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Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi

Titel: Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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hat. Aber darf ich bitte vorher aufessen? Das Essen ist einfach genial!«

    Während sie ihre Geschichte erzählte, sah er sie unverwandt an. Er glaubte nicht daran, etwas wirklich Ernsthaftes zu erfahren, und erkannte immer deutlicher, wie jung sie noch war. Ein Kind im Körper einer Frau.
    Sie sagte, als kleines Mädchen sei sie ganz normal gewesen, wobei sie mit Messer und Gabel flüchtig Anführungszeichen andeutete. Sie war als einziges Kind eines Geschäftsmannes und einer Sekretärin in einem Haus in Monte Vista aufgewachsen – eine ganz normale Durchschnittsfamilie. Im Alter zwischen zehn und zwölf hatte sie öfter einmal das Gefühl gehabt, den Anschluss an die Zeit verpasst zu haben. Wenn sie für eine Weile ganz in Gedanken versunken gewesen war und wieder zu sich kam, erschrak sie manchmal, weil sie ein starkes Déjà-vu-Gefühl verspürte oder ahnte, dass ihr Zeitgefühl sie irgendwie im Stich ließ. Als sie fünfzehn war, verlor sie ihre Mutter. Ein Lkw überschlug sich auf nasser Straße, es kam zu einem schicksalhaften Zusammenprall. Nitas Welt zerbrach in tausend Stücke. Sie fühlte sich verloren und vor Kummer wie gelähmt. Sie wäre beinahe zugrunde gegangen, und ihr lieber, guter Vater war zu sehr in seiner eigenen Trauer gefangen, um sie unterstützen zu können. In jener Zeit hatte sie ihre ersten richtigen »Episoden«, wie sie sie bezeichnete, gehabt – in der Schule oder in ihrem Zimmer verlor sie sich ihrem Gefühl nach stundenlang in ihren Gedanken, dochwenn sie wieder zu sich kam, stellte sich heraus, das keinerlei Zeit vergangen war. Sie schrieb diese Erlebnisse ihrem allgemeinen Gefühlschaos zu, ihrem Kummer, ihrer Wut, ihrer Verzweiflung. »Ich dachte eben, ich hätte sowieso den Kontakt zu meiner Umgebung verloren …«
    Ihr Vater schenkte ihr – womöglich als Ausgleich für sein eigenes Versagen – einen Hund, einen kleinen Jack Russel. Sie nannte ihn »Rosti«, nach der Farbe seiner Fellflecken. Das verspielte Tierchen eroberte bald ihr Herz. Es wurde ihr Anker in der Wirklichkeit, ihr fester Boden unter den Füßen, auf dem sie wieder in die geordnete Normalität zurückfinden konnte. Sie liebte ihn über alles.
    Sie war sechzehn, als es geschah. Sie spielte mit dem Hund im Vorgarten, als ein lärmender Müllwagen vorbeikam, der auf den Terrier einen unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte. Er sprang über den niedrigen Gartenzaun und rannte kläffend auf den Müllwagen zu, praktisch genau vor einen herannahenden Nissan-Pick-up. »Und da habe ich die Zeit angehalten«, sagte Nita, als sei es die normalste Sache der Welt. »Alles stand still. Wie bei einem Foto: Man fängt eine Szene in einem bestimmten Augenblick ein. Nichts kann sich bewegen. Ich habe es zuerst gar nicht registriert, als es damals geschah, dafür war ich zu böse auf Rosti. Ich bin über den Rasen gerannt und habe nicht mal bemerkt, wie schwer das Tor plötzlich aufging. Ich stürzte über den Bürgersteig zu Rosti hin und zog ihn ganz knapp vor dem Vorderreifen weg. Ich wollte ihn schimpfen, ihm einbläuen, wie unartig das war, aber da erst habe ich bemerkt, dass ich nichts hören konnte. Ich stand also da auf dem Bürgersteig, den Hund unter dem Arm, und erkannte, dass etwas sehrMerkwürdiges vor sich ging. Alles stand still. Alles. Und ich merkte, dass keine Geräusche wahrnehmbar waren. Wie in einem Vakuum. Es herrschte Totenstille. Nichts rührte sich. Und dann war es, als ließe ich los, als sage mein Kopf, okay, die Dinge können sich wieder bewegen. Da gab es ein lautes Poltern, und alles lief wieder normal.«

    »Superintendent?«
    Er erkannte, dass er sie anstarrte, und entschuldigte sich.
    »Schon okay. Ich würde mich auch ziemlich wundern, wenn mir das einer erzählte. Jedenfalls war das der Anfang. Zuerst war es ziemlich schwierig, diesen Zustand bewusst herbeizuführen. Es klappte nur, wenn ich unter großem Druck stand. Aber dann begriff ich allmählich, wie es funktionierte. Es war genau so, wie du es vor zehn Jahren ausgedrückt hast: ›Man kann kraft seines Geistes bestimmte Geschehnisse beeinflussen und Ereignisse auslösen.‹ Weißt du eigentlich, wie ich dich gefunden habe? Ich habe gegoogelt, zuerst nur auf Englisch, zum Beispiel
time standing still, controlling time
und so weiter, aber nur eine Menge Mist zur Antwort erhalten. Bis ich vor zwei Monaten
Geschehnisse beeinflussen
und
Ereignisse auslösen
auf Afrikaans eingegeben habe und auf deinen Artikel gestoßen bin. Kann ich

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