Autobiografie einer Pflaume - Roman
abgemacht, nur dass es bei ihm echt war, und Camille hat ihm einen Kuss auf die Kruste gegeben, und Boris ist genauso rot geworden wie ich.
Antoine hat sein T-Shirt hochgehoben, um ihr zu zeigen, wie sie ihm nach einer«Appendizitis»(noch so ein Wort für das
Wörterbuchspiel) den Bauch wieder zugenäht haben, und Rosy hat gesagt:«Jetzt reicht es langsam mit diesem Zirkus!», und wir haben uns alle an den Tisch gesetzt, weil wir irre Hunger hatten.
Camille hat mir ins Ohr geflüstert:«Und du, Pfläumchen, hast du kein Wehweh, das du mir zeigen willst?», und ich habe ihr mein Muttermal gezeigt, und sie hat mir einen Kuss auf die Nase gegeben und hat mich mit ihren irre grünen Augen angeschaut, und ich habe den Mund aufgemacht, aber es ist nichts rausgekommen.
Am Mittwoch spielt Camille nicht mit Puppen oder mit Anziehsachen, sondern Fußball mit den Jungen.
Sie hat die Puppe, die Madame Papineau ihr am ersten Abend geschenkt hat, aber mit der spielt sie nicht.
Zuerst fanden wir das ganz schön komisch, vor allem Eierkopf, der gefragt hat:«Kannst du das überhaupt?», und Camille hat den Ball direkt ins Tor gekickt, und Aziz hatte nicht mal Zeit zu sagen:«Was soll die Scheiße?», und wir hatten das Tor.
«Na gut, sieht aus, als könntest du spielen», hat Eierkopf eingeräumt.
«Im Gegensatz zu dir, Eierkopf», hat Boris frech gesagt.
«Vorsicht, Boris, wenn ich das noch mal höre, schicke ich dich welkes Laub unter den Bäumen aufsammeln.»
Da hat Boris seine Turnhose runtergezogen und hat ins Gras gepinkelt und dabei den Heimwehstreuer angeschaut, der irre wütend geworden ist.
«So, Boris, das Wort Toilette kennst du wohl nicht?»
«Keine Zeit, war zu dringend.»
Und Boris hat sein Dings wieder eingepackt und es vorher ein bisschen geschüttelt.
«Vergiss es, François», hat der Bärtige gesagt.
Camille hat die Geduld verloren.«Spielen wir jetzt, oder besichtigen wir den Schniepel von Boris?»
Wir konnten vor lauter Lachen gar nicht mehr spielen, und ich glaube, es war Jujube, der gesagt hat:«Wir besichtigen den Schniepel von Boris», und Boris ist weggelaufen, als wäre der Teufel hinter ihm her.
Danach sind wir im Wald spazieren gegangen.
«François ist ein Hosenscheißer», hat Camille zu mir gesagt,«aber Michel mag ich gerne, der hat einen Bart wie mein Papa.»
Und ich habe sie gefragt:«Was ist das Geheimnis der Bärtigen? »
«Wenn man es wüsste, wäre es kein Geheimnis mehr.»
«Wo ist dein Papa?»
Und Camille hat nichts gesagt. Sie hat mich an der Hand gezogen, und wir sind ganz tief in den Wald gegangen.
Kein Mensch war mehr zu hören außer dem Knacken von unseren Schritten auf den morschen Zweigen und dem Klatschen von unseren Turnschuhen in den Wasserpfützen.
Camille hat sich unter einen Baum gelegt und hat zu mir gesagt:«Komm her, wir schauen uns die Blätter an», und ich hab mich neben sie gelegt, und wir haben die Blätter angeschaut und die Sonne, die mit den Blättern gespielt hat, als würden Hunderte Lämpchen hinter dem Grün der Blätter aufleuchten und erlöschen, und ich habe meinen Kopf Camille auf die Schulter gelegt, und dann war es, als würden alle Lichter erlöschen, und ich bin eingeschlafen.
Als ich die Augen aufgemacht habe, hatte Camille die Augen zu.
Sie lag auf der Seite und hat geschlafen, die Knie bis unter das Kinn gezogen, in ihren Jeans und ihrem dicken grauen Pulli, der aussieht, als hätte sie keinen Hals. Ich habe ihre langen braunen Haare berührt, aber sie waren so fein, dass sie mir
durch die Finger geglitten sind. Ich habe ihre kleine Stupsnase angeschaut und habe mein Ohr darauf gelegt, und ich habe die leisen Atemgeräusche aus der Stupsnase gehört, und ich weiß nicht, warum ich meinen Mund auf ihren gedrückt habe, und dann hat Camille ihre irre grünen Augen aufgemacht, und ich bin zurückgesprungen, als hätte sie mich gebissen.
Sie hat sich gestreckt wie eine Katze.
«Wir müssen zurückgehen, Pflaume, sonst wird Rosy böse.»
Und als wir im Heim angekommen sind, haben Rosy, der Bärtige und Eierkopf schon oben an der Treppe auf uns gewartet.
Wir sind schnurstracks zu Madame Papineau ins Büro gegangen, und die Heimleiterin hat hinter uns dieTür zugemacht. Weil die Tür nur dann zu ist, wenn ein Monsieur oder eine Dame sie besuchen kommen, habe ich mir gedacht, dass das kein gutes Zeichen ist.
«Meine Kinder, ihr dürft euch nicht einfach von den anderen entfernen, ohne Bescheid zu geben», hat sie gesagt
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