Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
du, dass es nur ein Witz ist«, begann sie mit schwacher Stimme.
»Das werde ich nicht tun«, gab ich entschieden zurück. Es war furchtbar, dass ich ihr das antat, besonders, dass ich nun die zweite Tochter mit einer gescheiterten Ehe war, aber es war wichtig, sie nicht zu täuschen. Eine falsche Hoffnung war schlimmer als keine Hoffnung.
»Aber«, sagte sie und rang nach Atem, »aber du warst immer die Brave. So sag doch was«, wandte sie sich wütend an meinen Vater.
Widerstrebend kam er hinter der Zeitung hervor, die er wie einen Schild vor sich hielt. Seine Augen waren vor Entsetzen geweitet. »Das verflixte siebte Jahr«, sagte er vorsichtig.
»Blondinen bevorzugt «, hielt Helen dagegen, dann stieß sie Anna an, die einen Moment lang nachdachte und sagte: »Nicht gesellschaftsfähig .«
»Das trifft auf dich selbst zu«, sagte Helen schneidend und sah dann mit verächtlicher Miene die Zeitung an. »Siehst du Dad? Uns fällt allen ein Film mit Marilyn Monroe ein, aber hilft das was?«
»In Wirklichkeit bin ich schon neun Jahre verheiratet«, sagte ich leise zu Dads Zeitung. Er meinte es nur gut.
»Das ist ein furchtbarer Schock für mich«, sagte Mum.
»Ich dachte, ihr würdet euch freuen, wo ihr Garv so hasst.«
»Ich weiß, aber –« Mum unterbrach sich. »Lass den Unsinn. Wir hassen ihn gar nicht.«
Aber sie hassten ihn wohl – alle außer Claire. Sie hatte ihn kennen gelernt, als sie als Teenager ein Geplänkel mit seinem älteren Bruder hatte (der, um Verwirrung zu stiften, auch Garv heißt). Sie war immer der Meinung gewesen, mein Garv sei süß, besonders, nachdem er ihren Kassettenrekorder repariert hatte. (Man sollte sie allerdings lieber nicht zu dem älteren Garv befragen.) Doch obwohl Claire meinen Garv billigte, stand er – wofür ihn keine Schuld traf – bei meiner Familie in dem Ruf, knausrig zu sein.
Der Vorwurf der Knausrigkeit kam gleich an dem Abend auf, als ich ihn meiner Familie offiziell vorstellte. Garv war eine Weile lang eine Randerscheinung gewesen, doch dann war mir bewusst geworden, dass es mir mit ihm ernst war und es an der Zeit war, ihn bei meiner Familie einzuführen. Bei dieser besonderen Gelegenheit gingen wir zu Phelan’s, unserem Pub an der Ecke, und es ist eine allseits bekannte Tatsache, dass Garv an jenem Abend keine Runde bezahlte.
Keine Runde zu bezahlen ist in den Augen meiner Familie eine Todsünde, und jeder versucht, alle anderen an Großzügigkeit und Zechfestigkeit zu überbieten. Jedesmal kommt es fast zu Handgreiflichkeiten, wenn zwei gleichzeitig versuchen, als Erster zur Bar zu gelangen.
An dem fraglichen Abend war Garv überaus bereit, eine Runde für meine Familie zu bezahlen, aber er war nervös und viel zu sanftmütig, um sich mit ihnen anzulegen. Sobald jemand sein Glas zur Hälfte geleert hatte, sprang er auf, griff in die Hosentasche, holte das Geld heraus und fragte: »Noch mal das Gleiche?« Doch jedesmal, wenn er das tat, sprangen alle anderen auch auf und riefen, er solle sich hinsetzen und sein Geld einstecken, oder wolle er uns beleidigen? Ich selbst stimmte mit ein und ließ mich von dem allgemeinen Gefühl anstecken. Von den auf ihn niederhagelnden Wortkaskaden eingeschüchtert, setzte Garv sich wieder auf seinen Stuhl.
Das Ergebnis des Abends sah so aus: Dad bezahlte die erste Runde, dann bezahlte Rachel eine, dann ich, dann Anna, und dann wieder Dad. Und Garv handelte sich den Ruf ein, knausrig zu sein.
Unmittelbar auf dieses Fehlurteil folgte der Polohemd-Vorfall. Eine Geschichte, die glücklich begann und tragisch endete. Eines Samstagnachmittags schlenderten Garv und ich durch die Stadt und gingen etwas lustlos in verschiedene Bekleidungsgeschäfte. Weil Garv gerade ein Auto gekauft hatte, war das Geld knapp, und wir hielten Ausschau nach Schnäppchen. Oder besser noch, nach Dingen, die es umsonst gab. Da entdeckten wir aus reinem Zufall, ganz unten in einer Kiste mit Sonderangeboten, ein Polohemd. Zu unserer Überraschung zeitigte es keine der Merkmale, die üblicherweise Sonderangebote so an sich haben, zum Beispiel drei Ärmel oder kein Halsloch oder grellgrüne Flecken, die kein Fleckenentferner entfernt. Im Gegenteil, es war perfekt: die richtige Größe, der richtige Preis und von einer Farbe wie helles Eis, bei der Garvs Augen blau aussahen, obwohl sie normalerweise grau waren.
Erst als wir zu Hause waren, fiel uns auf, dass das Hemd oberhalb der Brusttasche ein kleines Logo hatte – der winzige Umriss von
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