Autobiografie einer Pflaume - Roman
uns -«Schluss jetzt mit dem Blödsinn, setzt euch sofort hin und zwar weit auseinander, sonst sage ich es Madame Papineau»-, und Boris ruft ihr hinterher:«Dreckiges kleines Flittchen», und Pauline bleibt der Mund mit dem Kaugummi drin offen stehen, und sie fragt:«Wer war das?», und wir sagen:«Wer war was, Pauline?», und Pauline antwortet:«Ach, nichts», und sie setzt sich beleidigt neben Gérard, der singt: Les Petites Femmes de Pigalle.
Pauline sagt:«Das ist kein Lied für Kinder», und Gérard sagt:«Aha, willst du mich auch bei Madame Papineau anschwärzen? », und wir lachen alle, und Pauline sagt kein Wort mehr, bis wir in Fontaines ankommen.
Wir singen alle Les Petites Femmes de Pigalle , nur Boris nicht, der seinen Walkman auf den Ohren hat und mit Camille Joe le taxi singt, und wir schreien alle um die Wette, und ich weiß nicht mehr, welche Partei gewonnen hat.
Ich klopfe an die Tür von Madame Colette und höre:«Einen Augenblick bitte», und ich warte im Flur.
Die Tür wird geöffnet, und Camilles Stimme sagt:«Ich will sie nicht sehen», und dann sagt Madame Colettes Stimme:«Sie hat dich sehr gern, wirklich», und ich sehe Camille mit den Worten«Das ist gelogen»rauskommen, und sie sieht mich nicht, weil sie die Augen voller Wasser hat.
Ich schaue die Tintenbilder an und sage:
«Das ist Camille, die Béatrice tröstet.»
«Das ist Camille, die Fußball spielt.»
«Das ist Camille, die sich im Schrank versteckt.»
Und Madame Colette fragt mich:«Warum versteckt sie sich im Schrank?»
Und ich antworte:«Na ja, weil sie ihre Tante Nicole nicht sehen will.»
Manchmal hat Madame Colette wirklich Tomaten auf den Augen.
«Du magst die kleine Camille sehr gern, nicht wahr?», sagt Madame Colette, und ich weiß nicht, ob das eine Frage ist, und deshalb sage ich nichts und lasse die Beine vom Stuhl baumeln und bücke mich und nehme das Knetgummi und mache daraus ein Herz und sage:«Das ist für dich, Madame Colette», und ich halte ihr mein Herz hin, und Madame Colette nimmt es und sagt:«Danke schön, das ist eine wunderschöne Kugel»,
und ich sage nichts, weil Madame Colette manchmal richtig bescheuert ist.
«Unterhältst du dich manchmal mit Camille?»
«Klar, die ganze Zeit, außer wenn wir im Wald spazieren gehen.»
Und da werde ich ganz schrecklich rot und sage schnell:«Im Wald schauen wir uns das Licht unter den Blättern der Bäume an, weiter nichts.»
Madame Colette sieht mich ganz komisch an und sagt:«Worüber sprichst du mit Camille?»
«Wir sprechen über Monsieur Paul oder über Rosy oder über das dreckige kleine Flittchen …»
«Und wer ist das dreckige kleine Flittchen?»
«Dreckiges kleines Flittchen habe ich nicht gesagt.»
«Doch, das hast du.»
«Jetzt gerade?»
«Nein, vorhin. Ich warte, Icare.»
Und sie sieht nicht aus, als würde sie scherzen, und ich petze:«Na ja, das dreckige kleine Flittchen, das ist Pauline.»
«Es ist nicht sehr nett, so von ihr zu sprechen. Das möchte ich nie wieder von dir hören. Einverstanden?»
Und ich antworte:«Okay», so wie im Film.
«Manchmal sprechen wir auch von der Tante von Camille», sage ich.
«Und was sagt Camille?»
«Sie sagt, dass ihre Tante sehr böse zu ihr ist, wenn niemand dabei ist. Wenn andere dabei sind, verstellt sie sich, so wie am ersten Tag mit Madame Papineau und später mit dem Richter. Und Camille sagt, dass ihreTante nie zufrieden war, als Camille bei ihr gewohnt hat. Auch wenn sie das ganze Haus geputzt hatte, war es der Tante nie sauber genug, obwohl Camille vom Putzen die Finger wehtaten und das ganze Haus blitzblank war, nur die Kleider von Camille nicht, weil die nie gewaschen wurden.»
«Das hat Camille dir erzählt?»
«Ja, und auch, dass ihre Tante sie gezwungen hat, überall im Haus Kerzen anzuzünden und den lieben Gott um Vergebung für ihre Sünden zu bitten, obwohl sie gar keine Zeit hatte, welche zu begehen, weil sie sofort nach der Schule putzen musste. Und sie hat um Vergebung gebetet, weil ihre Tante ihr sonst nichts zu essen gegeben hätte, aber manchmal hat sie ihr trotzdem nichts gegeben. Der liebe Gott, Madame Colette, der muss woanders zu tun haben, oder er hört schlecht, oder er hat ein Herz aus Stein.»
«Weißt du, Pflaume, auf der Welt gibt es so viel Unglück, dass der liebe Gott nicht überall helfen kann.»
«Aber er könnte wenigstens Camille helfen.»
«Ich bin mir sicher, dass er für euch alle da ist und sich um euch kümmert.»
«Da pfeifen
Weitere Kostenlose Bücher