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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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auf den Knien ineinander verkrampft hält.
    Die Bahn kriecht mit furchterregendem Quietschen langsam die Steigung hinauf. Alle Leute schreien.
    Mit erhobener Hand könnte man fast den Himmel anfassen.
    Die Leute unten sind ganz winzig.
    «Mach die Augen zu, wenn du zu viel Angst hast», sage ich zu Camille, und im nächsten Augenblick geht es nach unten.
    Die Bahn saust das Gefälle hinunter, und hui! stürzen wir ins Leere, und Camille dreht sich alles vor den Augen, die sie deshalb zumacht, und dann fahren wir wieder ein bisschen hinauf und sausen noch schneller runter als vorher, und mir
klopft das Herz im ganzen Körper, und mein Kopf kommt mir vor, als wollte er zerspringen, und mein Herz fällt aus mir raus, und ich sehe, dass Raymond auch die Augen zumacht, und Victor brüllt:«Nein!», und hui! geht es ganz tief nach unten, dann noch eine Runde, wir sausen wie der Blitz nach oben und noch schneller wieder hinunter, und mein ganzes Gesicht wird von der Leere aufgesaugt, und mein Herz kommt mir vor, als wollte es zu meinem Mund rausspringen, und es ist wahnsinnig, und wir fahren die letzte Runde, und Camilles Körper ist dicht an meinen gedrängt, und ihre Hände halten sich an meinen Armen fest, und ihre Augen schauen mich an, grün, so grün, und alles geht ganz schnell, und dann bremsen wir, und es ist vorbei.
    «Fahren wir noch mal?», fragt Victor ganz aufgeregt, aber sein Papa, der ganz weiß im Gesicht ist, deutet auf die riesige Schlange, die sich inzwischen gebildet hat, und ich denke mir, dass Camille sich ihr Eis sauer verdient hat.
    «Danach», sage ich, und Camille streichelt mich mit den Augen.
    «Wonach?», fragt Victor ganz enttäuscht.
    «Geht’s?», frage ich Camille, die nickt.
    «Papa, bitte!»Victor lässt nicht locker.
    «Also gut, Kinder, ich fahre noch mal mit Victor. Geht nicht zu weit weg. Hier, nehmt diesen Schein und kauft euch Eis.»
    Camille reißt Raymond den Geldschein aus der Hand und zieht mich zu einem Eisstand, und mir gefällt es gut, mit Camille allein zu sein: Mein Herz klopft noch heftiger als in der Russischen Bergbahn.
    Camille und ich nehmen jeder ein großes Eishörnchen, Camille mit Schokolade und Vanille, ich mit Erdbeere und Pistazie.

    Wir sitzen auf der Bank, ohne uns zu rühren, brav wie die Puppen.
    «Du bist voll mit Eis», sagt Camille.
    «Wo?»Und ich schaue auf mein Hemd und auf meine Hose und kann nichts entdecken.
    «Da.»Und sie küsst mich auf den Mund.
    «Oh! Wie niedlich!», sagt eine Urgroßmutter um die drei ßig.
    Niedlich oder nicht, das geht diese Schnepfe überhaupt nichts an, und ich warte, bis sie weg ist, bevor ich Camille den Kuss zurückgebe. Ihr Mund schmeckt nach Schokolade. Mir wird überall warm, und an meinen Armen und Beinen kitzelt es überall, und ich habe den Eindruck, dass die Sonne meinen offenen Mund als Einladung betrachtet hat und hineinspaziert ist.
    Dann bin ich es leid, brav zu sein.
    «Komm, ich schenke dir einen Riesenteddybären.»
    «Pflaume! Das Geld gehört dem Gendarmen.»
    «Ich gewinne den Bären. Mach dir keine Sorgen.»
    Der Monsieur an dem Schießstand reicht mir ein geladenes Gewehr, und ich schaue die kleinen bunten Luftballons in ihrem Käfig an, die so gern wegfliegen würden.
    «Tut mir Leid», sage ich zu den kleinen Ballons.
    Wenn der Richter jetzt da wäre, würde er nicht sagen, dass ich unfähig bin: Ich habe alle Ballons geschossen und einen Riesenteddybären gewonnen.
    «Wo ist denn dein Papa?», fragt mich der Monsieur mit den Luftballons.
    «Ich habe keinen Papa.»
    «Ach, ich dachte, ihr wärt mit Monsieur Raymond hier.»
    «Kennst du Raymond?»
    «Ja. Das ist lange her. Aber du musst ihm nicht unbedingt von mir erzählen.»

    Camille zieht mich am Arm. Den Riesenteddybären drückt sie an sich.
    «Komm, Pflaume, wir müssen gehen. Der Gendarm macht sich sonst Sorgen.»
    Raymond und Victor sitzen auf der Bank und warten auf uns.
    «Was ist das für ein Bär?», fragt Raymond.
    «Pflaume hat ihn beim Schießen auf Luftballons gewonnen. Und der Monsieur vom Stand kennt Sie, und wir müssen Ihnen nicht unbedingt von ihm erzählen.»
    «So, so, hat er das gesagt? Und wo ist dieser Teddybärenverkäufer? »
    «Da drüben, der Monsieur mit der karierten Jacke.»
    «Aber das ist ja dieser Nichtsnutz Gilbert!»
    «Wer ist Gilbert, Papa?»
    «Ein kleiner Autoknacker, den ich erwischt habe.»
    «Mein Papa erwischt sie alle», sagtVictor ganz stolz. Und leise fügt er hinzu:«Vor allem seit er nicht mehr

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