Autobiografie einer Pflaume - Roman
und dabei mit einem Stift gespielt und uns durch ihre dicken Brillengläser angeschaut.«Michel und François haben sich Sorgen gemacht und euch überall gesucht. Wo wart ihr denn?»
Ich habe Camille angeschaut, die mich angeschaut und geantwortet hat:«Das war meine Schuld, Madame Papineau, es tut mir sehr Leid, wir waren im Wald und haben das Licht in den Blättern der Bäume angeschaut und sind eingeschlafen.»
Und ich habe gesagt:«Nein, es ist nicht die Schuld von Camille, Madame Papineau, sondern von mir.»
«Icare, es heißt nicht: Schuld von Camille, sondern: Camilles Schuld.»
«Das ist doch kein Unterschied, und außerdem ist es nicht ihre Schuld, das habe ich doch gesagt.»
«Na gut. Du weißt, was das bedeutet?»
«Treppendienst?»
«Jawohl, und dass mir so was nicht noch einmal vorkommt. Wenn ihr euch noch einmal von den anderen entfernt, werde ich sehr streng sein, und ihr dürft mir glauben, dass ich das kann.»
Und sie hat ihren Stift auf den Tisch krachen lassen, und ich wäre nicht gern an der Stelle von dem Stift gewesen.
«Camille, am Sonntag kommt dich deine Tante besuchen. Du darfst jetzt gehen. Ich muss noch mit Icare sprechen. Nach den Hausaufgaben wird er dir zeigen, wie die Treppe sauber gemacht wird.»
Und Camille ist aufgestanden, ohne ein Wort zu sagen.
An der Tür hat sie sich umgedreht und hat mich angeschaut. Ihre Augen haben ausgesehen, als wären sie nicht so grün wie sonst.
«Icare, ich wollte dir nur sagen, dass Raymond am Sonntag nicht kommen kann. Sein Sohn ist krank, und er muss sich um ihn kümmern. Er hat mich gebeten, dir auszurichten, dass er dich nicht vergessen hat. Monsieur Paul fährt am Sonntag mit einigen Schülern zum Naturkundemuseum von La Villette. Du kannst dich anmelden, wenn du mitfahren willst. So, jetzt geh deine Hausaufgaben machen, für den Nachmittagskakao ist es zu spät. Und dass ihr euch nie mehr unerlaubt von den anderen entfernt, verstanden?»
«Verstanden, Madame Papineau.»
«Icare, du darfst Geneviève zu mir sagen. Das macht mich nicht so alt.»
«In Ordnung, Madame Papineau, aber nur, wenn du Pflaume zu mir sagst.»
Und ich bin rausgegangen und habe dabei an Raymond gedacht, der mich nicht besuchen kann wegen seinem Sohn, der mir ähnlich sieht, und an Camilles Tante, die Camille besuchen kommen will, und an Camille, die keine Farbe mehr in den Augen hat, wenn die Rede auf ihre Tante, diese Hexe,
kommt, und an die große Stadt, in die ich am Sonntag fahren könnte.
Aber ohne Camille habe ich keine Lust dazu.
Als ich in das Zimmer gekommen bin, hat Simon von seinen Schulheften aufgeblickt, Rosy hat Ahmed die Hand von der Schulter genommen, und alle haben mich angeschaut.
«Gut», hat Rosy gesagt,«du setzt dich neben Simon. Ich hole dir eine Tasse Kakao.»
«Ich will auch Kakao», hat Ahmed gesagt, und Rosy hat geantwortet:«Du hast schon zwei Tassen gehabt, davon kriegst du einen Blähbauch», und Ahmed hat seinen Bauch angeschaut, als wäre er schon ein richtiger Ballon, und hat geschnieft, und Simon hat gesagt:«So ein wehleidiges Baby», und ich habe Ahmed beruhigt, indem ich ihm mit dem Schlafhasen vor dem Gesicht herumgewedelt habe.
«Schieß los, wo warst du?», hat Simon mich gefragt.«Wir haben euch überall gesucht, und es war spannender als die blöden Suchspiele, bei denen die doofen Süßigkeiten immer an den gleichen Stellen versteckt sind.»
«Wir haben euch verloren und haben uns unter den Bäumen hingelegt und sind eingeschlafen, das war alles.»
«Mit Camille bist du gern zusammen, stimmt’s?»
«Du nicht?»
«Keine Ahnung, ich habe mich nicht mit ihr im Wald verirrt. »
«Was willst du damit sagen, Simon? Manchmal komme ich einfach nicht mit.»
«Ich glaube, dass du in Camille verknallt bist.»
«Was heißt verknallt?»
«Verknallt, das ist, wenn man die ganze Zeit an jemanden denkt.»
Ahmed hat zwischen seinem Schluchzen gesagt:«Ich bin in meinen Papa verknallt», und Rosy ist mit einem Tablett gekommen
und hat gesagt:«Was habt ihr schon wieder mit dem Kleinen angestellt, dass er so weinen muss?», und Simon und ich haben die Arme ausgebreitet wie zwei Unschuldslämmer.
Rosy hat das Tablett auf das kleine Pult gestellt und hat sich auf das Bett von Ahmed gesetzt.«Komm, mein Kleiner, was hast du denn auf dem Herzen?»
«Ich bin in meinen Papa verknallt.»
Rosy hat Simon angeschaut.«Hast du ihm diesen Blödsinn beigebracht?»
Simon hat den Kopf geschüttelt, und Ahmed hat seinen Kopf Rosy
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