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Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi

Titel: Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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dasselbe können wie ich.«
    »Was denn?«
    Mit großer Eindringlichkeit antwortete sie: »Die Zeit …« Sie holte tief Luft. »Ich kann die Zeit anhalten.« Dann seufzte sie lange und unüberhörbar, als sei ein quälendes Gewicht von ihr abgefallen.

5.
    Es war Viertel nach zehn abends, sie saß Superintendent John October gegenüber in Pearlies gut besuchtem Restaurant und sie sagte: »Die Zeit – ich kann die Zeit anhalten«, und es klang wie ein Geständnis, das sie unglaublich erleichterte.
    Sie blickte ihn an, wartete auf seine Reaktion, doch er nickte nur bedächtig und wartete auf eine nähere Erklärung.
    Sie musste seine Geste jedoch so verstanden haben, dass er ihr glaubte, denn ihre Anspannung ließ sichtlich nach. Sie griff zum Besteck und schnitt ein Kabob in der Mitte durch. Überrascht blickte sie das Ei an. »Cool!«, sagte sie und lächelte ihm fröhlich zu. »Irgendwie komisch, ich habe immer geglaubt, irgendwas würde passieren, wenn ich es je einem erzählte. Was genau weiß ich nicht, vielleicht, dass Glocken anfangen würden zu läuten oder ich von einem Schwarzen Loch eingesaugt würde …«
    October musterte sie und versuchte, die Widersprüchein ihrer Persönlichkeit miteinander zu versöhnen. Heute Nachmittag am Telefon hatte ihre Stimme angespannt geklungen; ihre Wortwahl und ihr Sprachrhythmus waren erwachsen gewesen unter der schweren Last der Verantwortung, über rätselhafte Morde und unaussprechliche Geheimnisse Bescheid zu wissen. Eben, als sie an seinen Tisch gekommen war, hatte er dieselbe Art von Nervosität gespürt. Und jetzt diese plötzliche Sorglosigkeit! Es war, als habe sie sich durch ihr Geständnis von einer schweren Last befreit, die ihr auf der Seele gelegen hatte. Als habe sie diese Bürde endlich an einen Erwachsenen übergeben, so dass sie wieder neunzehn Jahre alt sein konnte.
    Das bedeutete zugleich, dass sie ernst meinte, was sie gesagt hatte, und das belastete wiederum ihn.
    Als sie den nächsten Bissen zum Mund führte, sagte er bewusst ernsthaft und vernünftig: »Du kannst also die Zeit anhalten.«
    Sie nickte. »Mm, das ist ja köstlich!«, sagte sie mit halbvollem Mund. »Sieh dir mal den ersten Artikel an«, fügte sie dann hinzu und zeigte mit dem Messer auf die Ausdrucke, die er aus dem Umschlag gezogen hatte.
    Er fing an zu lesen.
Die Kopenhagen-Interpretation

Wahrscheinlichkeitsphysik.
    »Das ist ein Artikel aus Wikipedia«, erklärte sie.
    October wusste nicht, wovon sie redete. Er las den ersten Absatz und gab dann auf. »Kannst du mir das vielleicht erklären?«
    Sie kaute schon wieder, und es dauerte einen Moment, bis sie antwortete. »Es hat mit Quantenphysik zu tun«, sagte sie. »Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass Materiekeine perfekten kleinen Sonnensysteme bildet, sondern eher eine Art Wolke, mit dem Potenzial, sich in die verschiedensten Richtungen zu entwickeln. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, was daraus entstehen kann. Abgefahren, was? In der Schule wird Quantenphysik nicht gelehrt, weil man befürchtet, die Kinder könnten es mit der Angst zu tun bekommen. Aber was noch abgefahrener ist … Hast du schon mal von Eugene Wigner gehört?«
    Er schüttelte den Kopf. Nein, hatte er nicht.
    »Das war der Typ, der den Nobelpreis für Quantenphysik bekommen hat. Egal, jedenfalls gehörte er zu den Wissenschaftlern, die behauptet haben, Materie erhalte erst ihre Form, wenn man sie ansehe. Und ich glaube, mit der Zeit verhält es sich genauso.« Sie sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, als erwarte sie etwas von ihm, eine Reaktion, eine Bestätigung dafür, wie
abgefahren
das war.
    »Nita«, sagte er überaus geduldig, aber hoffnungslos, denn er glaubte, seine Befürchtungen würden sich bewahrheiten. »Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest.«
    Sie lehnte sich nach vorn und sah ihn ernst an. »Es kann sehr gut sein, dass Materie erst ihre Form erhält, wenn jemand – ein Mensch – sie ansieht. Und ich glaube, mit der Zeit ist es genauso. Du weißt schon – dass sie formlos ist. Bis wir etwas mit ihr anstellen …« Sie blickte sich um, und ihr schien etwas einzufallen. »Dieser Klops hier …«, sagte sie und zeigte mit der Gabel auf ihren Teller.
    »Der Kabob.«
    »Genau. Der sieht aus wie eine Frikadelle, aber wenn man ihn aufschneidet, wird er zum Kabob. Und die Zeit ist genauso, verstehst du?«
    »Nein«, erwiderte er.
    Sie seufzte. »Okay. Vielleicht sollte ich dir einfach erzählen, wie alles angefangen

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