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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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kleinen emotionsgeladenen Begebenheit aufgeschrieben zu haben. Noch dazu war es Dummheit gewesen, alle Buchstaben in seiner schönsten Schrift notiert zu haben, so dass jedes Auge der Welt sie lesen konnte.
    »Ein Kind, sagst du? Ich zögere, dir zu widersprechen, mein Freund, aber hör dir das an: Wana- und-so-weiter: Du willst mich nicht haben, du willst nicht mit mir zusammen sein? Das musst du sein, Rooke, der das gesagt hat, und hier ist die Antwort: Wana -und-anderes-weiter: Ich möchte nicht mit dir zusammen sein .«
    In Silks lebhaftem Gesicht spiegelte sich Überraschung, Bewunderung und – war das möglich? – so etwas wie Neid.
    »Sapperlot, du bist uns allen hier weit voraus. Genügen dir Mrs. Butchers Schönheiten etwa nicht? Du bist mir ein ganz schön gerissener Hund!«
    Ein gerissener Hund? Rooke verstand nicht gleich, was Silk damit meinte, doch dann ging ihm ein Licht auf. Er hörte die aufgezeichneten Worte noch einmal mit Silks Stimme und hatte dabei ein Bild Tagarans vor Augen – einer lüstern dreinblickenden grotesken Tagaran –, die sich schamlos vor ihm zur Schau stellte. Rooke spürte, wie er rot anlief, eine Hitzewallung, die sich vom Hals aufwärts über das Gesicht verbreitete, in die Ohren und bis in die Kopfhaut hinein.
    »Nein! Nein, nein!«
    Silk grinste, sah Rooke eindringlich in die Augen und zuckte dabei ermutigend mit der Augenbraue. Man sah ihm förmlich an, wie die Geschichte vor seinem geistigen Auge Gestalt annahm: Unser schweigsamer Freund Mr. Rooke und seine kleine Freundin Tagaran .
    Ruhig Blut, ermahnte sich Rooke. Um jeden Preis ruhig bleiben, sonst prägt sich die Geschichte umso fester ein.
    »Nein, nein, das hast du missverstanden. Was du da gelesen hast. Das hat sie nicht zu mir gesagt, sondern zu einem anderen Kind.« Er bemühte sich so sehr, gleichgültig zu klingen, dass seine Stimme ganz heiser wurde. »Ein paar von ihnen kommen ab und zu hierher. Um bei mir ein paar Happen zu erbetteln. Und so weiter.«
    Das war doch sicherlich langweilig genug und nicht einmal gelogen.
    »Ich selbst war an dem Wortwechsel unbeteiligt, habe ihn nur aufgezeichnet. Die beiden haben sich gestritten. Eine ist beleidigt abgezogen, nach einer Weile aber wiedergekommen.«
    Er erklärte viel zu viel. Silk musterte ihn aufmerksam. Lächelnd, die Beine übereinandergeschlagen und mit dem Fuß wippend, saß er schweigend da und wartete ab.
    »Eine von ihnen hat sich als ausgezeichnete Sprachlehrerin erwiesen.«
    Eine von ihnen . Er wollte Tagaran damit schützen, doch es war Verrat. Tagaran war nicht eine von irgendwelchen ihnen . Sie war sie selbst, jedes Teilchen von ihr einmalig.
    »Mein lieber Rooke«, sagte Silk betont liebenswürdig, »du brauchst mir nichts zu erklären. Wir sind doch beide Männer von Welt.«
    Männer von Welt! Wäre er tatsächlich ein Mann von Welt, hätte er vorausgesehen, wie man diese Worte verstehen konnte. Ein Mann von Welt wäre niemals so verhängnisvoll naiv gewesen, sie niederzuschreiben.
    In Silks Vorstellung konnte es mit einem Eingeborenenmädchen keine Vertrautheit geben, die etwas anderes als körperlicher Natur war. Wie aber soll ich ihm klarmachen, dass das nicht stimmt, dachte Rooke, wenn ich diese Vertrautheit selbst nicht einmal verstehe und nicht weiß, wie ich sie benennen soll?
    Ich hätte es wissen müssen , schalt er sich selbst. Hätte daran denken sollen, dass er einen Riecher für Geheimnisse hat .
    Rooke hatte an diesem Ort gelebt, der so anders war als alles, was er je kennengelernt hatte, dass er ihn für unantastbar gehalten hatte. Er hatte sich treiben lassen, ohne an Zeit oder Raum oder Konsequenzen zu denken. Alles war vorübergehend außer Kraft gesetzt worden, während er und Tagaran sich in einem Winkel des Kosmos treiben ließen, in dem sich das Unmögliche entfalten konnte. Nun setzten sich die ehernen Gesetze von Zeit und Ort unerbittlich wieder durch.
    Nicht darüber zu reden, hatte alles noch schlimmer gemacht. Das wurde ihm nun bewusst. Ließ es verdächtig aussehen, obwohl es gar nichts zu verbergen gab.
    »Ja, ja, diese Mädchen haben einen natürlichen Charme, das gebe ich zu«, sagte Silk. »Und erstaunlicherweise sind sie überhaupt nicht kokett. Aber Rooke, darf ich dir als Freund eine Warnung geben? So abgeschieden, wie du hier draußen lebst, bekommst du es vielleicht gar nicht richtig mit, also, die Eingeborenen sind – oder lass es mich so ausdrücken, der Gouverneur ist in Sorge. Diese Überfälle in Rose

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