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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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waren immer noch Leute da, die auf den Laufbändern ins Nichts liefen.

10
    D er nächste Tag war ein Samstag, und meine Arbeitsmoral erlaubte mir, dass ich mich ein wenig entspannte. Heute konnte ich ganz legitim zum Strand gehen und mich in die Sonne legen, ohne mich wie jemand zu fühlen, der die Arbeit scheute und bald ertappt werden würde.
    Seit David Crowes Anruf war Emily wie ausgewechselt. Ihre Lethargie der Hoffnungslosigkeit war verflogen, stattdessen war sie aufgedreht und unternehmungslustig. Nach dem Frühstück kletterten wir in ihr Auto und fuhren die zwei Blocks zum Supermarkt, der die Größe eines Flugzeughangars hatte. Aus meiner Zeit in Chicago wusste ich schon, wie wunderbar amerikanische Supermärkte waren, aber ich konnte mich nicht an eine so umwerfend große Auswahl an fettfreien Produkten erinnern, wie es sie hier gab. Überall verkündeten die Verpackungen, dass der Inhalt »0% Fett« habe, und drängten sich mir auf. Natürlich war ich inzwischen von dem Schönheitskult angesteckt, so dass ich um die Berge von Doughnuts und die Truhen mit Eis, die zwischendrin auftauchten, tugendhaft einen Schlenker machte und stattdessen Blaubeeren und Salat und Sushi in den Wagen lud. Und natürlich Wein. Emily bestand darauf. »Ich muss gut zu mir sein, dies ist eine wichtige Zeit für mich«, sagte sie und stellte mehrere Flaschen Wein in unseren Einkaufswagen.
    Als wir unsere Einkäufe zum Wagen schoben, rief jemand: »He, ihr da!« Ich drehte mich um und sah einen schmutzigen,
bärtigen, zerlumpten Mann. »He, ihr beiden, hört mal zu!«, rief er böse. »Eine Leiche liegt unter der Feuertreppe. Männlich, weiß, Mitte dreißig.«
    »Was hat der?«, fragte ich nervös.
    »Er ist immer da.« Emily beachtete ihn gar nicht. »Er brüllt immer rum, irgendwelche verrückten Sachen. Er ist total übergeschnappt, der Arme, aber harmlos.«
    Wir waren kaum zu Hause und hatten unsere Einkäufe ausgepackt, als Lara zur Tür hereingestürmt kam und sich Emily so heftig an den Hals warf, dass die beiden durch das halbe Zimmer rutschten. »Du bist großartig!«, rief sie. »Ich bin so glücklich, dass das mit der Präsentation klappt.«
    Offenbar war sie in der Gegend, weil ihr Yogilates-Kurs (weiß der Himmel, was das war) in der Nähe stattfand. Sie überhäufte Emily mit Blumen und einer Glückwunschkarte und einem indianischen Irgendwas, um die gute Nachricht zu feiern.
    Dann drehte sie sich um, entdeckte mich und rief: »Was sehe ich? Du bist wunderbar braun. Die ganze Zeit am Strand?«
    »Ja«, sagte ich verlegen, ich fühlte mich geschmeichelt von ihrer Bewunderung. Es tat gut, so etwas von ihr zu hören, einem wandelnden Lichtstrahl. Lara trat näher an mich heran und sagte nachdenklich: »Weißt du, du hast ganz wunderhübsche Haare.«
    Langsam gewöhnte ich mich an die Ausdrucksweise in L.A. Wenn man jemand sagte, dass etwas »ganz toll« war, dann war es in Wirklichkeit eine Kritik. »Dein Drehbuch ist ganz fantastisch«, – aber kaufen wollen wir es nicht. »Deine Freundin, mit der ich mich neulich getroffen habe, war ganz wunderbar«, – aber ich habe mich mit ihr schrecklich gelangweilt und hoffe, ich muss sie nicht wiedersehen.
    Deshalb war ich, als Lara meine Haare ganz wunderhübsch fand, nur einen kurzen Moment lang geschmeichelt und dann nicht mehr.
    »Ganz wunderhübsch«, wiederholte sie. »Aber deine Fransen (sie meinte meinen Pony) sind zu lang. Hallo«, sagte sie leise lachend und strich mir mit ihren langen Fingernägeln
die Haare aus den Augen. »Ist jemand da? He, da ist sie ja!«
    »Hi.« Sie stand so nah vor mir, dass ich ihre Kontaktlinsen sehen konnte.
    »Weißt du was?« Während sie überlegte, nahm sie das Ende einer dicken Strähne und wog sie in ihrer Handfläche. »Wir müssen mit dir zu meinem Friseur. Dino ist der allerbeste. Ich rufe ihn sofort an.«
    Und schon griff sie nach ihrer Handtasche und kramte darin herum, und ich atmete auf. Sie hatte so nah vor mir gestanden, und ich hatte mich nicht getraut, mich zu bewegen, schließlich war sie eine Lesbe. Bei jedem anderen hätte ich einen Schritt zurück gemacht, kein Problem, aber ich wollte bei ihr nicht den Eindruck erwecken, dass mir in ihrer Nähe unwohl sei, wo sie doch eine Lesbe ist. Politische Korrektheit ist ein absolutes Minenfeld.
    Sie hatte ihren Palm-Pilot in der Hand, tippte die Nummer auf ihr kleines Mobiltelefon und sprach. Hier wird nicht lange gefackelt, hier machen sie alles schnell.
    »Dino? Küsschen,

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