Autobiografie einer Pflaume - Roman
Lehrerin sich auf den Stuhl mit dem Kaugummi von Grégory gesetzt hat und alle die Strafarbeit machen mussten, weil keiner Grégory verpetzen wollte, dem hinterher seine Sammlung von Aufklebern geklaut worden ist, und Mama hat gelacht und ich auch. Sie hat schon mal ein Bierchen getrunken, aber nicht eins nach dem anderen. Bevor sie sich vor den Fernseher gesetzt hat, hat sie mir bei den Hausaufgaben geholfen, und ich habe nicht dauernd dem Sohn vom Nachbarn aus dem Fenster zugeschaut, und ich hatte in der Schule bessere Noten, und sie hat nicht dauernd rumgebrüllt.»
«Ist es danach schlechter geworden, mein Junge?»
«Ja, da hat sie viel Bier getrunken und die ganze Zeit ferngesehen und den Fernseher gar nicht mehr ausgeschaltet, und ihr alter Morgenmantel hatte lauter Flecken, und ihre Pantoffeln hatten lauter Löcher, damit ihre Fußzehen an die Luft kommen. Sie hat sich nicht mehr darum gekümmert, ob ich meine Schulaufgaben gemacht habe, und hat sich nicht mal für meine Noten interessiert, und der Elternabend war ihr piepegal, da ist sie nie hingegangen. Wenn sie rumgebrüllt hat, und das hat sie die ganze Zeit getan, gab es oft gar keinen Grund, nicht mal irgendeine Dummheit von mir, und sie hat gebrüllt, als würde ich schlecht hören, und dabei war niemand im Haus außer uns beiden, und deshalb bin ich oft auf den Speicher gegangen, wo ich Ruhe hatte wegen ihrem kaputten Bein. Sie hat dann geschrien: ‹Pflaume! Zwing mich nicht, nach oben zu kommen!›, aber ich wusste ja, dass sie das gar nicht konnte, und habe nicht geantwortet und mit den Äpfeln Fußball gespielt.
Dann hat sie noch lauter geschrien: ‹Du kleiner Schweinehund, du wirst dir eine Abreibung einfangen, die sich gewaschen hat›, und ich habe auf dem Speicherboden geschlafen, damit sie es bis zum nächsten Tag vergisst. Am nächsten Morgen habe ich mich dann ohne Frühstück in die Schule verdrückt, und am Abend bin ich mit einem Strauß Wiesenblumen zurückgekommen, die ich unterwegs gepflückt habe. Mama sagte dann: ‹Oh, wie lieb von dir, Pfläumchen, so schöne Blumen. Da hast du sicher etwas angestellt›, und ich habe mit dem Kopf genickt, und im nächsten Augenblick hatte sie mir eine Ohrfeige verpasst, dass man die einzelnen Finger auf meiner Backe zählen konnte. Ich habe mir das Gesicht gerieben und sie angeschaut wie der Cowboy die Rothaut, bevor er sie skalpiert, habe meine Tränen runtergeschluckt und die Fäuste geballt und gesagt: ‹Nimm dich in Acht, oder ich skalpier dich›, und Mama hat die Augen verdreht und zur Zimmerdecke gesagt: ‹Das kann doch nicht wahr sein, dieser Junge ist keine Pflaume, sondern eine Flasche›, und dann hat sie Wasser in die Vase für die Blumen gefüllt und dabei eine Melodie von Céline Dion gesummt. So ist meine Mama. Manchmal schreit sie rum und vergisst, warum sie schreit, und singt, oder sie schaut fern, und dann gibt es mich nicht mehr.»
«Was willst du damit sagen?»
«Wenn sie mir etwas zu sagen hatte, hat sie es zum Fernseher gesagt. Wenn ich aus der Schule kam, hockte Mama in einem alten Sessel, die Fernbedienung in der einen Hand und die Bierdose in der anderen. Sie sagte zum Fernseher: ‹Geh dir die Hände waschen› oder: ‹Worauf wartet dieser Trottel, bevor er sie küsst› oder: ‹Hol mir ein Neues aus dem Kühlschrank› oder: ‹Diese Nutte zieht sich an wie eine Nutte›. Ich habe mir die Hände gewaschen. Ich habe die leere Bierdose abgeholt und ihr eine neue gebracht. Ich bin in mein Zimmer gegangen und habe meine Hausaufgaben gemacht, um der Lehrerin eine
Freude zu machen, und ansonsten habe ich aus dem Fenster dem Sohn vom Nachbarn zugeschaut, der sich zusammen mit den Schweinen im Dreck gewälzt hat, und ich habe ihn beneidet. Manchmal bin ich wieder runtergegangen, und Mama war vor dem Fernseher eingeschlafen und hatte lauter leere Bierdosen auf dem Boden stehen. Wenn ich den Fernseher ausgeschaltet habe, ist sie wach geworden und hat mir eine verpasst, und deshalb habe ich den Fernseher nicht mehr ausgeschaltet, sondern nur die leeren Dosen eingesammelt, ohne Lärm zu machen, habe sie in den Abfalleimer geworfen und bin wieder nach oben gegangen.»
«Und hast du auch ferngesehen?»
«O ja, Fernsehen ist super. Am liebsten mag ich Nachrichten, das ist wie ein Film mit lauter Katastrophen, der nicht lange dauert, und deshalb schläft man dabei nicht ein. Und danach gibt es die Schlechtwetternachrichten. Die Ansagerin sagt Regen, Stürme und Unwetter
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