Australien 03 - Tal der Sehnsucht
Feuer kämpfte gegen die Feuchtigkeit an, trotzdem wirkte das Lager einladend.
»Hallo?«, rief Jack im Näherkommen, doch niemand antwortete ihm. Das Lagerfeuer schmauchte gemächlich vor sich hin, die Kohlen hatten kaum noch Glut. Ein Blechtopf, dessen rostige Wand mit Asche verklebt war, stand noch halb voll am Feuerrand. Ein unter einem Baum angebundener hübscher schwarzer Wallach mit weißer Blesse auf der Nase stellte aufmerksam die Ohren auf. Er streckte den Hals vor und wieherte Bailey grüßend zu. In den Wipfeln kreischten und tanzten die grauen Kakadus wie ein Schwarm von Hofnarren.
»Hallo!«, rief Jack noch einmal lauter. Dann hörte man das Kläffen und Bellen von Hunden, die aufgeregt den Uferhang heraufgeklettert und -gerannt kamen. Es waren drei an der Zahl, und alle waren nass und tanzten vor Begeisterung. Die Hunde beschnüffelten Faulpelz und Kelpie und wedelten dabei eifrig mit den Schwänzen, die sie wie Friedens- und Freundschaftsflaggen in die Luft gereckt hatten. Jack fiel auf, dass es gesunde, fröhliche Collies von guter Abstammung waren. Es verblüffte ihn, dass er hier über so beeindruckende Hunde stolperte. Das war wie ein Omen. Hatte Kelpie damals nicht durch das Wasser zu ihm gefunden? Dann hörte er von unten ein hohes Pfeifen, und in der nächsten Sekunde jagten die Hunde an ihm vorbei und das Ufer hinab zu ihrem Herrn. Jack konnte einen Mann erkennen, der, eifrig umtanzt von seinen Hunden, am Ufer des Sees den Kadaver eines Kängurus auswusch.
Jacks Kiefer klappte nach unten.
»Das ist doch nicht zu fassen! Tully? Mark Tully? Bist du das?«
»Heilige Maria und Mutter Gottes!«, antwortete Mark im Aufstehen, ohne den dicken Känguruschwanz aus den breiten Händen zu lassen. Er kletterte die Uferböschung herauf. Jack stieg von seinem Pferd, und die beiden jungen Männer schüttelten sich erst die Hand, umarmten sich dann und schüttelten dann nochmals die Hände, wobei sie die ganze Zeit über dieses unwahrscheinliche Wiedersehen lachten. Zahllose Erinnerungen an ihre Kindheit an den Viehhöfen am Hafen erwachten zum Leben, und Jack merkte, wie ihn eine Gänsehaut überlief. Wenn das kein gutes Omen war.
Nachdem das Feuer wieder angefacht worden war und der Kessel fröhlich blubberte, kauerten Jack und Mark zusammen unter einer alten, in einem dichten Laubdach aufgespannten Leinwandplane und fielen sich gegenseitig immer wieder ins Wort, so eilig hatten sie es, einander all die Abenteuer zu erzählen, die sie erlebt hatten, seit sie von zu Hause weggegangen waren.
»Und jetzt bin ich auf dem Rückweg nach Ballarook und habe nicht eine einzige Kuh in meiner Herde. Der Boss wird toben wie ein Wüstensturm.« Mark stocherte mit einem knorrigen alten Stock im Feuer und atmete schwer durch die Nase aus. »Aber ich weiß, dass du ihn wieder umstimmen könntest, Jack. Du bist gut in diesen Dingen. Es war nicht mein Verschulden, dass andere Viehtreiber die Herde streunen ließen und die dummen Viecher sich den falschen Erdhaufen aussuchten, um ihre Haut zu retten, als die Überschwemmung kam. Immer schickt er mich los, um die Suppe auszulöffeln, die ihm die anderen Männer eingebrockt haben. Aber warte nur bis zur Schur. Du wirst deinen Augen nicht trauen.«
»Ich kann es kaum erwarten, das junge Mädel hier arbeiten zu lassen. Sie ist schon bereit«, sagte Jack mit einem Nicken zu Kelpie hin.
»Woher hast du sie? Eine nette Rasse.«
Ungläubig lauschte Mark der Schilderung von Jacks klammheimlichem Tausch.
»Verflucht noch eins! Albert würde dir ganz gewiss eins mit dem Stock überziehen. Seinen jungen Hengst gegen einen Welpen einzutauschen! Bist du von Sinnen?«
»Ich weiß, dass es sich so anhört, aber ich bereue nichts«, sagte Jack. »Sie ist schlau, und wenn ich erst einen guten Rüden für sie gefunden habe, wird sie exzellente Welpen werfen.«
Er zog den feuchten Mantel um sich und schaute Kelpie an. Sie beobachtete ihn, den Kopf leicht seitlich geneigt und die Ohren aufgestellt, als wüsste sie genau, dass er über sie redete. Innerhalb weniger Wochen hatte sie das pummelige Welpenstadium hinter sich gelassen und war zu einer schlanken, eleganten, nordeuropäischen Colliehündin herangewachsen. Sie hatte das Kinn auf die Pfoten gelegt, und ihr Blick schien an Jack zu kleben, solange sie nur die Augen offen halten konnte. Dann gab sie ein schnaubendes Seufzen von sich und schlief ein. Jack hatte all seine Hoffnungen in diesen kleinen Hund gelegt, der vor ihm lag.
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