Australien 03 - Tal der Sehnsucht
kam.
Jack war gerade dabei, die Seife abzuspülen, als er Hufschläge hörte. Er schwang herum und sah Mary im Trab auf ihrem schwarzen Pony heranreiten, aber sein Lächeln erstarb, als er ihre ängstliche Miene sah. Das Pony blieb am Brunnen stehen, und Mary rutschte aus dem Sattel. Sie kam auf ihn zugelaufen, schlang die Arme um seinen Hals und presste die Wange auf seine nasse Brust.
»Hey, hey. Was ist denn passiert?«, bemühte sich Jack sie zu trösten, während er sie auf Armeslänge von sich weg hielt und sich vorbeugte, um ihr richtig ins Gesicht sehen zu können. Erst jetzt entdeckte er, dass ihre Augen rot geweint waren.
»Ach, Jack. Jetzt ist alles aus. Der blöde Wagen ist gepackt, und Ma kehrt schon das Haus aus.«
»Was redest du da?«
»Mein Dad. Er hat verkauft… alle drei Stationen.«
»Verkauft?«
»Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er sich ein größeres Gut zulegen will. Und nun ziehen wir los. Gleich jetzt. Ich musste dich noch einmal sehen. Trotz allem, was er sagt.«
Jack zog die Stirn in Falten. »Ihr zieht los? Wohin denn?«
»Wir fahren den Bygoo hinauf – dort hat er etwas gekauft. Ein Gut namens Wallandool.«
»Weiß er nicht, dass ihm seine Tiere in einem solchen Landstrich vor Durst eingehen werden? Ich habe sagen hören, dass der Mirool nicht immer Wasser führt und schon manch einen Züchter genarrt hat.« Jack zog sie an seine Brust und drückte sie mit aller Kraft. »Aber ganz gleich, was sich dein alter Herr auch in den Kopf gesetzt hat, er wird mich nicht von dir fern halten können, Mary Ryan. Ich werde nachkommen.«
»Aber mein Dad – «
»Ich werde nachkommen, sobald ich kann, Mary. Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort.«
Mary hob die Hand und strich über sein frisch geschrubbtes Kinn. Dann gab sie ihm, auf Zehenspitzen stehend, einen letzten Kuss und fuhr mit den Fingern durch sein nasses Haar.
»Ich liebe dich, Jack Gleeson«, sagte sie.
Kapitel 25
R osie hob das nächste Lamm hoch und hakte die dünnen Beinchen in das Metallgestänge der so genannten »Wiege«. Behutsam spannte sie das Tier ein und drehte dann die Wiege herum. Mit geübtem Griff schnitt sie, still um Verzeihung bittend, ein kleines »V« aus dem Ohr und kratzte dann den Impfstoff gegen Schafspocken in die Haut. Als Nächstes nahm sie die Spritze und stach damit durch kurze Wolle und feste Haut. Danach nahm sie sich das nächste Lamm vor. Ihr gegenüber arbeitete Jim, der schweigend mit einer zischenden Gasschere die Lammschwänze kürzte und danach hin und wieder sein Messer aus der Desinfektionsflüssigkeit zog, um den kleinen Hammellämmern die Hoden abzutrennen.
Rosie und Jim hatten die Hüte tief ins Gesicht gezogen und die Kragen gegen den beißenden Wind hochgeschlagen. Sie waren zu beschäftigt, um zu reden, und arbeiteten zügig, weil sie hofften, das Markieren der Lämmer möglichst schnell hinter sich zu bringen. Die im Pferch zusammengetriebenen Tiere blökten endlos nach ihren Müttern, und wenn sich Rosie abends schlafen legte, klang ihr das Blöken noch in den Ohren. Es war die dritte Herde, die sie in dieser Woche markierten. Sie spürte, wie sich ihre Schultermuskeln verkrampften, als sie das nächste fette Lamm hoch hob. Aber allmählich gewöhnte sie sich an die schwere körperliche Arbeit, an die unerwarteten, feinen Blutspritzer, die aus Schwänzen und Ohren schossen, und an die Schmerzensschreie der markierten und kastrierten Lämmer.
»Ich weiß, dass es gruselig aussieht, aber auf lange Sicht nutzt es ihnen«, hatte Jim gesagt, als er ihr gezeigt hatte, wie man ein Lamm markiert, und Rosie erbleichend zurückgewichen war. »Die Alternative hierzu ist viel, viel schlimmer«, hatte er ihr versichert. »In ein, zwei Tagen haben sie sich erholt und hoppeln herum, als wäre nichts gewesen. Du wirst schon sehen.«
Rosie hatte schon beim Markieren zugesehen, es aber noch nie selbst gemacht. Anfangs war ihr regelrecht schlecht geworden, wenn sie spürte, wie das Metall durch Haut und Knorpel schnitt, aber inzwischen, nach über zweitausend Lämmern, war es zur Routine geworden. Und sie wusste, wie wichtig es war.
Auch das Zäuneziehen war ihr zur Routine geworden. Sie und Jim hatten nach der Überschwemmung ganze Tage am Fluss zugebracht und neue Zäune gesetzt. Rosies Hände schmerzten vor Anstrengung, wenn sie die Metallhalterung der Pfostenramme über die stählernen Zaunpfosten schlug und den Draht mit einer Drehung der Hand spannte. Schweiß lief ihr den Rücken
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