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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Menschenhitze als helfendes Element verwenden zu können; vom Statthalter, einem puritanischen Deutschen, ließ ich auch den bevorstehenden Karneval verbieten; ein verwegener junger Mann, der sich in Isabella verliebt, reizt das Volk auf, die Masken anzulegen und das Eisen bereit zu halten: »wer sich nicht freut bei uns'rer Lust, dem stoßt das Messer in die Brust!« Der Statthalter, von Isabella vermocht selbst maskirt zum Stelldichein zu kommen, wird entdeckt, entlarvt und verhöhnt, – der Bruder, noch zur rechten Zeit vor der vorbereiteten Hinrichtung gewaltsam befreit; Isabella entsagt dem Klosternoviziat und reicht jenem wilden Karnevalsfreunde die Hand: in voller Maskenprozession schreitet Alles dem heimkehrenden Fürsten entgegen, von dem man voraussetzt, daß er nicht so verrückt wie sein Statthalter sei.
    Vergleicht man dieses Sujet mit dem der »Feen«, so sieht man, daß die Möglichkeit nach zwei grundverschiedenen Richtungen hin mich zu entwickeln, vorhanden war: dem heiligen Ernste meines ursprünglichen Empfindungswesens trat hier, durch die Lebenseindrücke genährt, eine kecke Neigung zu wildem sinnlichem Ungestüme, zu einer trotzigen Freudigkeit entgegen, die jenem auf das Lebhafteste zu widersprechen schien. Ganz ersichtlich wird mir dieß, wenn ich namentlich die musikalische Ausführung beider Opern vergleiche. Die Musik übte auf mein Empfindungsvermögen immer einen entscheidenden Haupteinfluß aus; es konnte dieß gar nicht anders sein in einer Periode meiner Entwickelung, wo die Lebenseindrücke noch nicht eine so nächste und scharf bestimmende Wirkung auf mich äußerten, daß sie mir die gebieterische Kraft der Individualität verliehen hätten, mit der ich jenes Empfindungsvermögen auch zu einer bestimmten Wirksamkeit nach außen anhalten konnte. Die Wirkung der empfangenen Lebenseindrücke war nur noch genereller, nicht individueller Art, und so mußte die generelle Musik noch mein individuelles künstlerisches Gestaltungsvermögen, nicht aber dieses jene beherrschen. Die Musik auch zu dem »Liebesverbote« hatte im Voraus gestaltend auf Stoff und Anordnung gewirkt, und diese Musik war eben nur der Reflex der Einflüsse der modernen französischen und (für die Melodie) selbst italienischen Oper auf mein heftig sinnlich erregtes Empfindungsvermögen. Wer diese Komposition mit der der »Feen« zusammenhalten würde, müßte kaum begreifen können, wie in so kurzer Zeit ein so auffallender Umschlag der Richtungen sich bewerkstelligen konnte: die Ausgleichung beider sollte das Werk meines weiteren künstlerischen Entwickelungsganges sein. –
    Mein Weg führte mich zunächst geradesweges zur Frivolität in meinen Kunstanschauungen; es fällt dieß in die erste Zeit meines Betretens der praktischen Laufbahn als Musikdirektor beim Theater. Das Einstudiren und Dirigiren jener leichtgelenkigen französischen Modeopern, das Pfiffige und Protzige ihrer Orchestereffekte, machte mir oft kindische Freude, wenn ich vom Dirigirpulte aus links und rechts das Zeug loslassen durfte. Im Leben, welches von nun an mit Bestimmtheit das bunte Theaterleben ausmachte, suchte ich durch Zerstreuung Befriedigung eines Triebes, der sich für das Nächste, Greifbare, als Genußsucht, für die Musik als flimmernde, prickelnde Unruhe kundgab. Meine Komposition der »Feen« wurde mir durchaus gleichgiltig, bis ich ihre beabsichtigte Aufführung ganz aufgab. Eine, unter den ungünstigsten Umständen mit gewaltsamem Eigensinne durchgesetzte, gänzlich unverständliche Aufführung des »Liebesverbotes« ärgerte mich wohl; doch vermochte dieser Eindruck mich noch keinesweges von dem Leichtsinne zu heilen, mit dem ich Alles anfaßte. – Die moderne Vergeltung des modernen Leichtsinnes brach aber auch bald auf mich herein. Ich war verliebt, heirathete in heftigem Eigensinne, quälte mich und Andere unter dem widerlichen Eindrucke einer besitzlosen Häuslichkeit, und gerieth so in das Elend, dessen Natur es ist, Tausende und aber Tausende zu Grunde zu richten.
    Ein Drang entwickelte sich so in mir bis zur zehrenden Sehnsucht: aus der Kleinheit und Erbärmlichkeit der mich beherrschenden Verhältnisse herauszukommen. Dieser Drang bezog sich jedoch nur in zweiter Linie auf das wirkliche Leben selbst; in erstem Zuge ging er auf eine glänzende Laufbahn als Künstler hinaus. Dem kleinen deutschen Theatertreiben mich zu entziehen, und geradesweges in Paris mein Glück zu versuchen, das war es endlich, worauf ich meine

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