Rüden zusammenlassen. Nick könnte Ihnen noch die Stelle zeigen, wo seiner Meinung nach der Damm angelegt werden sollte.«
Als Kate Nick jetzt ansah, wurde sie wieder von Panik ergriffen.
»Das geht nicht«, sagte Nick schroff. »Ich habe den Bagger draußen. Ich will die Rohre an der Brücke über den Bach reparieren, solange es trocken ist. Mit einem Fahrzeug kommt man da jetzt nicht rüber.«
»Sie können doch reiten, nicht wahr? Da ich ihre Mutter gekannt habe, bin ich mir sicher, dass Sie eine gute Reiterin sind«, sagte Lance zu Kate.
»Ja, aber …«
»Es hat keinen Sinn, wenn Sie das in Angriff nehmen, was wir gerade besprochen haben, ohne etwas von der Farm gesehen zu haben«, beharrte Lance. »Nick gibt ihnen eines von Felicitys Pferden. Sie hat bestimmt nichts dagegen. Sie hat in dieser Woche viel zu tun und ist deshalb sicher froh, wenn sie bewegt werden.«
Nick wollte noch einmal Einspruch erheben, aber Alice ging zu ihm hinüber.
»Nun mach schon«, drängte sie. Offensichtlich wollte sie nicht, dass der Zauber, den Kate bewirkt hatte, gebrochen wurde.
Nick sah seine Mutter an. Das Zimmer hatte sich irgendwie verändert. Es war, als könnten sie plötzlich alle über die tagtägliche Plackerei, das Anlegen von Verbänden, das Wechseln der Stomabeutel, die Tabletten und die Schmerzen hinaussehen. Sie hatten plötzlich wieder eine Zukunft. Nick sah Kate an. Sein Blick war direkt, aber weich, als er sie fragte: »Bist du bereit?«
Wie hätte sie da noch nein sagen können? Sie nickte. Aber schon der Gedanke, mit Nick allein zu sein, machte sie mehr als nervös. Jetzt also war es so weit. Sie folgte ihm zögernd, als er nach draußen ging.
Kapitel 21
D ie Hunde sprangen in großen Kreisen um Kate und Nick herum, die schweigend über die von der Dürre gezeichneten Koppeln ritten und sich dabei immer weiter vom Farmhaus entfernten. Während Kate auf Felicitys großem,
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