Autobiografie einer Pflaume - Roman
lustig:«Dir sitzt ja eine Fliege auf der Nase», und ich ziehe ihn an den Haaren, und er sagt:«Das habe ich nur zum Spaß gesagt», und ich sage:«Ich habe es auch nur zum Spaß gemacht.»
Raymond hat einen Grashalm gepflückt und sich zwischen die Zähne gesteckt.
«Hättest du Lust, ab und zu mit zu mir nach Hause zu kommen? »
Ich sehe ihm zu, wie er seine Brieftasche mit dem Foto von Victor in die Tasche hinten an seiner Hose steckt, und ich sage:«Ja, das hätte ich», und er drückt meine Hand, dass es wehtut.
«Ich werde mit deiner Heimleiterin sprechen.»
Und ich denke mir, dass Victor ihm zu brav ist und er offenbar einen Teufelsbraten wie mich braucht.
Wir setzen uns am Flussufer ins Gras.
«Ist dir nicht kalt?», fragt Raymond.
«Nein.»
Und er zieht seine Jacke aus und wickelt sie um mich.
Manchmal hören die Erwachsenen einem einfach nicht zu.
Als er mich das erste Mal in dem Heim besucht hat, war es ganz komisch, ihn ohne seine Kappe und seine Uniform zu sehen. Man sieht sofort, dass er sonst eine Kappe aufhat, weil an seiner Stirn immer ein Strich ist, der nicht weggeht, aber am Anfang wollten Simon und Ahmed mir nicht glauben, dass er ein Gendarm ist. Und dann haben sie das Auto mit der blauen Büchse gesehen, und seitdem fürchtet Ahmed sich vor Raymond. Simon hat mir gesagt, dass es wegen seinem Papa ist, der festgenommen wurde, und ich habe Ahmed gefragt, ob das stimmt.
«Ahmed sagt, die Gendarmen wären gemein», sage ich zu dem Gendarmen.
«Nicht alle sind gemein, und manchmal ist es schwierig, jemanden festzunehmen, wenn die Kinder dabei sind, aber wenn man jemanden festnimmt, ist es zu seinem Besten, und manchmal hat man keine andere Wahl.»
Und er kratzt sich am Kopf.«Die Kinder haben keine Wahl, wenn ihr Vater Einbrecher oder Schlimmeres ist, aber sie müssen immer die Rechnung für das zerschlagene Geschirr bezahlen.»
Ich frage mich, warum der Papa für zerschlagenes Geschirr ins Gefängnis kommt.
Und dann unterhalten wir uns über Bösewichter, und es wird allmählich kalt, und wir gehen zurück.
Raymond drückt mich an sich und sagt zu mir:«Sei ein braver Junge», und ich gebe ihm seine Jacke zurück, und er zwickt mich in die Backe, bevor er geht.
Ich stehe oben an der Treppe, als ich einen Wagen hinter mir vorfahren höre, und ich drehe mich um, weil Raymond manchmal zurückkommt und mich noch einmal in die Arme nimmt, aber auf dem Wagen ist keine blaue Büchse.
Ich sehe, dass eine Dame mit einem kleinen Mädchen aussteigt, das mich anschaut, und mir ist ganz komisch zumute, als könnte ich nicht wegsehen, und die Dame zieht am Arm des Mädchens:«Jetzt komm endlich», und wir sehen uns noch immer mit weit aufgerissenen Augen an.
Die Dame tut so, als wäre ich Luft.
Sie geht an mir vorbei und stößt die Tür auf und zieht mit der anderen Hand das Mädchen hinter sich her.
Die Tür geht zu, und es kommt mir vor, als hätte das Mädchen mir zugezwinkert, bevor es verschwunden ist.
Das kleine Mädchen heißt Camille.
Ich denke an Camille, selbst wenn sie nicht da ist.
Wenn sie mich ansieht, werde ich so rot wie eine Erdbeere.
Sie kommt mir vor wie eine Wiesenblume, die man nicht pflücken will, weil man Angst hat, sie zu beschädigen.
Sie schläft im selben Zimmer wie Béatrice und Alice.
In der Küche setzt sich Alice ihr auf den Schoß und streicht sich die Haare mit einer Hand aus dem Gesicht, um sie mit dem Blick ihrer schwarzen Augen zu verschlingen, und lutscht dabei am Daumen der anderen Hand.
Béatrice hat Camille sogar ihre Nasenpopel angeboten, aber Camille hat«Nein, danke»gesagt, und sie hat es so nett gesagt, dass es wie das Gegenteil geklungen hat.
Zuerst hat Simon natürlich versucht, den großen Maxe vor ihr zu markieren. Er hat gesagt:«Du bist für mindestens drei Jahre dran»und:«Du wärst gut beraten, mir beim Frühstück die Brote zu schmieren.»
Und Camille hat geantwortet:«Lieber bleibe ich hier hundert Jahre als eine Sekunde länger bei Tante Nicole. Und was deine Frühstücksbrote angeht, wärst du gut beraten, sie selber zu schmieren, weil ich sonst das Messer nehme und dich in kleine Stücke schneide.»
Seitdem schmiert Simon ihr die Frühstücksbrote.
Ahmed heult, weil er nie neben Camille sitzen darf, und als Jujube ihr sein Pflaster am Finger zeigt, sagt sie:«Du Armer, das muss ja schrecklich wehtun», und Jujube schaut uns an, als wären wir Unmenschen.
Sogar Boris hat sich das Pflaster von der Nase
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