Autobiografie einer Pflaume - Roman
auf die Knie gelegt und hat an seinem Daumen gelutscht, und ich habe mit dem Apfelkuchen und mit meinen Hausaufgaben kurzen Prozess gemacht, weil ich mich super darauf gefreut habe, mit Camille«Treppendienst»zu machen.
Unten an der Treppe habe ich ein bisschen Bohnerwachs auf den Lappen getan und habe zu Camille gesagt:«Ich trage es auf, und du bohnerst hinter mir, damit es glänzt.»
Und wir sind die zwei Etagen hochgeklettert bis zu den Appartements im obersten Stockwerk.
«Das letzte Mal, als ich Treppendienst hatte», habe ich gesagt,«war ich mit Simon zusammen, und wir sind Myriam begegnet, einer Oma von fünfundzwanzig, die in einem der Appartements wohnt. Sie ist seit ewigen Zeiten in Fontaines, und inzwischen ist sie Avocadin oder so ein ähnliches Gemüse und schläft immer noch hier. Simon hat zu ihr gesagt, warum sie kein eigenes Zuhause hat, und sie hat gesagt: ‹Mein Zuhause ist doch hier›, und Simon hat gesagt: ‹Die hat nicht alle Tassen im Schrank, das hier ist ein Knast›, und ich habe gesagt: ‹Nicht so laut, Simon, sonst haben wir morgen wieder Treppendienst. ›»
«Und du, würdest du gern immer hier wohnen?», hat Camille mich gefragt.
«Ööh, weiß ich nicht, manchmal denke ich an zu Hause,
aber das nützt nix, weil niemand reingehen darf. Hier habe ich Freunde, und Raymond kommt mich fast jeden Sonntag besuchen, und du bist auch hier.»
«Das ist nett von dir, das zu sagen, Pflaume. Aber hast du überhaupt keine Verwandten mehr? Sind die alle tot?»
«Ja, bis auf meinen Papa. Der ist Riese und ist mit einer Pute und mit seinen Lackschuhen und seinem Gockelgeschwätz auf Weltreise gegangen.»
«Da hast du es aber gut. Ich habe niemanden außer Tante Nicole, und die ist sehr böse. Als meine Eltern weggegangen sind, bin ich zu ihr gekommen. Da roch es schlecht, und es war dreckig, und ich musste alles putzen, aber ich konnte es der alten Hexe nie recht machen, und sie hat mir oft nichts zu essen gegeben oder nur hartes Brot und Nudeln, die schon am Teller festklebten, und ein Stück kohlrabenschwarzes Fleisch, und das war an den guten Tagen. An den anderen Tagen hat sie in allen Zimmern Kerzen angezündet, und dann musste man den lieben Gott um Vergebung bitten für alle Sünden, die man den Tag über begangen hatte. Die ganze Zeit hat sie überall Sünden gesehen. Komm, wir gehen wieder runter, sonst setzt es wieder eine Strafarbeit, und das nächste Mal schickt Madame Papineau uns sicher nicht zusammen zum Treppendienst. »
Wir haben uns mit weit aufgerissenen Augen angesehen.
«Weißt du», hat Camille gesagt,«vorhin im Wald habe ich nicht wirklich geschlafen.»
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und habe mir mit der Hand die Haare frisiert.
«Und es hat mir gefallen, als du mich geküsst hast. Vor dir hat mir noch nie jemand einen Kuss gegeben. Nur Papa, auf die Stirn, wenn er nicht auf Reisen war, und Mama, wenn sie Zeit hatte, einen Kuss auf die Backe, bevor sie mich ins Bett schickte, wenn es an der Tür geläutet hat, und ich habe mich
versteckt, um zu schauen, und es war nie Papa und nie der gleiche Mann.»
Und da habe ich sie an der Hand genommen, und wir sind die Treppe runtergestiegen, ohne etwas zu sagen, und haben uns fest an den Händen gehalten.
Am Abend gab es Gemüsesuppe und Spaghetti mit Tomatensauce und Hackbraten und Erdbeerjoghurt. Alice hat sich von Camille füttern lassen, und nach jedem Bissen hat sie ihren Daumen in den Mund gesteckt, und Ahmed hat es genauso gemacht, und wenn sie so weitermachen, bleibt von ihren Daumen bald nicht mehr viel übrig.
Boris und Antoine haben den Tisch abgeräumt, und Jujube hat ein Glas zerbrochen -«Ich habe mir wehgetan»-, und Rosy hat sich seinen Finger angeschaut und hat gesagt:«Du hast nicht dir wehgetan, sondern dem Glas.»Und sie hat die Scherben aufgesammelt.
Simon und ich haben das Geschirr abgetrocknet, und hinterher sind wir uns die Zähne putzen gegangen, und Rosy hat es überprüft und ist mit Simon ins Badezimmer zurückgegangen. Ahmed war schon eingeschlafen, als Rosy uns ein Schlummerlied vorgesungen hat.
Sie hat ausgesehen, als wäre sie müder als wir. Simon hat gesagt, sie hätte«Säcke unter den Augen», und ich habe mich gefragt, wozu sie mitten in der Nacht Säcke braucht, und dann habe ich an Camille gedacht und an das Wort«verknallt».
Manchmal macht Simon mir Angst. Er kennt alle Geheimnisse, nur das der Bärtigen vielleicht nicht.
Monsieur Paul erzählt uns von den
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