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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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junger Mann mit klaren Zügen und kräftigem Kiefer namens Chandler – auf Emily, überhäuften sie mit Komplimenten für Kein Bargeld und beteuerten, dass es einen wunderbaren Film geben würde. Für den winzigsten Bruchteil einer Millionstel Sekunde war ich begeistert, dann dämpfte ich meine Erwartungen.
    Wir setzten uns an den Tisch, und Larry zog ein Exemplar des Drehbuchs hervor. Als es sich von selbst aufblätterte, sah ich, dass ein Absatz nach dem anderen, manchmal ganze Seiten, mit Rotstift durchgestrichen waren. Ich kann mein Gefühl kaum beschreiben: Ich hatte das Drehbuch nicht geschrieben und hatte also nicht die gleiche Verbindung dazu wie Emily,
aber mir wurde trotzdem ganz anders. Irgendwie musste ich plötzlich daran denken, dass man jemanden im Gefängnis besucht und Spuren von Folter an ihm entdeckt.
    Michelle teilte Photokopien von Kein Bargeld an die Anwesenden aus, und Larry eröffnete die Besprechung. »Also gut, jetzt wollen wir mal sehen, ob wir daraus was machen können! Als Erstes müssen die Passagen mit den Schönheitsoperationen gestrichen werden. Zu unheimlich, zu gewagt.«
    »Aber darum geht es doch gerade«, erklärte Emily in aller Ruhe. »Es geht um die Fixierung unserer Gesellschaft auf den schönen Körper, die hier erforscht wird, und um ein Hinterfragen unseres Wertesystems –«
    »Also, mir gefällt das nicht. Wir streichen das. Komplett!«
    Vor Schock fiel mir der Kiefer herunter. Ich hatte schon gehört, dass Studios manchmal Drehbücher kauften und sie dann komplett ummodelten, aber ich hatte geglaubt, dass bei solchen Schilderungen übertrieben wurde, um Mitleid zu erwecken oder um Lacher zu erzielen. Offenbar nicht.
    Emily schluckte und fragte dann: »Was ist denn dann die Motivation dafür, dass sie die Bank ausrauben wollen?«
    Larry lehnte sich über den Tisch und sagte in einem Singsang: »Das weiß ich doch nicht. Ich bin ja nicht der Autor!«
    Emily wurde blass.
    »Wie wär’s mit einem blinden Mädchen, dessen Sehvermögen mit einer Operation wiederhergestellt werden kann?«
    Larry schnipste mit den Fingern. »Das gefällt mir!«
    »Oder wir nehmen eine Gruppe unterprivilegierter Kinder«, sagte Maxine, »auf deren Sportplatz eine große Firma Wohnungen errichten will, und die Kinder brauchen das Geld, um den Platz zu kaufen?«
    »Jaha«, sagte Larry nachdenklich, »das könnte gehen.«
    »Wenn keine Schönheitsoperationen vorkommen, muss der Titel geändert werden«, warf Emily etwas schrill ein. »Kein Bargeld ist dann sinnlos.«
    »Ja, Sie haben Recht. Wir ändern den Titel, der Film heißt jetzt Der Hund Chip .«
    Während die Diskussion weiterging, verharrte Emily in eisigem Schweigen. Ich hatte Anweisungen, nicht zu sprechen,
aber selbst wenn ich etwas hätte sagen wollen, hatte ich keine Lust dazu – eine kräftige Mischung aus Niedergeschlagenheit und Langeweile hatte mir die Sprache verschlagen.
    Larry verkündete, dass wir »durchmachen« würden, und um halb eins wurde ein enormes Buffet gebracht, von dem eine ganze Kompanie satt werden könnte, und hübsch – und sehr schnell – auf einem Tisch in der Ecke aufgebaut.
    Ich hatte einen Riesenhunger, aber alle anderen nahmen sich nur winzige Häppchen – eine Nudel, eine halbe Cocktail-Tomate, einen Löffel Reis, ein Rucolablatt. Wir würden also wenig, aber dafür mehrmals nehmen, na gut, das war mir recht …
    Wir setzten uns wieder und Larry forderte weitere Vorschläge ein, und erst nach einer Weile fiel mir auf, dass ich die Einzige war, die alles aufgegessen hatte, und niemand Anstalten machte, noch einmal zum Buffet zu gehen. Ich mahnte mich zur Geduld; vielleicht waren sie langsame Esser … doch dann wurden die Teller zur Seite geschoben, damit mehr Platz für das Drehbuch war. Der Lunch war vorbei.
    Vorbei, bevor er begonnen hatte, und ich hatte solchen Hunger.
    Ich überlegte, ob ich einfach aufstehen und mir nehmen sollte. Aber alle anderen saßen auf ihren Plätzen und waren in die Arbeit vertieft. Konnte ich aufstehen, mir den Teller beladen und ihn dann leer essen? Was würden die anderen von mir denken?
    Verlangend sah ich zu dem Buffet hinüber. Der Tisch bog sich förmlich unter dem Gewicht der unverspeisten Köstlichkeiten. Eine ganze Quiche – unangetastet. Eine Pizza – das perfekte Rund intakt.
    Es war die Pizza – ich konnte ihr nicht widerstehen. Plötzlich schob ich meinen Stuhl zurück und stand auf. Larry Savage sah mich überrascht an. »Was haben Sie

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