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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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konnte. – Wenn ich den glänzenden Aufführungen der großen Oper beiwohnte, was übrigens nicht häufig geschah, so stieg mir eine wohllüstig schmeichlerische Wärme auf, die mich zu dem Wunsche, zu der Hoffnung, ja zu der Gewißheit erhitzte, hier noch triumphieren zu können: dieser Glanz der Mittel, von einer begeisternden künstlerischen Absicht verwendet, schien mir der Höhepunkt der Kunst zu sein, und ich fühlte mich durchaus nicht unfähig, diesen Höhepunkt zu erreichen. Außerdem entsinne ich mich einer sehr bereitwilligen Stimmung, mich an allen Erscheinungen jener Kunstwelt zu erwärmen, die irgendwie meinem Ziele verwandt sich darstellten: das Seichte und Inhaltslose verdeckte sich mir durch einen Glanz der sinnlichen Erscheinung, wie ich ihn noch nie wahrgenommen hatte. Erst später kam mir zum Bewußtsein, wie ich mich dennoch hierüber, durch eine fast künstliche Erregtheit, selbst täuschte: diese gutwillige, gern bis zur leichtfertigen Hingerissenheit sich steigernde Erregtheit, nährte sich, mir unbewußt, aus dem Gefühle meiner äußeren Lage, die ich als eine ganz trostlose erkennen mußte, wenn ich mir plötzlich eingestanden hätte, daß all' dieses Kunstwesen, das die Welt ausmachte, in der ich vorwärts kommen sollte, mich zu tiefster Verachtung anwiderte. Die äußere Noth zwang mich, dieses Geständniß fern von mir zu halten; ich vermochte dieß mit der gutmüthig bereitwilligen Laune eines Menschen und Künstlers, den ein unwillkürlich drängendes Liebesbedürfniß in jeder lächelnden Erscheinung den Gegenstand seiner Neigung zu erkennen glauben läßt.
    In dieser Lage und Stimmung sah ich mich veranlaßt, auf bereits überwundene Standpunkte mich zurückzustellen. Aussichten waren mir geboten worden, eine Oper leichteren Genre's auf einem untergeordneteren Theater zur Aufführung gebracht zu sehen: ich griff deshalb zu meinem »Liebesverbote« zurück, von dem eine Übersetzung begonnen wurde. Durch die Beschäftigung hiermit fühlte ich mich innerlich um so mehr gedemüthigt, als ich mir äußerlich den Anschein der Hoffnung auf diese Unternehmung zu geben gezwungen war. – Um mich durch Sänger der Pariser Salonswelt empfehlen zu lassen, komponirte ich mehrere französische Romanzen, die, trotz meiner entgegengesetzten Absicht zu ungewohnt und schwer erschienen, um endlich wirklich gesungen zu werden. – Aus meinem tief unbefriedigten Innern stemmte ich mich gegen die widerliche Rückwirkung dieser äußerlichen künstlerischen Thätigkeit, durch den schnellen Entwurf und die ebenso rasche Ausführung eines Orchesterstückes, das ich »Ouvertüre zu Goethe's Faust« nannte, das eigentlich aber nur den ersten Satz einer großen Faustsymphonie bilden sollte.
    Bei vollkommener Erfolglosigkeit aller meiner Bestrebungen nach Außen, drängte die äußere Noth mich endlich zu einer noch immer tieferen Herabstimmung des Charakters meiner künstlerischen Thätigkeit: ich erklärte mich selbst bereit zur Anfertigung der Musik zu einem gassenhauerischen Vaudeville für ein Boulevardtheater. Auch dazu gelangte ich aber vor der Eifersucht eines musikalischen Geldeinnehmers nicht. So mußte es mir fast als Erlösung gelten, als ich gezwungen war, mich mit der Anfertigung von Melodieenarrangements aus »beliebten« Opern für das Cornet à pistons zu beschäftigen. Die Zeit, die mir diese Arrangements übrig ließen, verwendete ich nun auf die Vollendung der Komposition der zweiten Hälfte des Rienzi, für den ich jetzt nicht mehr an eine französische Übersetzung dachte, sondern irgend ein deutsches Hoftheater in Aussicht nahm. Die drei letzten Akte dieser Oper wurden unter den bezeichneten Umständen in verhältnißmäßig ziemlich kurzer Zeit fertig.
    Nach Beendigung des Rienzi, und bei fortwährender Tagesbeschäftigung mit musikhändlerischer Lohnarbeit, gerieth ich auf einen neuen Ausweg, meinem gepreßten Innern Luft zu machen. Mit der Faustouvertüre hatte ich es zuvor rein musikalisch versucht; mit der musikalischen Ausführung eines älteren dramatischen Planes, des Rienzi, suchte ich der Richtung, die mich eigentlich nach Paris geführt hatte und für die ich mir nun Alles verschlossen sah, ihr künstlerisches Recht angedeihen zu lassen, indem ich sie für mich abschloß. Mit dieser Vollendung stand ich jetzt gänzlich außerhalb des Bodens meiner bisherigen Vergangenheit. Ich betrat nun eine neue Bahn, die der Revolution gegen die künstlerische Öffentlichkeit der Gegenwart

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