Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
fortzulaufen, dorthin, wo ich ihn sicher in einem Käfig einschließen konnte. Er war so niedlich, wie ein junger Hund.
»In der Küche gibt es was zu trinken. Bedient euch ruhig.«
»Ich hol uns was«, sagte Troy und ging davon, so dass ich mit Cameron Myers allein blieb.
»Vielleicht wissen Sie, wie man das macht?« Er zeigte hilflos auf die synthetischen Pressholzscheite, die zu seinen Füßen lagen.
»Ehm … ja, das ist ganz leicht.«
»Ich mag ein echtes Feuer. Das hat etwas Heimeliges. Würden Sie mir bitte helfen?«
Was sollte ich dazu sagen? Es war Juli. Wir waren in Los Angeles. Draußen waren über dreißig Grad.
Aber er war Cameron Myers, und er wollte ein Kaminfeuer.
»Na klar.«
Nachdem das Feuer in Gang gekommen war und Cameron bei der Rezeption Marshmallows bestellt hatte, reichte Troy mir einen Martini-Cocktail und sagte: »Ziemlich beeindruckend, was?«, und machte mit mir eine Besichtigungstour. Die Wohnung war enorm. Das »Empfangszimmer« (wie es hier heißt) war bestimmt fünfundzwanzig Meter lang, und dazu gab es drei riesige Schlafzimmer, in denen so viel blendend weiße Bettwäsche lag, dass einem beim Anblick die Augen weh taten. Es gab eine Küche, ein Büro, zahllose Badezimmer, sogar einen Filmvorführraum. Überall lagen weiche weiße Kaschmirdecken und weiße Wildlederkissen, und weiße Porzellanvasen standen herum. Vielleicht hatte es ein Gutes, dass Emily nicht gekommen war, sie wäre womöglich versucht gewesen, ein paar Sachen mitgehen zu lassen.
»Wer sind die anderen Gäste?«, flüsterte ich. »Ist jemand Berühmtes dabei?«
»Ich glaube nicht. Möchtegerne, ja sicher, Moschas –«
»Moschas?«
»Model-Schauspielerin. Pass auf, ich zeig dir jetzt was.« Er machte die Tür zu einem Dachgarten auf.
»Mann.« Wir traten in die schwüle Nacht hinaus – viel heißer als die klimatisierten Räume – und wurden umfangen von dem schweren Duft der Blumen. Es gab ein Warmwasserbecken, das in der Dunkelheit dampfte. Doch berauschender als alles andere war der Blick.
»Kein Smog heute«, sagte Troy, als wir ehrfurchtsvoll ans Geländer traten und über die Stadt blickten. In der Tiefe sahen wir hübsche Häuschen im spanischen Stil, ordentlich geparkte Autos, die gefächerten Kronen der Palmen und das juwelenhafte Funkeln von Swimmingpools, die von unten beleuchtet waren. Sie waren wie Sterne – erst sah ich nur einen, dann einen zweiten, und plötzlich sprangen sie überall hervor, und es waren so viele, dass man sie nicht zählen konnte. Sie waren wie Tupfer, nah und fern, bis sie zu weit weg waren und nicht mehr zu erkennen. Jenseits der unmittelbaren Nachbarschaft lag Los Angeles, die Megalopolis, in einem Kästchenmuster von Weihnachtslichterketten ausgebreitet, eine Stadt der Zukunft, die sich meilenweit erstreckte, bis sie am Horizont in einem Nebel aus elektrischem Licht verschwamm.
Das Seltsame war, dass ich keinen einzigen Menschen sehen konnte, aber sie waren da – unzählige Hoffnungsvolle, die sich in dem Kästchenmuster verfangen hatten, wie Fliegen in einem Spinnennetz. Bis in die Unendlichkeit spürte ich das kollektive Gewicht all der Träume auf diesem Lichternetz: die der schönen jungen Mädchen, die kellnerten und auf ihre Chance warteten, die der aufstrebenden Schauspieler, der Drehbuchautoren und Regisseure, die aus allen Ecken der Welt in diese der Wüste abgerungene Stadt geströmt waren, hunderttausende, und jeder Einzelne von ihnen hoffte, dass er zu den wenigen gehören würde, die den Durchbruch schafften. Welche Sehnsucht, welch hartnäckige Entschlossenheit. All das sah ich fast bildlich vor mir, wie Dampf, der in die Nachtluft aufstieg.
»Ergreifend, wie?« Troy zog seine Mundwinkel nach unten.
»Beängstigend.«
»Stimmt. Sollen wir uns setzen?«
Man konnte zwischen Korbstühlen und exklusiven Strandliegen mit mindestens zwanzig Abstufungen für die Rückenlehne wählen, aber Troy fand: »Das ist genau das Richtige für uns«, und zeigte belustigt auf eine altmodische Hollywood-Schaukel, die mit Seilen an einem querlaufenden Balken aufgehängt war.
Zuerst hatte ich Bedenken, dass die Seile unser Gewicht nicht aushalten würden (oder vielmehr mein Gewicht. Kann man sich vorstellen, wie peinlich es wäre, wenn ich mich hineinsetzte und die ganze Angelegenheit zu Boden krachte?). Doch dann war ich begeistert. Wir setzten uns jeder an ein Ende und machten es uns auf den Polstern bequem, und unsere Füße berührten sich
Weitere Kostenlose Bücher