Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
Vom Netzwerk:
Seine Erwartung täuschte ich vollständig: verwirrt und unbefriedigt verließ es die erste Vorstellung des Tannhäuser. – Das Gefühl der vollkommensten Einsamkeit, in der ich mich jetzt befand, übermannte mich. Die wenigen Freunde, die von Herzen mit mir sympathisirten, fühlten sich selbst durch das Peinliche meiner Lage so bedrückt, daß die Kundgebung ihrer eigenen unwillkürlichen Verstimmung das einzige befreundete Lebenszeichen um mich war. Eine Woche verging, ehe eine zweite, zur Verbreitung des Verständnisses und zur Berichtigung von Irrthümern so nöthig scheinende Vorstellung des Tannhäuser stattfinden konnte. Diese Woche enthielt für mich das Gewicht eines ganzen Lebens. Nicht verletzte Eitelkeit, sondern der Schlag einer gründlich vernichteten Täuschung betäubte mich damals nach Innen. Es wurde mir klar, daß ich mit dem »Tannhäuser« nur zu den wenigen, mir zunächst vertrauten Freundesherzen gesprochen hatte, nicht aber zu dem Publikum, an das ich mich dennoch durch die Aufführung des Werkes unwillkürlich wandte: hier war ein Widerspruch, den ich für vollkommen unlösbar halten mußte. Nur eine Möglichkeit schien mir vorhanden zu sein, auch das Publikum mir zur Theilnahme zu gewinnen, nämlich – wenn ihm das Verständniß erschlossen würde: hier fühlte ich aber zum ersten Male mit größerer Bestimmtheit, daß der bei uns üblich gewordene Charakter der Opernvorstellungen durchaus Dem widerstreite, was ich von einer Aufführung forderte. – In unserer Oper nimmt der Sänger , mit der ganz materiellen Wirksamkeit seines Stimmorganes, die erste Stelle, der Darsteller aber eine zweite, oder gar wohl nur ganz beiläufige Stellung ein; demgegenüber steht ganz folgerichtig ein Publikum, welches zunächst auf Befriedigung seines wohllüstigen Verlangens des Gehörnerves ganz für sich ausgeht, und von dem Genusse einer dramatischen Darstellung somit fast ganz absieht. Meine Forderung ging nun aber geradesweges auf das Entgegengesetzte aus: ich verlangte in erster Linie den Darsteller, und den Sänger nur als Helfer des Darstellers; somit also auch ein Publikum, welches mit mir dieselbe Forderung stellte. Erst wenn diese Forderung erfüllt war, mußte ich einsehen, daß überhaupt von dem Eindrucke des mitgetheilten Gegenstandes die Rede sein konnte; daß dieser Eindruck aber unbedingt nur ein ganz verwirrter sein mußte, wenn die Erfüllung jener Forderung von keiner Seite her bewerkstelligt wurde. So mußte ich mir in Wahrheit wie ein Wahnsinniger erscheinen, der in die Luft hineinredet, und von dieser verstanden zu werden vermeint; denn ich redete öffentlich von Dingen, die um so unverständlicher bleiben mußten, als die Sprache nicht einmal verstanden ward, in der ich sie kundgab. Das allmählich entstehende Interesse eines Theiles des Publikums für mein Werk dünkte mich so als die gutmüthige Theilnahme befreundeter Menschen an dem Schicksale eines theuren Wahnsinnigen: diese Theilnahme bestimmt uns, auf die Irrereden des Leidenden einzugehen, ihnen einen Sinn zu entrathen, in diesem entrathenen Sinne ihm endlich wohl auch zu antworten, um so seinen traurigen Zustand ihm erträglich zu machen; selbst Gleichgiltigere drängen sich dann wohl herbei, denen es eine pikante Unterhaltung gewährt, die Mittheilungen eines Wahnsinnigen zu vernehmen, und an den ab und zu verständlichen Zügen seines Gesprächs in eine spannende Ungewißheit darüber zu gerathen, ob der Wahnsinnige plötzlich vernünftig, oder ob sie selbst verrückt geworden seien. So und nicht anders begriff ich von nun an meine Stellung zum eigentlichen »Publikum«. Dem mir geneigten Willen der Direktion, und vor Allem dem guten Eifer und dem glücklichen Talente der Darsteller gelang es, meiner Oper einen allmählichen Eingang zu verschaffen. Dieser Erfolg vermochte mich aber nicht mehr zu täuschen; ich wußte jetzt, woran ich mit dem Publikum war, und hätte ich daran noch zweifeln können, so würden mich weitere Erfahrungen vollends zur Genüge darüber haben aufklären müssen.
    Die Folgen meiner früheren Verblendung über meine wahre Stellung zum Publikum stellten sich jetzt mit Schrecken ein: die Unmöglichkeit, dem Tannhäuser einen populären Erfolg, oder überhaupt nur Verbreitung auf den deutschen Theatern zu verschaffen, trat mir hell entgegen; und hiermit hatte ich zugleich den gänzlichen Verfall meiner äußeren Lage zu erkennen. Fast nur, um mich vor diesem Verfalle zu retten, that ich noch

Weitere Kostenlose Bücher