Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
deinem Skript weiter, dann geht es dir besser.«
Emily hatte immer gern viel gearbeitet, und obwohl sie jetzt behauptete, sie mache mit dem neuen Drehbuch keine Fortschritte, wusste ich, dass sie sich mit Gewissensbissen plagen würde, wenn sie nicht daran arbeitete. Auch am Abend zuvor hatte sie noch weitergemacht.
Allerdings schrieb sie nicht nur an ihrem Drehbuch, sie verbrachte auch ihr halbes Leben mit Telefonieren, und dabei sprang sie von einem Gespräch zum anderen, wie ein Jongleur, der mehrere Bälle im Spiel behält. So etwas wie ein kurzes Telefongespräch kannte sie nicht.
Connie, die ich immer noch nicht kennen gelernt hatte, telefonierte ständig mit Emily und erzählte ihr von all den Schwierigkeiten bei den Hochzeitsvorbereitungen – mit den Blumen, mit der Catering-Firma, mit den Kleidern für die Brautjungfern … Mir wurde ganz elend, wenn ich es nur hörte; ich wollte nicht, dass die Leute heirateten, ich wollte, dass alle sich scheiden ließen, auch die, die nicht verheiratet waren, denn ich wollte nicht, dass sich mein Leben als Einziges wie ein außergewöhnliches Scheitern anfühlte.
Die neueste Katastrophe im Zusammenhang mit Connies Hochzeit betraf ihre Flitterwochen. Der Ferienort, den sie sich für ihre Hochzeitsreise ausgesucht hatten, war – in einem merkwürdigen Fall, wo das Leben die Kunst nachahmte – von aufrührerischen militanten Einheimischen besetzt worden, die sieben Feriengäste als Geiseln genommen hatten. Connies Reisebüro weigerte sich, ihr die Anzahlung für die Reise zu erstatten, und obwohl Emily keinen blassen Schimmer von der Rechtslage hatte, bedrängte sie Connie, Klage gegen das Reisebüro zu führen. »Du hast doch auch Rechte; wen interessiert das denn schon, ob das im Vertrag steht oder nicht. Warte mal, da ist jemand auf der anderen Leitung …«
»Bis später«, sagte ich und warf ein Buch in meine Strandtasche.
»Kommst du auch klar?«, fragte Emily.
»Ja.« Also, einigermaßen wenigstens – ich war seit drei Tagen in Los Angeles und hatte Garv kein einziges Mal angerufen. Zweimal hatte mich der Drang gepackt, aber beide Male war es in Irland mitten in der Nacht gewesen, so dass ich das Bedürfnis gerade noch unterdrücken konnte.
»Du bist schon ganz schön braun«, sagte Emily, die im Schneidersitz auf der Couch saß und den Laptop anstellte. »Fahr vorsichtig.«
Auf dem Weg zu meinem Wagen sah ich das New-Age-Paar von nebenan, das offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit war. Ein ungleiches Paar: Sie war Afro-Amerikanerin, eine stolze und anmutige Erscheinung, mit einem schwanengleichen Hals und eingeflochtenen Kunstzöpfen, die bis zu den Ellbogen reichten. Er hingegen sah aus wie Bill Bryson: bärtig, glatzköpfig, bebrillt, irgendwie ein lustiger Typ. Ich nickte ihnen zu. Lächelnd kamen sie auf mich zu und stellten sich vor: Charmaine und Mike. Sie waren ganz angenehm und erwähnten meine Aura mit keinem Wort.
Ich verabschiedete mich und wandte mich zum Gehen, da sah ich einen der Nachbarn von der anderen Seite, der für sich und seine Mitbewohner Kaffee gekauft hatte, sofern das Starbucks-Tablett, das er trug, darauf schließen ließ. »Hi«, rief er mir zu und schritt, bekleidet mit an den Knien abgeschnittenen Jeans und einem zerrissenen Unterhemd, eilig zu seinem Haus. Auch wenn Emily mir nicht erzählt hätte, dass das Haus von Studenten bewohnt war, hätte ich den jungen Mann mit seinem rasierten Schädel, mehreren Gesichtspiercings und dem auffälligen Gesichtshaar nicht für einen Versicherungsvertreter gehalten. In den wenigen Tagen seit meiner Ankunft in Los Angeles war ich zu dem Schluss gekommen, dass das Haus nebenan eine Anlaufstelle für Anonyme Ziegenbärte sein müsste. Mir kam es vor, als wäre es von Dutzenden von jungen Männern bewohnt – obwohl Emily gesagt hatte, es seien nur drei –, die alle ähnliche Bärte trugen: Bei manchen waren es nur ein paar Kinnflusen, andere, offenbar die Dogmatischeren
unter ihnen, wie auch dieser Typ, trugen gepflegte Minibärte im Fu-Manchu-Stil.
Vor ihrem Haus stand ein langer, niedriger, orangefarbener Wagen. Er sah so abgewrackt aus, dass ich dachte, er sei reif für den Schrottplatz, aber Emily hatte mir erklärt, er gehöre den Jungen. Sie hatten nur zweihundert Dollar dafür bezahlt, weil sich keine der Türen öffnen ließ und die Fenster als Ein- und Ausstieg dienten. Sie nannten ihn ihr Dukes-of-Hazzard-Gefährt.
»Hallo«, sagte ich und stieg in mein Auto.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher