Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
gesteckt worden. Jetzt tüpfelten Komposttoiletten und adrette Parkschilder das kleine Gelände, auf dem sich die Feriengäste niederlassen konnten. Im Sommer standen hier inzwischen Urlauberzelte, und es wurde gefaulenzt, wo früher geackert und geschuftet worden war, wo Frauen Kinder geboren und großgezogen und die Mühsal eines Lebens in absoluter Abgeschiedenheit ertragen hatten.
Emily brannten Tränen in den Augen. Dieses einst so schöne Anwesen ging vor die Hunde. Das wuchernde Gestrüpp zeigte nur zu deutlich, dass amtliche Gelder und eine Handvoll Leute nicht ausreichten, um das Land richtig zu bewirtschaften, selbst wenn alle die besten Absichten hatten.
»Dad«, meinte sie, »fällt das denn niemandem auf ? Sind sie wirklich so blind? Oder ist es ihnen egal?«
Rod schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es ihnen egal ist. Du weißt selbst, dass die meisten Parkys anständige Leute sind. Nimm zum Beispiel diesen Luke … ich schätze, der ist ganz in Ordnung. Aber ich glaube, sie bekommen von oben Fesseln angelegt. Finanzielle und ideologische.«
Emily spürte ein leises Kribbeln, als ihr Vater Luke erwähnte.
Rod war noch nicht fertig. »Die Jungs hier vor Ort haben praktisch kein Geld zur Verfügung. Sie müssen darauf bauen, dass genug aus Melbourne durchsickert, um Herbizide, Hilfskräfte und Ausrüstung zu beschaffen. Und während sie auf das Geld warten, breitet sich das Unkraut weiter aus. Darcy sagt, er hätte endgültig kapituliert, als der Etat neu aufgeteilt wurde. Weil irgendein Clown in Melbourne der Auffassung war, dass das Geld sowieso nicht reichen würde, um der Brombeerenplage Herr zu werden, wurde einfach ein anderes Unkraut als ›vorrangig‹ eingestuft. Darcy konnte es kaum glauben.«
Emily fragte sich, wie Luke in so einem System wohl zurechtkommen würde. Würde er sich von der riesigen Organisation und ihrer Ideologie, wie ihr Dad es nannte, aufsaugen lassen? Sie wusste, dass ihn die Einheimischen drängen würden, größere Gebiete kontrolliert abzubrennen, aber auch diese Feuer erstickten meist unter der schweren Last der Bürokratie.
Oft verstrich die Gelegenheit für einen sicheren, begrenzten Brand bei perfektem Wind und idealer Temperatur, weil die Genehmigungsprozedur zu viel Zeit kostete. Vor jeder kontrollierten Brandrodung brauchte Luke das Okay aus Melbourne. Die Bulldozer, Feuerwehrfahrzeuge und Männer vor Ort plus die Helikopter für den Notfall bereitzustellen war so kostspielig, dass nur ein Bruchteil aller beantragten Brandrodungen je durchgeführt wurde.
Längst vergangen waren die Zeiten, in denen erfahrene Männer wie ihr Großvater die Lufttemperatur auf ihrer Haut und die Windstärke in ihrem Gesicht abschätzten und nach einem scharfen Blick auf den Busch beurteilen konnten, ob dies der geeignete Zeitpunkt für einen kontrollierten Buschbrand war. Anschließend war ihr Großvater mit einer frisch gestopften Pfeife losgeritten, hatte hier und da ein brennendes Streichholz fallen lassen und die langsam vorrückenden Flammen ihre Arbeit tun lassen. Damals konnte ein einziger Mann viele hundert Hektar gesundes Buschland pflegen und es wie von der Natur vorgesehen verjüngen. Behutsam, mit Augenmaß und Hingabe, so wie es die Aborigines getan hatten. Seit die Brandrodungen in den Händen einer riesigen Bürokratie lagen, kosteten sie Millionen, und ihre Wirksamkeit wurde von akademischen »Experten« angezweifelt und bestritten.
Emily begriff, wie dicht sie davorstanden, ihre Farm im Hochland aufgeben zu müssen. Der Anblick der verfallenen Wonnangatta-Farm erfüllte sie mit Verzweiflung.
»So soll unser Land auf den High Plains auch bald aussehen?«, fragte sie ihren Vater mit vor Kummer brechender Stimme.
Rod griff nach dem Zügel von Emilys Wallach und zog ihn sanft zu sich her. Der Wallach rückte näher an ihn heran, bis Rod die Hand auf Emilys Knie legen konnte.
»Keine Angst, Em«, sagte er. »Sie müssen das einfach einsehen. Dieser Ort ist der beste Beweis für das, was wir den Bürokraten, Politikern, Wissenschaftlern und Reportern schon immer zu erklären versucht haben. Sie müssen einsehen, dass eine Beweidung einem Gebiet wie diesem nur guttut.«
»Aber wenn sie es nicht einsehen, Dad? Was dann?«
Emilys Gesicht spiegelte die traurige Miene ihres Vaters. Sein ganzes Leben hatte er unter der Ablehnung gelitten, die ihm entgegenschlug, weil er ein Flanaghan, ein Cattleman war. Es schmerzte ihn, dass seine Tochter jetzt die gleichen
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